"Ein Tropfen auf dem heißen Stein"
Peter Verhaeghe von der EU-Vertretung der Caritas kennt lediglich vereinzelt Fälle, die sich mit dem deutschen System vergleichen ließen. "Es gibt einige Caritas-Stellen, die Migranten Unterkünfte zur Verfügung stellen, etwa in Belgien und Österreich. Ein Schutz vor Ausweisung ist das jedoch nicht", so Verhaeghe. Lokale Caritas-Organisationen unterstützten Pfarrgemeinden dabei, Menschen in Kirchenasyl mit Kleidung und Nahrungsmitteln zu versorgen. In fast allen Ländern Europas helfe die Caritas aber "Menschen mit irregulärem Aufenthaltsstatus".
Verwandte Formen von Kirchenasyl gebe es, so erläutert Verhaeghe, wenn Probleme bei der Aufnahme von Asylsuchenden entstehen oder es nicht ausreichend Unterkünfte gibt. "Wir wissen von Fällen, da mussten Menschen mehr als zwei Jahre lang auf eine Entscheidung zu ihrem Asylverfahren warten und wurden dann doch zurückgeschickt." In solchen Fällen sei Kirchenasyl eine Möglichkeit, Anträge nochmals prüfen zu lassen und die Behörden zu überzeugen, Menschen aus humanitären Gründen nicht abzuweisen.
Vereinzelte Kirchenasyl-Fälle in Nordeuropa
Eine Sprecherin von Sant'Egidio in Belgien bestätigt, dass die katholische Gemeinschaft zweimal, 1999 und 2006, in Antwerpen Kirchenasyl genutzt habe. Zusätzlich habe sie sich in Belgien zwischen 2000 und 2009 für Zehntausende sogenannte "Sans Papiers" (Menschen ohne Aufenthaltsberechtigung) eingesetzt. Einen direkten Vergleich zum Kirchenasyl in Deutschland könne man jedoch nicht ziehen.
In der Hafenstadt Calais an der Nordküste Frankreichs hilft die Organisation "La Vie Active" ankommenden Flüchtlingen. Eine warme Mahlzeit, eine Dusche - so sieht die Unterstützung aus. Bald sollen auch Übernachtungsmöglichkeiten für rund 500 Menschen hinzukommen, berichtet der Leiter des Camps, Stephane Duval. Die Menschen in Calais warten auf eine günstige Gelegenheit, um weiter nach Großbritannien zu gelangen. Die französische Regierung duldet die Arbeit der Hilfsorganisation bislang.
Die Migrantenkommission der Konferenz Europäischer Kirchen (CCME) weiß von vereinzelten Kirchenasyl-Fällen in evangelischen Kirchen in Schweden und Finnland. Genaue Zahlen, wo und wie viele Flüchtlinge Kirchenasyl erhalten haben, gebe es jedoch nicht, so Generalsekretärin Doris Peschke. "Dafür gibt es in den Ländern keine Strukturen. Kirchengemeinden organisieren die Hilfe für die Flüchtlinge in Eigenregie." Hin und wieder werde in den Medien von einzelnen Fällen berichtet. Das Thema werde jedoch "nicht so heftig diskutiert" wie in Deutschland.
In Italien engagieren sich sowohl die katholische wie auch die evangelische Kirche, um Flüchtlingen zu helfen. "Aber auch das ist kein Kirchenasyl, das mit dem in Deutschland vergleichbar wäre", so Peschke. So habe die protestantische Kirche in Sizilien etwa eine Aufnahmestation für Frauen und Kinder eingerichtet und helfe mit sozialer und rechtlicher Beratung.
EU-Mitgliedsstaaten müssten gemeinsam Verantwortung übernehmen
In Griechenland bieten Kirchenvertreter Flüchtlingen, die aus der Haft entlassen werden, eine erste Anlaufstelle. "Hier helfen alle gemeinsam, Orthodoxe, die Caritas und auch die evangelische Kirche", berichtet Peschke. Die Versorgung mit grundlegenden Nahrungsmitteln sei die wichtigste Aufgabe. Seit Beginn der Wirtschaftskrise nähmen auch immer mehr obdachlose Griechen diese Hilfe in Anspruch.
"Kirchenasyl ist immer nur ein Tropfen auf dem heißen Stein", sagt die CCME-Generalsekretärin. Daher sei es wichtig, dass die EU-Mitgliedstaaten endlich gemeinsam Verantwortung übernähmen. Ein erster Schritt wäre, so Peschke, wenn Behörden besser über die Dublin-Verordnungen informiert seien, etwa das Recht auf Familienzusammenführung. "Dann braucht es auch nicht so viele Härtefälle im Kirchenasyl."
Von Kerstin Bücker (KNA)