Ein Romkritiker nähert sich dem Papst an
Lange Zeit galt das Griechisch-Orthodoxe Patriarchat von Jerusalem im Vatikan als ein besonders schwieriger Gesprächspartner im ökumenischen Dialog. Die Kirche, die sich als die erste und eigentliche christliche Gemeinde in der Heiligen Stadt versteht, klinkte sich in den 1980er Jahren aus dem offiziellen Dialog mit der katholischen Kirche aus. Hauptgrund war der Vorwurf, Rom würde gezielt Gläubige abwerben. Über Jahrzehnte war der Kontakt zwischen den Kirchen ausgerechnet in Jerusalem schwieriger als an den meisten anderen Orten. Aber das hat sich nun offensichtlich geändert: Am Montag stattete mit Theophilos III. zum ersten Mal ein griechisch-orthodoxer Patriarch von Jerusalem dem Papst und dem Vatikan einen offiziellen Besuch ab.
Zwar war das seit 2005 amtierende orthodoxe Kirchenoberhaupt schon vor drei Jahren im Vatikan. Damals wurde er vom Papst jedoch nicht zu einer Privataudienz empfangen. Theophilos III. war damals Mitglied einer Delegation zu einem Friedensgebet für den Nahen Osten – zusammen mit dem israelischen und palästinensischen Präsident Schimon Perez und Mahmud Abbas sowie Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel.
Diesmal kam der Patriarch ohne äußeren Anlass zu einem brüderlichen Besuch zum Papst – so wie viele andere orthodoxe Patriarchen vor ihm. Dies sei ein starkes Zeichen, dass sich die Beziehungen zwischen den Kirchen tatsächlich verbessert haben und dass sich die orthodoxe Kirche von Jerusalem stärker geöffnet habe, heißt es aus dem Vatikan.
Linktipp: Steht der Papst der Einheit im Weg?
In sehr vielen Glaubensfragen sind sich Katholiken und Orthodoxe einig. Doch an einem Punkt kommen sie nicht zusammen: beim Papst. Der ist wohl das größte Hindernis in der Ökumene - bislang zumindest. (Artikel von September 2017)Zu dieser Öffnung trugen auch die Reise von Papst Franziskus ins Heilige Land, sein Besuch in der Grabeskirche – dem Patriarchalsitz von Theophilos – und die Teilnahme am dortigen Kirchengipfel vor drei Jahren bei. Einen Anteil hatte aber auch die Einigung von Orthodoxen, Armeniern und Lateinern über längst fällige Renovierungsarbeiten in der Grabeskirche. Gerade die Griechen hatten sich seit Jahrzehnten gegen Änderungen in dem baufälligen Gotteshaus gesperrt. Der erfolgreiche Abschluss an der seit 70 Jahren von Eisenträger gestützten Grab-Rotunde in diesem Frühjahr wurde zu einem besonderen Fest der Ökumene. Eine ähnliche Vereinbarung gibt es auch für die renovierungsbedürftige Geburtskirche in Bethlehem. Diese Fortschritte lobte am Montag auch der Papst, während er sich zugleich diplomatisch dafür aussprach, den Status Quo der Besitzverhältnisse zu "verteidigen und bewahren".
Ein Grund für die neue Offenheit der ältesten Kirche Jerusalems dürfte auch im äußeren Druck liegen, dem die Christen im Heiligen Land aufgrund der politischen und sozialen Lage insgesamt ausgesetzt sind. Offensichtlich hat sich nun auch hier der Eindruck durchgesetzt, dass in einer solchen Situation Geschlossenheit und gemeinsames Vorgehen erforderlich sind und jede Aufsplitterung dagegen schadet.
Der Patriarch erhält Kritik aus der eigenen Kirche
Unterdessen ist Theophilos III. neuerdings auch in seiner eigenen Kirche unter Druck geraten. Ihm wird der illegale Verkauf von Kirchen-Immobilien durch korrupte Verwalter des Patriarchats in der Jerusalem Altstadt an israelische Siedlervereinigungen angelastet. Sein Vorgänger Irenaios war vor 12 Jahren über eine ähnliche Affäre gestolpert und wurde für abgesetzt erklärt. Im September bekam Theophilos jetzt jedoch Unterstützung der übrigen Kirchenführer im Heiligen Land, die sich gegen einen Ausverkauf von Christen-Eigentum aussprachen.
Papst Franziskus bekräftigte bei der Begegnung mit dem Patriarchen von Jerusalem am Montag den festen Wunsch nach Einheit unter den Christen. Er bekundete den Christen in Jerusalem und im Heiligen Land, die seit Jahrzehnten unter dem politischen Konflikt der Region leiden, seine tiefe Verbundenheit und Solidarität, und forderte einen dauerhaften und gerechten Frieden. Dabei müsse auch jede Gewalt und Diskriminierung von jüdischen, christlichen und muslimischen Personen und Kultstätten vermieden werden.
Nach der Papstaudienz sprach der orthodoxe Patriarch auch mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und Außenminister Paul Gallagher. Insbesondere führte er Unterredungen mit dem für Ökumene zuständigen Kurienkardinal Kurt Koch. Als besonderes Zeichen der Öffnung wertet man es in Rom überdies, dass Vertreter des Jerusalemer Patriarchats neuerdings wieder an den Sitzungen der gemischten katholisch-orthodoxen Dialogkommission teilnehmen.