Deutsch-Polnische Versöhnungsgeste feiert Jubiläum

Ein Beispiel für alle Nationen

Veröffentlicht am 18.11.2015 um 00:01 Uhr – Von Christoph Arens (KNA) – Lesedauer: 
Zwei Bschöfe reichen sich die Hände.
Bild: © KNA
Geschichte

Bonn ‐ "Wir gewähren Vergebung und bitten um Verzeihung", schrieben die polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder vor 50 Jahren. Der Briefwechsel ging in die Kirchengeschichte ein als eine Sternstunde der Brüderlichkeit und Versöhnung.

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Jetzt würdigte auch Papst Franziskus die deutsch-polnische Aussöhnung. Diese Geste könne ein Beispiel für alle Nationen sein, die sich in Konfliktsituationen befinden, heißt es in seiner Grußbotschaft. Die Bischöfe Deutschlands und Polens wollen den 50. Jahrestag der Versöhnungsgeste umfangreich feiern. Am 18. November werden zeitgleich in Berlin und Breslau (Wroclaw) zwei Ausstellungen zum Briefwechsel eröffnet. Am 22. November treffen sich rund 30 Bischöfe in Tschenstochau. Dabei wollen sie eine gemeinsame Erklärung verabschieden, in der es auch um die aktuellen Herausforderungen in der Friedens- und Flüchtlingspolitik gehen soll.

Solche Begegnungen sind inzwischen Routine: 1995 richteten die beiden Bischofskonferenzen eine Kontaktgruppe ein, die sich regelmäßig über kirchliche und gesellschaftliche Fragen austauscht. Das 1993 gegründete Osteuropa-Hilfswerk der deutschen Katholiken Renovabis unterstützt zahlreiche Projekte im Nachbarland. Dass die Schatten des Weltkriegs dennoch weit reichen, zeigte sich 2009, als eine gemeinsame Erklärung zum Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs nur nach langem Ringen zustande kam. Wichtigster Konflikt damals: die Bewertung der Vertreibungen der Deutschen.

Bild: ©KNA

Der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki (links), der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx (Mitte), und der evangelisch-lutherische Bischof in Kattowitz, Mariam Niemiec (rechts), beim gemeinsamen Gedenken des Kriegsbeginns in Gleiwitz.

Ängste und Vorbehalte gab es über Jahrzehnte. Erste Kontakte zwischen deutschen und polnischen Katholiken fanden erst Mitte der 1950er Jahre statt. Vor allem Laien brachten die Versöhnung voran: etwa mit Sühnewallfahrten der deutschen Pax-Christi-Sektion nach Auschwitz oder durch Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), die Kontakte mit Intellektuellen in Polen pflegten. 1973 gründeten deutsche Katholiken das Maximilian-Kolbe-Werk, das überlebenden NS-Opfern hilft.

Historischer Briefwechsel während des Konzils

Vor diesem Hintergrund war die Versöhnungsgeste von 1965 ein wichtiger Schritt nach vorn: Kurz vor Ende des Konzils, am 18. November 1965, veröffentlichten die polnischen Bischöfe ihren Brief, der mit den Worten endete: "In diesem allerchristlichsten und zugleich sehr menschlichen Geist strecken wir unsere Hände zu Ihnen hin (...), gewähren Vergebung und bitten um Vergebung." Zwei Wochen später antworteten die deutschen Bischöfe: "Furchtbares ist von Deutschen und im Namen des deutschen Volkes dem polnischen Volk angetan worden. So bitten auch wir zu vergessen, ja wir bitten zu verzeihen."

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Vieles, was heute in der Kirche als selbstverständlich gilt, ist eine Folge von fast revolutionären Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Katholisch.de blickt auf die wegweisende Bischofsversammlung und ihre wichtigsten Beschlüsse zurück.

Allerdings blieben die Spielräume begrenzt: Die polnischen Bischöfe waren enttäuscht, dass ihre Amtsbrüder die Anerkennung der polnischen Westgrenze ausklammerten - anders als die Evangelische Kirche in ihrer ebenfalls im Herbst 1965 erschienenen Ostdenkschrift, die einen Verzicht auf die früheren deutschen Ostgebiete nahe legte. Bei den in Polen regierenden Kommunisten löste der Brief antikirchliche Maßnahmen aus. Auch die deutschen Bischöfe bekamen heftigen Gegenwind, etwa von den Heimatvertriebenen.

Für die Bundesregierung unter Kanzler Willy Brandt (SPD) bedeutete das Engagement der Kirchen dennoch Rückenwind. Brandt selber formulierte es so: "Das Gespräch der Kirchen und ihrer Gemeinden war dem Dialog der Politiker voraus." Die Zugeständnisse der sozial-liberalen Koalition gegenüber Polen führten dann umgekehrt zu einer Bereinigung auf kirchlichem Gebiet. 1972 ordnete der Vatikan die Kirchenstrukturen in den früheren deutschen Ostgebieten neu und gründete polnische Diözesen - unter heftigem Protest der deutschen Katholiken.

Trotz solcher Irritationen ließen die Katholiken beider Länder den Faden nicht mehr abreißen. Als Polens Regierung im Dezember 1981 das Kriegsrecht verhängte, riefen die deutschen Bischöfe zu Kollekten und Paketspenden auf. Der Zusammenbruch des Ostblocks stellte das deutsch-polnische Verhältnis auch bei den Kirchen auf eine neue Grundlage: Deutsche und Polen konnten eine normale Nachbarschaft erlernen.

Von Christoph Arens (KNA)