Ein kleiner, aber großer Mann
Der kleine Mann mit der leisen Stimme war eine recht einzigartige Persönlichkeit der deutschsprachigen Theologie. Einen Schülerkreis im engeren Sinn brachte er nicht hervor. Theologen konnten bei ihm nicht promovieren, weil sein Romano-Guardini-Lehrstuhl in München, den er von 1976 bis 1986 innehatte, der Philosophischen Fakultät zugeordnet war. Dennoch erzielte er mit seinen mehr als 100 Büchern und nicht zuletzt als charismatischer Prediger und Vortragsredner eine Breitenwirkung wie wenig andere Vertreter seines Fachs.
Nach seiner Emeritierung 1986 dozierte er fächerübergreifend vor Pensionären über Gott und Philosophie, die in Scharen zu ihrem Idol strömten. Er selbst machte ihnen zugleich vor, wie man sich geistig und körperlich im Alter fit halten konnte. Das Foto vom über 80-jährigen Professor, der mit Sturzhelm und dem Motorroller durch das Münchner Verkehrsgetümmel zur Uni fuhr, wurde weithin gedruckt.
"Etwas Geistiges machen" - das wollte der aus einem badischen Dorf im Kaiserstuhl stammende Mann schon immer. Als junger Priester setzte er sich dann das Ziel, eine "neue Theologie" zu begründen. Glaube war für ihn in erster Linie eine existenzielle Erfahrung und nicht ein abstraktes System dogmatischer oder moralischer Lehrsätze. Biser warb für das Christentum als primär therapeutische Religion. Jesus galt ihm als "größter Revolutionär der Religionsgeschichte". Denn er habe das Angst- und Schreckenserregende aus dem Gottesbild der Menschheit getilgt und dafür das Antlitz des bedingungslos liebenden Vaters enthüllt.
Geprägt hat ihn der Zweite Weltkrieg. Als Theologiestudent im Fronteinsatz brachte er sich beim Russlandfeldzug durch eine unbedachte Bemerkung über Adolf Hitler in Schwierigkeiten. Ein Kriegsgericht verurteilte ihn zu einem Himmelfahrtskommado, das die meisten seiner Einheit nicht überlebten. Er selbst kehrte aus der Schlacht um Stalingard schwer verwundet heim, die Ärzte hatten ihn eigentlich schon aufgegeben.
Diese Erlebnisse machten Biser zum Pazifisten. "Das Christentum ist eine große dankbare Liebeserklärung Gottes an die Welt", lautete seine Überzeugung. Frieden müsse deshalb alternativlos gedacht werden, er sei mit ganzer Kraft herbeizuführen. In Konflikte mit der kirchlichen Obrigkeit geriet der Theologe nie. Angriff war seine Sache nicht. "Ich will von innen heraus die Mauern aufbrechen."
Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl ist ein Duz-Freund Bisers
Nicht nur seine Studenten schätzten Biser. Bei Festakten zu runden Geburtstagen gab sich regelmäßig die Prominenz ein Stelldichein. Dazu gehörte auch der frühere Bundeskanzler und Duz-Freund Helmut Kohl, der über ihn einmal sagte: "Ich habe dich immer bewundert, weil du dich als Priester verstanden hast, der für Menschen da ist und zuhören kannst". Auch der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) schätzte das Wort des Seelsorgers. Allerdings erwarte Biser manchmal sehr viel von den Politikern, wenn er etwa immer wieder den Vorrang der Person vor der Institution anmahne.
Seinem Werk und Wirken sieht sich die 2002 in München gegründete Eugen-Biser-Stiftung verpflichtet. Sie richtet ihren Blick aus christlichem Welt- und Werteverständnis auf alle Bereiche menschlicher Existenz mit dem Ziel, ein gelingendes Zusammenleben in der demokratischen Gesellschaft zu fördern. Einen Meilenstein legte sie 2013 mit der Herausgabe des "Lexikons des Dialogs". Erstmals erhielten damit christliche und islamische Wissenschaftler ein gemeinsames Nachschlagewerk mit mehr als 600 Stichworten. "Dialog aus christlichem Urteil" lautet das Motto der Stiftung, der sie sich auch weiter verpflichtet sieht.