"Ein historischer Augenblick"
Am 27. August war es soweit: Zum ersten Mal seit 200 Jahren zogen Mönche in das brandenburgische Kloster Neuzelle ein. Die Wiederbesiedelung des Klosters durch Brüder des österreichischen Stifts Heiligenkreuz geht zurück auf eine Initiative des Görlitzer Bischofs Wolfgang Ipolt. Im Interview mit katholisch.de spricht Ipolt über den Neustart in Neuzelle, seine ersten Begegnungen mit den Mönchen und die Impulse, die er sich von der Neugründung des Klosters für das Bistum Görlitz und die Katholiken in Ostdeutschland erhofft.
Frage: Bischof Ipolt, seit einer Woche leben nach zwei Jahrhunderten Unterbrechung wieder Mönche im Kloster Neuzelle. Haben Sie das schon richtig realisiert?
Ipolt: Ich habe es bei unserer gestrigen Bistumswallfahrt nach Neuzelle zumindest optisch realisiert. Die Anwesenheit der Mönche ist dort natürlich sichtbar geworden – auch für unsere Gläubigen, die jetzt gesehen haben, dass die ersten Brüder aus Heiligenkreuz nun da sind. Was die Anwesenheit der Mönche aber innerlich für unser Bistum bedeutet und was daraus erwachsen kann, das ist alles noch eine Frage der Zukunft.
Frage: Mit Superlativen soll man normalerweise ja vorsichtig sein. Würden Sie trotzdem zustimmen, dass man die Wiederbesiedelung von Neuzelle als "historisch" bezeichnen kann?
Ipolt: Ja, das kann man sicher so sagen. Für unser Bistum und für die ganze Region ist dies ein historischer Augenblick. Die Wiederbesiedelung eines Klosters ist immer auch ein Zeichen des Aufbruchs. Gerade in unserer Region, wo wir mit Blick auf das Christentum manche Abbrüche erleben müssen, bin ich sehr froh, dass wir dieses Zeichen erleben. Dass nach 200 Jahren ein Neuanfang in Neuzelle stattfindet, dafür kann man nur dankbar sein.
Frage: Wie sehr hat es Sie denn überrascht, dass das Stift Heiligenkreuz Ihrer Idee einer Wiederbesiedelung von Neuzelle im Herbst vergangenen Jahres zugestimmt hat? Immerhin hatte der Heiligenkreuzer Abt Maximilian Heim Ihre erste Initiative in dieser Sache 2013 ja noch abgelehnt...
Ipolt: Es hat mich nicht gewundert, dass auf meine erste Initiative hin nicht sofort ein "Ja" aus Heiligenkreuz kam. Man muss einem Konvent bei einer so wichtigen Frage Zeit zum Nachdenken geben, das habe ich durchaus verstanden. Schließlich gab es im Vorfeld viele Dinge zu bedenken. Beispielweise befindet sich die Klosteranlage in Neuzelle ja nicht mehr im Eigentum der Kirche, von daher gab es natürlich Fragen und auch Sorgen. Es war deshalb gut, dass wir uns gemeinsam – der Orden und das Bistum – ausreichend Zeit genommen haben, um den Weg für eine Wiederbesiedelung gut vorzubereiten.
Linktipp: Aufbruch nach Neuzelle
Das Stift Heiligenkreuz hat am Sonntag offiziell mit der Wiederbesiedelung von Kloster Neuzelle begonnen. Vier Mönche der niederösterreichischen Abtei haben sich auf den Weg nach Brandenburg gemacht.Frage: Sie haben es bereits angesprochen: Bei der Bistumswallfahrt am Sonntag haben Sie die Mönche in Neuzelle persönlich erlebt, und eine Woche zuvor waren Sie auch bei der Ankunft der Brüder vor Ort. Wie haben Sie bei diesen Gelegenheiten die Situation rund um die Mönche wahrgenommen?
Ipolt: Mich hat vor allem überrascht, wie positiv die Bevölkerung von Neuzelle die Mönche aufgenommen hat – immerhin leben im Ort und in der Umgebung nur wenige Katholiken. Es scheint bei den Menschen aber auch heute noch ein Gespür dafür da zu sein, dass Neuzelle einst ein geistlicher Ort war und das an diese Tradition nun wieder angeknüpft werden soll. Bei meinen Gesprächen mit den Menschen vor Ort habe ich eine große Freude gespürt, die Wiederbesiedelung des Klosters ist ein echtes Hoffnungszeichen für die ganze Region.
Frage: Sie beschreiben die positive Resonanz auf die Wiederbesiedelung des Klosters, aus einigen Medienberichten zu diesem Thema kann man sogar eine regelrechte Euphorie herauslesen. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass die Erwartungen an die Präsenz der Mönche in Neuzelle am Ende zu hoch seien könnten?
Ipolt: Ein wenig habe ich diese Sorge auch, das gebe ich zu. Aber ich deute die momentane Euphorie vor allem als Ausdruck großer Freude über den Neuanfang des Klosters; sicher wird mit der Zeit auch wieder Normalität einkehren. Es ist jetzt eine Aufbruchsstimmung spürbar, aber wir dürfen die Mönche natürlich nicht überfordern. Ordensleute sind auch "nur" Menschen, die sich mit ihren Begabungen und mit ihrem Glauben zur Verfügung stellen. Für die vier Brüder muss es nun zunächst darum gehen, in Neuzelle Fuß zu fassen und erste Schritte in der seelsorglichen Arbeit zu gehen.
Frage: Was erhoffen Sie sich denn langfristig von der Neugründung des Klosters für Ihr Bistum und den Katholizismus in der Region?
Ipolt: Ich erhoffe mir, dass sich Neuzelle durch die Präsenz der Zisterzienser noch stärker zu einem geistlichen Mittelpunkt für die Katholiken, aber auch für suchende Menschen in unserer Region entwickelt. Neuzelle ist für unser Bistum als Wallfahrtsort lange schon ein wichtiger Ort. Es wäre schön, wenn die geistliche Seite des Ortes durch die Wiederbesiedelung des Klosters weiter gestärkt würde. Viele Menschen kommen heute schon auch aus touristischen Gründen nach Neuzelle, um die barocke Klosterkirche zu besuchen, die unmittelbar am Oder-Neiße-Radweg liegt. Es kommen Gruppen aus Pfarreien mit ihren Priestern, um Gottesdienst zu feiern. Wenn es gelänge, diesen Menschen durch das Engagement der Mönche ein noch umfassenderes geistliches Angebot zu machen, ja vielleicht sogar eine Erstberührung mit dem Glauben zu ermöglichen, wäre das ein toller Erfolg.
Frage: Görlitz ist zwar ein Diaspora-Bistum mit nur wenigen Katholiken. Trotzdem haben Sie viele lebendige, wachsende Gemeinden, und beim Gottesdienst-Besuch steht Ihr Bistum sogar bundesweit an der Spitze. Haben Sie die "Hilfe" aus Heiligenkreuz vor diesem Hintergrund überhaupt nötig?
Ipolt: Ich denke schon, dass wir diese Unterstützung gut gebrauchen können. Unser Bistum ist klein – aber das bringt auch eine gewisse Enge mit sich. Insofern erhoffe ich mir von den Heiligenkreuzer Mönchen eine neue Perspektive, einen frischen Blick von außen. Darüber hinaus ist die Wiederbesiedelung des Klosters ja nicht nur eine Chance für unser Bistum, sondern für die ganze Region. Ich denke vor allem an Brandenburg, ein wirklich entchristlichtes Gebiet. Hier kann das Kloster ein Biotop des Glaubens werden, wo man neu angeregt und bestärkt wird, selbst Christ zu sein.
Frage: Was muss mit Blick auf die Neugründung des Klosters nun konkret weiter passieren? Was sind die nächsten notwendigen Schritte, um das Wiederbesiedelungs-Projekt weiter voranzutreiben?
Ipolt: Vor allem müssen die laufenden Verhandlungen mit der Stiftung Stift Neuzelle fortgeführt werden. Hierbei muss insbesondere die Frage beantwortet werden, wo die Mönche auf Dauer wohnen sollen. Derzeit leben die vier Brüder im örtlichen Pfarrhaus, das ist langfristig aber zu klein. Ich bin jedoch guter Hoffnung, dass wir hier und bei allen anderen offenen Fragen eine gute Lösung finden werden.
Frage: Kann das Projekt auch noch scheitern?
Ipolt: Nein, ich denke nicht. Mit der Ankunft der ersten Mönche sind nun Fakten geschaffen worden, hinter die man kaum zurückgehen kann. Wir sind auf einem guten Weg, und auch in Neuzelle selbst möchte niemand, dass das Projekt noch scheitert. Im Gegenteil: Alle Seiten arbeiten gut zusammen, um den Neuanfang des Klosters zu einem Erfolg zu führen. Abt Maximilian hat es bei unserer Bistumswallfahrt mit Recht so ausgedrückt: "Ich glaube, dass es Gottes Wille ist, dass wir in Neuzelle wieder neu anfangen." Dem stimme ich gerne zu und werde als Diözesanbischof mein Möglichstes tun, um die Wiederbesiedelung von Neuzelle zu befördern.