EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider würdigt Fortschritte in der Ökumene

"Ein mittleres Wunder"

Veröffentlicht am 11.12.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Ökumene

Bonn ‐ Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, hat die Fortschritte in der Ökumene gewürdigt. In den vergangenen Jahrzehnten habe es im Verhältnis von katholischer und evangelischer Kirche "Riesenschritte" gegeben, sagte Schneider am Montag im Video-Interview mit katholisch.de. "Wenn man sich klar macht, was wir uns in den vergangenen 50 Jahren an Gemeinsamkeit erarbeitet haben und mittlerweile leben, das ist ein mittleres Wunder", so Schneider.

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Der Ratsvorsitzende lobte in diesem Zusammenhang vor allem die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Dort habe die katholische Kirche "ganz viele reformatorische Forderungen" eingelöst. Dadurch werde im gegenseitigen Verhältnis der beiden Kirchen "jetzt vieles möglich".

Als schwierigste Hürden auf dem weiteren Weg der Ökumene bezeichnete Schneider das katholische Amtsverständnis und hier insbesondere die Bedeutung des Papstamtes. Mit Blick auf das Erste Vatikanische Konzil, auf dem die katholische Kirche 1870 die Vorrangstellung des Papstes zum Dogma erklärt hatte, sagte Schneider: "Ich sehe nicht, dass wir als Kirchen der Reformation uns diesen Beschlüssen unterwerfen müssten. Das wird nicht passieren." Stattdessen müssten die Beschlüsse des Konzils gemeinsam neu interpretiert werden.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, trifft Papst Benedikt XVI. am 23. September 2011 in Erfurt. Die beiden umarmen sich herzlich.
Bild: ©dpa/Norbert Neetz

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, trifft Papst Benedikt XVI. am 23. September 2011 in Erfurt.

Positive Bewertung des Papstbesuchs

Positiv bewertete Schneider den Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI. im September 2011. Insbesondere das Treffen des Papstes mit Vertretern der EKD im Erfurter Augustinerkloster, einer ehemaligen Wirkungsstätte des Reformators Martin Luther, sei "ein starkes Zeichen" gewesen. Der Papst habe sich dort sehr wertschätzend über Luther geäußert und seine evangelischen Gesprächspartner "auf Augenhöhe angesprochen", betonte Schneider.

Mit Blick auf das Reformationsjubiläum im Jahr 2017 zeigte sich Schneider offen für einen gemeinsamen Bußgottesdienst von Katholiken und Protestanten. Dieser Vorschlag von Kurienkardinal Kurt Koch sei "interessant", so der Ratsvorsitzende, der auch Verständnis für die Schwierigkeiten der Katholiken mit dem Jubiläum zeigte. Schneider rief jedoch dazu auf, die gemeinsamen Chancen zu sehen: "Die Reformation war der Versuch, die Kirche zu einer Umkehr zu Christus zu bewegen. Und das können wir doch eigentlich feiern!"

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Video: © Sarah Schortemeyer

Präses Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche Deutschlands, über die Ökumene, die Diskrepanzen in der Biomedizin und das Reformationsjubiläum.

Große Gemeinsamkeit in bioethischen Fragen

Als wenig dramatisch bewertete Schneider die unterschiedlichen Auffassungen beider Kirchen in sozial- und bioethischen Fragen wie der Präimplantationsdiagnostik. "Wir sind immer noch in all diesen Fragen zu mindestens 95 Prozent beieinander", sagte der Präses. Zuletzt hatte es mit Blick auf Äußerungen Schneiders zur seelsorgerischen Begleitung von selbstmordgefährdeten Menschen Differenzen zwischen beiden Kirchen gegeben. Schneider hatte Anfang November gesagt, er würde im Extremfall auch Schwerkranke seelsorgerlich begleiten, die sich zum Suizid entschieden haben. Diese Äußerungen hatte der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen als "schwere Belastung für die Ökumene" bezeichnet.

Schneider stellte selbstkritisch fest, er selbst habe sich in dieser Frage "vielleicht etwas missverständlich" ausgedrückt. Er bleibe allerdings dabei, dass die Kirchen auch gegenüber denjenigen Menschen eine seelsorgerische Verantwortung hätten, "die Wege beschreiten, die wir ethisch nicht für richtig halten". Diese Menschen wolle er nicht allein lassen und er könne sich nicht vorstellen, dass ein katholischer Priester nicht auch diese seelsorgerische Verantwortung spüre, sagte der EKD-Ratsvorsitzende.

Von Steffen Zimmermann