"Ein Paradigmenwechsel"

Veröffentlicht am 07.05.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Recht

Bonn ‐ Es wurde lange spekuliert, nun ist es Realität geworden: Die deutschen Bischöfe haben das kirchliche Arbeitsrecht gelockert. Die Reaktionen der kirchlichen Verbände sind positiv.

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Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück appellierte in Bonn an alle 27 katholischen Bischöfe, die Reform jetzt rechtsverbindlich in ihren Diözesen umzusetzen. Es gehe um Verfahrenssicherheit für alle Beteiligten.

Bild: ©picture alliance / dpa

ZdK-Präsident Alois Glück appellierte an alle 27 katholischen Bischöfe, die Reform rechtsverbindlich in ihren Diözesen umzusetzen.

Alois Glück: Neue Regeln werden der Situation der Menschen gerecht

"Ein Kündigungsautomatismus darf damit zukünftig als ausgeschlossen gelten", sagte Glück mit Blick auf den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und Kirchenangestellten, die in Lebenspartnerschaften leben. Dass künftig jeder Loyalitätsverstoß individuell geprüft werden müsse, "bedeutet einen substanziellen Paradigmenwechsel in der Anwendung kirchlichen Rechts", so der ZdK-Präsident.

Er bewertete es zudem als positiv, dass die Bischöfe das Arbeitsrecht im Hinblick auf die unterschiedlichen Berufsgruppen und Aufgabenstellungen in der Kirche differenzierten. "Die neue Regelung öffnet den Weg für Entscheidungen, die der Situation der Menschen gerecht werden." Der oberste katholische Laienvertreter zeigte sich überzeugt, dass dieser Wandel ohne den 2010 gestarteten Dialogprozess der katholischen Kirche nicht möglich gewesen wäre.

Neher: Wir brauchen einen erweiterten Loyalitätsbegriff

Auch der deutsche Caritasverband begrüßt die von den katholischen Bischöfen vorgelegte Reform des kirchlichen Arbeitsrechts. Caritas-Präsident Peter Neher schlug zugleich vor, weiter über die Loyalitätspflichten der Mitarbeiter von Kirche und Caritas nachzudenken. "Wir brauchen ein erweitertes Verständnis des Loyalitätsbegriffs, der Loyalität nicht nur an der Lebensführung des einzelnen Mitarbeiters festmacht", erklärte Neher. Stattdessen müsse es auch darum gehen, dass sich die Mitarbeiter klar zum Auftrag der jeweiligen Arbeitsstelle in der Sendung der Kirche bekennen und diesen unterstützen.

Neher begrüßte, dass sich die Bischöfe intensiv mit der Lebenswirklichkeit der Kirchenmitarbeiter auseinander gesetzt hätten. "Auch das Scheitern gehört zum Leben. Und hier muss sich in besonderer Weise zeigen, wie die katholische Kirche den Menschen beisteht, die mit Brüchen in der eigenen Biografie leben." Dies müsse auch im Arbeitsrecht der Kirche deutlich werden.

Der katholische Sozialethiker Gerhard Kruip hält die jetzt beschlossenen Änderungen für einen "wirklichen Fortschritt". Vor allem im Sozialbereich sei die Lockerung "eine große Erleichterung", sagte Kruip dem Internetportal "kirchensite.de". Denn für sehr viele kirchliche Einrichtungen sei es zunehmend schwierig, Mitarbeiter zu finden, die bereit seien, sich den strengen und "auch unter Katholiken zunehmend umstrittenen" kirchlichen Loyalitäts-Bestimmungen zu unterwerfen.

Der kirchenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, sprach von einem Schritt nach vorn, kritisierte aber fehlende Rechtssicherheit. Nach seiner Einschätzung bleibt beim kirchlichen Arbeitsrecht weiterhin der Gesetzgeber gefragt. "Außerhalb der Verkündigung sind persönliche Loyalitätspflichten, die über den kirchlichen Tendenzschutz hinausgehen, unverhältnismäßig", erklärte Beck.

Rund 700.000 Mitarbeiter betroffen

Das nun veränderte Arbeitsrecht betrifft die rund 700.000 Mitarbeiter der katholischen Kirche und der Caritas in Deutschland. Neben dem Umgang mit Wiederverheirateten und Menschen in eingetragenen Lebenspartnerschaft wird außerdem festgelegt, wie die Gewerkschaften künftig bei den Verhandlungen über kirchliche Arbeitsvertragsbedingungen beteiligt werden.

Die entsprechend reformierte Fassung der kirchlichen Grundordnung hat allerdings nur empfehlenden Charakter. Eine rechtswirksame Änderung des Gesetzes erst tritt ein, sobald der jeweilige Bischof die Neuerungen in seinem Bistum in Kraft setzt. Sollte dies in einem Bistum nicht geschehen, gilt dort die bisherige Rechtslage.

In der vergangenen Woche hatte die Deutsche Bischofskonferenz mitgeteilt, dass "mehr als zwei Drittel der 27 Diözesanbischöfe" der Reform der Grundordnung zugestimmt hätten. (gho/luk/KNA)

Aktualisiert um 19:15 Uhr um die Aussagen von Kruip und Beck.