Bischof Heiner Koch über die neue Leipziger Propsteikirche

"Ein Denkmal für Gott"

Veröffentlicht am 05.05.2015 um 00:00 Uhr – Von Björn Odendahl  – Lesedauer: 
Bischof Heiner Koch vor der Dresdner Hofkirche.
Bild: © KNA
Bistum Dresden

Leipzig ‐ Mitten in Leipzig, gegenüber dem Rathaus, wird Bischof Koch am Samstag die neue Kirche weihen. Ein Ausrufezeichen in Richtung der Nicht-Gläubigen in der ostdeutschen Diaspora? Im Interview mit katholisch.de spricht der Oberhirte von Dresden-Meißen über die Bedeutung des Neubaus für die Stadt und für die Bistümer in Westdeutschland, wo viele Gotteshäuser geschlossen werden.

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Frage: Bischof Koch, ist das am Samstag in Leipzig eigentlich ihre erste Kirchweihe?

Koch: Nein, es ist in meiner Amtszeit schon die dritte. Das ist in meinen Augen eindeutig ein Zeichen dafür, dass unser Bistum wächst und wir infolgedessen neue Orte und größere Kirchen brauchen.

Frage: Dann ist eine Kirchweihe für Sie Routine…

Koch: Nein, denn sie ist immer wieder ein ganz ergreifender Ritus: Ich stehe vor dem Portal, klopfe gegen die Tür, überschreite die Schwelle der Kirche und mache ein Kreuzzeichen auf dem Boden. Danach segne ich den Taufbrunnen, entzünde die Osterkerze und besprenge die Gemeinde und das Kirchengebäude mit Weihwasser. Nach der Predigt findet dann die eigentliche Weihe mit der Beisetzung der Reliquien, der Salbung des Altars und dem Weihegebet statt.

Frage: Die Kirchweihe ist sozusagen der krönende Abschluss für den Bau der Propsteikirche. Wie haben Sie die Entstehung des Gebäudes bis dahin verfolgt und begleitet?

Koch: Ich bin sehr häufig in Leipzig und habe den Bau natürlich bei jeder möglichen Gelegenheit besucht. Ich war aber auch unmittelbar am Bauprozess beteiligt, beispielsweise bei der künstlerischen Gestaltung. Außerdem hat mich in dieser Zeit die Frage der Akzeptanz dieser Kirche in der Stadt und die Frage nach der Botschaft beschäftigt, die diese Kirche in die Stadt sendet. Es ist ja schon ein gesellschaftlich markantes Zeichen, wenn eine katholische Kirche mitten im Zentrum Leipzigs und direkt gegenüber dem Rathaus gebaut wird. Daraus ergeben sich dann weitere Fragen: nach der Zukunft von Kirche in Leipzig, nach dem Wert der Religionen, nach Gott und dem Menschen.

Frage: Welche Botschaft sendet denn die neue Kirche an die Stadt Leipzig und an die Diaspora in Ostdeutschland?

Bischof Heiner Koch segnet den Grundstein der Propsteikirche in Leipzig.
Bild: ©Markus Kremser

Bischof Heiner Koch segnet den Grundstein der Propsteikirche in Leipzig.

Koch: Der Stadt zeigt sie, dass es hier gläubige Christen gibt – und zwar nicht nur eine Handvoll, sondern eine stark wachsende Zahl. Es ist eine junge Gemeinde, deren größte Gruppe zwischen 20 und 30 Jahren alt ist. Allein die Propsteigemeinde wächst durch Zuzüge und Taufen jedes Jahr um 150 Mitglieder. Diese Christen – das gilt auch für die übrige Diaspora Ostdeutschlands – stehen vor einer ganz eigenen Herausforderung: Sie müssen Gott dort ins Gespräch bringen, wo er seit Generationen verschwiegen wurde. Dies müssen sie einladend und profiliert tun. Dazu trägt eine neue und eindrucksvolle Kirche bei.

Frage: Als Sie um Spenden für die Propsteikirche geworben haben, haben Sie sie als Denkmal und Mahnmal bezeichnet. Was haben Sie damit gemeint?

Koch: Von außen gesehen ist die Kirche zunächst ein Denkmal für Gott. Es gäbe diese Kirche nicht, wenn es Gott nicht gäbe. Sie ist ein Zeugnis. Sie ist aber auch ein Mahnmal, eine Aufforderung an die Menschen: Denkt doch mal an Gott, vergesst ihn nicht! In einer Stadt und einer Gegend, in der Gott für viele Menschen lange nicht vorgekommen ist, steht auf einmal ein Gebäude aus Stein, das sie an Gott erinnert. Allerdings wäre dieses Gebäude leer und hohl, wenn die lebendige Gemeinde es nicht füllen würde. Denn die Gläubigen sind der eigentliche Tempel Gottes. Deshalb bin ich auch so froh, dass sich die Gemeinde seit langem auf diese neue Kirche vorbereitet.

Frage: Der Propst der Gemeinde, Gregor Giele, hat die neue Kirche als Hoffnungszeichen für die Christen bezeichnet. Ist sie das? Oder ist sie doch eher ein Ausrufezeichen in Richtung der Nicht-Gläubigen?

Koch: Sie ist einerseits Hoffnungszeichen für die Gläubigen, die klar in der Minderheit sind. Immerhin sind 80 Prozent der Menschen im Osten nicht getauft. Sie ist aber schon rein architektonisch mit ihrem Kirchturm auch ein Ausrufezeichen. Aber nicht nur für Nicht-Gläubige, sondern genauso für alle Christen. Das Ausrufezeichen warnt: Nimm deine christliche Verantwortung ernst, sei Bote Gottes, sei selbst Evangelium!

Frage: Während nun in Leipzig eine neue Kirche gebaut wurde, werden in anderen Bistümern Kirchen geschlossen. Wie haben ihre Amtsbrüder auf die Propsteikirche reagiert?

Koch: Zunächst einmal haben sie sich mit mir gefreut. Viele Bischöfe haben dieses Gebäude mit Spenden und Kollekten mitgetragen. Denn wir sind ein armes Bistum, das diese Kirche aus eigener Kraft nicht hätte finanzieren können. Deshalb bin ich allen Diözesen, dem Bonifatiuswerk und vielen Einzelspendern sehr dankbar. Die Bischöfe sehen aber auch, dass wir hier im Osten schon lange in einer Situation sind, in die sie selbst zusehends hineinkommen. Eine Situation, in der der Glaube nicht mehr selbstverständlich ist, in der die Kirche an den Rand gedrängt wird. Wir müssen schon lange schauen, wie wir mit den Menschen ins Gespräch kommen, einladend, aber nicht vereinnahmend. Das geht aber nicht mit einem neuen Kirchengebäude allein. Gott ist schon lange in Leipzig. Wir geben ihm nur ein äußeres Zeichen.

Frage: Können die anderen Bistümer etwas von den ostdeutschen Diözesen lernen?

Koch: Am Ende muss jeder auf seine Weise Kirche leben. Grundsätzlich gilt vielleicht, dass wir alle dazu aufgerufen sind, einen neuen Weg zu suchen, um in einer veränderten Gesellschaft Kirche zu sein. Ich glaube aber, dass noch niemand definitiv weiß, wie das künftig geht. Das heißt aber nicht, dass wir ratlos in der Ecke stehen. Wir müssen uns zunächst unserer Mitte und unserer Quelle bewusst werden. Wenn wir uns nicht um das geistliche Zentrum, um Christus sammeln, werden wir nicht ausstrahlen. Und dann müssen wir auch mutig und entschlossen hinausgehen und so von Gott in Tat und Wort reden, dass es die Menschen verstehen, dass sie zumindest wieder beginnen, nach Gott zu fragen. Wir müssen dabei auch mit den Menschen reden, die uns ablehnen oder nichts mit uns anzufangen wissen. Manchmal sind gerade sie für uns eine Bereicherung. Ich bin dankbar, dass wir diesen Weg in ökumenischer Verbundenheit gehen.

Frage: Sie sind nun seit zwei Jahren Bischof von Dresden-Meißen. Wie nehmen Sie als gebürtiger Rheinländer die Diaspora wahr?

Koch: Es war für mich schon überraschend, dass gläubige Christen hier als Exoten angesehen werden. Man bekommt einen neuen Blick auf die Dinge, wenn man zu Grundlegendem wie den christlichen Werten und der christlicher Moral befragt wird oder wenn Schüler wissen wollen, warum man überhaupt an Gott glaubt. Es werden viel mehr Auseinandersetzungen um elementare Dinge des Glaubens geführt. Allerdings tun die Christen das hier mit großer Kraft und mit viel Gottvertrauen, ohne gegenüber den Nichtglaubenden überheblich zu sein. Vor allem müssen wir die jungen Familien damit für den Glauben gewinnen. Wenn uns das nicht gelingt, wird alles nur ein kurzes Feuerwerk sein.

Frage: Noch eine Frage zum Abschluss. Was wünschen Sie sich für die neue Propsteikirche?

Koch: Genau vor tausend Jahren wurde die Stadt Leipzig in der Todesurkunde eines Bischofs erstmals erwähnt. Ich wünsche mir, dass von der neuen Propsteikirche in den nächsten tausend Jahren ein Segen für ganz Leipzig ausgeht und dass Menschen von ihr angeregt werden, Gott zu suchen und zu finden. Ich hoffe, dass dann in tausend Jahren viele Christen in dieser Kirche Gottesdienst feiern und beten und sie zusammen mit den wenigen Leipzigerinnen und Leipzigern, die noch nicht getauft sind, sagen werden: Gut, dass die Christen damals den Mut hatten, diese Kirche zu bauen.

Von Björn Odendahl