Ein Fanal für die Ökumene
25. Juli 1967 in der griechisch-orthodoxen Patriarchenbasilika von Istanbul: Schon lange war das dem heiligen Georg geweihte Gotteshaus nicht mehr so vollgestopft mit Kirchgängern wie an diesem Sommerdienstag. Durch türkische Verfolgungen, Vertreibungen und Schikanen jeder Art war die christliche Bevölkerung im einstigen Konstantinopel auf wenige Tausend geschrumpft. Das Überleben der christlichen Gemeinschaften schien in Gefahr. Nun aber kam solidarischer Beistand - und das von einer Seite, die allzu lang für den größten Feind der Orthodoxie gehalten wurde: dem römischen Papst.
In seiner Kathedrale am Goldenen Horn erwartete der Ökumenische Patriarch aller Orthodoxen, Athenagoras I., den Heiligen Vater Paul VI. Mehr als 1.250 Jahre waren vergangen, seit mit Konstantin I. zuletzt ein amtierender Papst persönlich ins Zentrum der byzantinischen Ostkirche gereist war. Alle orthodoxen und katholischen Bischöfe der Türkei und viele ihrer Gläubigen waren gekommen, dazu Diplomaten und die Weltpresse.
Beistand in höchster Not
Für Athenagoras und seine Schrumpfgemeinde brachte der päpstliche Besuch Beistand in höchster Not. Seit der ersten Zypernkrise 1964 behandelte die Regierung von Ankara die Griechisch-Orthdoxen als Geiseln für das Wohlverhalten des Präsidenten und Erzbischofs Makarios gegenüber den Zyperntürken: Zwei Bischöfe und Zehntausende Gläubige wurden nach Griechenland abgeschoben, Kirchen enteignet und das Patriarchats-Organ "Apostolos Andreas" verboten. Mehr noch: Alle Priesterstudenten aus der orthodoxen Welt, die nicht türkische Staatsbürger waren, wurden von der Theologischen Hochschule Chalki draußen auf einer Insel im Marmara-Meer vertrieben.
Der Patriarch wiederum war gesundheitlich angeschlagen. Immer wieder erlitt Athenagoras Schwindelanfälle. Einmal stürzte er dabei die Stiege von der Kanzel hinab. Jetzt aber stand er in seiner Zwei-Meter-Größe hochaufgerichtet und mit langen weißen Bart vor dem im Vergleich fast zierlich wirkenden Amtsbruder aus Rom. Für Paul VI. und seine neuartige globale Reisetätigkeit war der Besuch im Phanar - wie der orthodoxe "Vatikan" in Istanbul genannt wird - die Krönung seiner zwei früheren großen Schritte in Richtung Orthodoxie: der ersten Begegnung mit Patriarch Athenagoras in Jerusalem 1964 und der Aufhebung der gegenseitigen Exkommunikationen von Katholiken und Orthodoxen zum Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils am 7. Dezember 1965.
Keine Ökumene ohne diesen ersten Bruderkuss
Auch wenn allen klar war, dass die Kirchenspaltung mit Rücknahme der Bannbullen von 1054 in der Praxis und besonders an der Basis noch lang nicht aus der Welt geschafft war: Die Umarmung und der Bruderkuss von Paul VI. und Athenagoras I. am Schauplatz der tragischen Ereignisse wurden zum ersten Anlauf für ein Wiederzusammenwachsen, das trotz immer neuer Schwierigkeiten bis heute anhält. Ohne den 25. Juli 1967 gäbe es keinen katholisch-orthodoxen Dialog. Nur die damals von Papst und Patriarch vereinbarte "fallweise eucharistische Gastfreundschaft" zwischen Orthodoxen und Katholiken hat sich bis heute nicht fest etabliert.
Am darauffolgenden Tag stellte Paul VI. die ökumenische Aussöhnung dann noch unter den Schutz der Gottesmutter. Am Panaya Kapulu, dem Haus Marias in Ephesus, betete er um das Gelingen weiteren Annäherungen. Nicht umsonst stellt das Panaya Kapulu heute einen wichtigen Begegnungsort für katholische und orthodoxe Christen, aber auch für viele Muslime dar: Sie tragen ihre Nöte und Anliegen gern zu "Maryam, der Mutter von Issa (Jesus)".