Ein "Glücksfall" nimmt Abschied
Am Freitag nun teilte das Bistum Mainz mit, es bestehe kaum ein Zweifel daran, dass Papst Franziskus die altersbedingte Bitte Lehmanns um Entpflichtung von seinem Mainzer Bischofsamt annehme. Damit werde der Bischofsstuhl vom Tag nach Lehmanns 80. Geburtstag am 16. Mai an nicht besetzt sein.
Bald 33 Jahre ist es her, dass Lehmann am 2. Oktober 1983 im Mainzer Dom zum Bischof geweiht und in sein Bischofsamt eingeführt wurde. Mit 47 Jahren war er der damals jüngste katholische Bischof in Deutschland. Lehmanns bischöflicher Wahlspruch "State in fide" (Steht fest im Glauben) gab die Richtung seines künftigen Tuns an.
Treue zum Glauben und zu den Menschen
Wobei für Lehmann galt und gilt, dass die Treue zum Glauben und die Treue zu den Menschen zusammengehören und sich Glaube und Vernunft nicht ausschließen. "Der Glaube ist ein Gehorsam, der wenigstens potenziell mit der menschlichen Vernunft übereinstimmen muss", sagte er einmal. Grundsätze, die nicht zuletzt sein langes Wirken als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz von 1987 bis 2008 bestimmten.
In dieser Zeit vor allem erwarb er sich den Ruf, in dem er bis heute steht, nämlich ein "Glücksfall für die deutschen Katholiken" zu sein, ein "Brückenbauer", ein "Mann des Dialogs", ein "Mann von unerbittlicher Friedfertigkeit". Als solcher führte Lehmann auch nach dem Fall der Mauer die Katholiken aus Ost- und Westdeutschland zusammen, trat und tritt er unermüdlich für den Schutz des Lebens ein, gibt er nach wie vor Impulse für das ökumenische Gespräch.
Lehmann steht für ein weltoffenes, lebensbejahendes Christentum, ist ein allseits gefragter und geschätzter Gesprächspartner und für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein nach ihren Worten "väterlicher Freund".
Das Zweite Vatikanische Konzil gehört zu seinem Selbstverständnis
Für Lehmanns Selbstverständnis von besonderer Bedeutung ist das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965). "Ich identifiziere mich mit meiner ganzen priesterlichen Existenz und in der Ausrichtung meines Dienstes daran. Ich könnte mich gar nicht denken ohne das Konzil", sagt Lehmann. Für ihn ist das Konzil ein Prozess, der noch nicht zu Ende ist. "Das Feuer des Konzils", so Lehmann unlängst, "ist nicht erloschen."
Als Lehmann Anfang 2001 von Papst Johannes Paul II. zum Kardinal erhoben wurde, galt dies als eine Sensation. Schließlich hatte es in den Jahren zuvor Meinungsverschiedenheiten mit Rom gegeben, nicht zuletzt in Sachen Schwangerschaftskonfliktberatung und in der Frage nach der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion. Übersehen worden war da von vielen - aber eben nicht von Johannes Paul II. - Lehmanns unverbrüchliche Loyalität zu Papst und Kirche.
Linktipp: Lehmann tritt zurück
Es ist eine Zäsur für das Bistum Mainz und die katholische Kirche in Deutschland: Nach fast 33 Jahren tritt Kardinal Karl Lehmann am Pfingstmontag als Bischof von Mainz zurück. Das meldete die Diözese am Freitagvormittag. Die offizielle Entscheidung des Papstes für den altersbedingten Rücktritt Lehmanns steht aber noch aus.Als Mitglied des Kardinalskollegiums nahm Lehmann am Konklave im April 2005 teil, bei dem Papst Benedikt XVI. gewählt wurde, und an dem im März 2013, das Papst Franziskus zu Benedikts Nachfolger wählte. Es darf angenommen werden: auch mit Lehmanns Stimme. Zwei Jahre später lobte der Kardinal, Franziskus ermögliche ein neues, offenes Klima der Diskussion und Meinungsfreiheit in der Kirche.
Um zu wissen, dass der Papst seinerseits viel von Lehmann hält, brauchte es nicht erst eines Schreibens zum 30-Jahr-Jubiläum von Lehmanns Bischofsweihe. Darin würdigte Franziskus dessen "menschliche Gaben" und hob hervor: "Wir wissen, mit welchem Eifer du das Evangelium verkündigst".