"Ein Kirchenvater des 20. Jahrhunderts"
Für Menschen, die sich intensiver mit Guardini beschäftigen, ist diese Nachricht gleichwohl keine Überraschung. Entsprechende Gerüchte gebe es schon länger – schließlich werde die Seligsprechung von Teilen seiner Anhänger aktiv betrieben, weiß Florian Schuller, Direktor der Katholischen Akademie in Bayern. Es handele sich dabei jedoch um eine Prozess von Jahrzehnten, der im Fall Guardinis "noch ganz am Anfang steht". Die Akademie war von Guardini mitbegründet worden und vergibt alle zwei Jahre einen nach ihm benannten Preis.
Im Gespräch mit katholisch.de würdigt Schuller den 1968 in München verstorbenen Wissenschaftler als "einen der großen Denker des 20. Jahrhunderts, der den katholischen Glauben in das Denken und kulturelle Wirken seiner Zeit hineingesetzt hat". Guardini habe "im Gespräch mit den jungen Leuten die Liturgie wieder lebendig werden lassen".
"Führte die Jugend- und Liturgiebewegung zusammen"
Ähnlich sieht das auch Hans Maier, einer der Nachfolger Guardinis als Professor für Christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Romano Guardini hat sich als Theologe große Verdienste erworben, der die katholische Jugend- und Liturgiebewegung zusammenführte", so Maier, der von 1976 bis 1988 auch Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken war. Schließlich setzte sich Guardini nicht nur für die Weiterentwicklung der Liturgie ein, sondern prägte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch die katholische Jugendbewegung, die sich regelmäßig auf der Burg Rothenfels am Main traf. Guardini habe die Jugendbewegung und die liturgische Bewegung "in seiner Person zusammengebracht" und gegenseitig befruchtet, so Maier.
Nach dem Zweiten Weltkrieg habe Guardini dann "eine unwahrscheinliche Breitenwirkung" als Universitätsprediger und Professor entwickelt, sagt Florian Schuller. Er habe Vorlesungen gehalten, an die sich die Menschen heute noch erinnerten und Publikationen veröffentlicht, die sich mit dem Grundzusammenhängen menschlicher Existenz beschäftigen. "Die Welt anschauen wie sie ist und aus dem Wirken Christi heraus verstehen – das war seine Lebensaufgabe".
Eine, die sich aktiv für die Seligsprechung Guardinis einsetzt, ist Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz. Die emeritierte Dresdener Religionsphilosophin ist Vorsitzende des "Freundeskreises Mooshausen", der sich nach dem zeitweiligen Wohnort Guardinis benennt und sein Andenken pflegt. "Guardini ist für mich ein Kirchenvater des 20. Jahrhunderts, vergleichbar mit John Henry Newman im 19. Jahrhundert", erklärt sie. Guardini habe eine Theologie entwickelt, die "der Maßstab ist" – auch in der "unübersichtlichen Landschaft der Theologie" der Gegenwart.
"Er steht für die Freilegung der christlichen Existenz"
Guardini sei stark von der "Wahrheit der Offenbarung" ausgegangen. Das hätten viele als Befreiung empfunden: "Romano Guardini steht für die Freilegung der christlichen Existenz, die nicht für sich selbst steht, sondern auf Gott hin ausgerichtet ist. Das hat er meisterhaft herausgearbeitet".
Im Hinblick auf mögliche Kriterien für ein Seligsprechungsverfahren betont Gerl-Falkovitz, nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Mensch sei Guardini ein Vorbild. So habe er etwa über 13 Jahre habe er bis zu seinem Tod unter der äußerst schmerzhaften Krankheit "Trigeminusneuralgie" gelitten, die Schmerzen im Gesicht verursacht. "Er hat über diese Beschwerden wenig gesprochen, still gehalten und sie mit Geduld ertragen. Das hat etwas mit einer Haltung zu tun. Guardinis Verdienst ist also nicht nur das Ergebnis seines Intellekts", erklärt sie und fügt hinzu: Ein "sehr leiser und scheuer Mensch", sei er gewesen, dieser große Theologe.