Entscheidungshilfe für den Erzbischof
Vor ihrer Positionierung hatte die höchste Laienvertretung von mehr als 400.000 Katholiken in Berlin, Brandenburg und Vorpommern öffentlich Pro und Contra abgewogen. Befürworter und Gegner brachten ihre Argumente engagiert, bis auf wenige Ausnahmen jedoch nicht polemisch auf den Punkt. Das war in den vergangenen Monaten nicht immer so.
Bodenöffnung als Streitpunkt
Auf scharfe Kritik, vor allem bei Katholiken aus dem früheren Ost-Teil des Erzbistums, stößt das Konzept, die Bodenöffnung im Zentrum der Kathedrale mit Treppe zur Unterkirche zu schließen. Die heutige Raumfassung schuf der Düsseldorfer Architekt Hans Schwippert (1899-1973) beim Wiederaufbau der kriegszerstörten Kathedrale im Osten Berlins. Die architektonische Besonderheit symbolisiert die enge Verbindung der Gottesdienstgemeinde mit ihren verstorbenen Bischöfen und Hitler-Gegnern wie dem seliggesprochenen Dompropst Bernhard Lichtenberg (1875-1943).
Der vorliegende Umbauentwurf, der bei einem Architektenwettbewerb 2014 siegte, sieht dagegen vor, anstelle der Bodenöffnung den Altar ins Zentrum der Rundkirche zu setzen. Dafür warb vor dem Katholikenrat der Künstler Leo Zogmayer, der diese Konzeption maßgeblich entwarf. Sie schaffe die besten Voraussetzungen dafür, dass die Berliner Bischofskirche zur "wegweisenden Kathedrale Deutschlands" werde. Auch der Architekt Peter Sichau, der ebenfalls für den Umbauplan steht, sieht damit das "antike Raumkonzept" der Kuppelkirche nach Vorbild des römischen Pantheons am besten wieder hergestellt.
Historische Argumente führte auch Berlins Landeskonservator Jörg Haspel ins Feld, allerdings in entgegengesetzter Absicht. Der Umbau wäre eine "Eliminierung und Einebnung einer einmaligen Raumschöpfung", wandte der Denkmalpfleger ein. In Zeiten des Mauerbaus sei sie ein Gemeinschaftswerk von Baukünstlern Ost und West gewesen "wie kein anderes". Haspel berief sich auf die im Einigungsvertrag von 1990 vereinbarte Erhaltung des historischen Bauerbes. "Es ist paradox, wenn nun in Frage gestellt wird, was als Zeichen der Unbeugsamkeit gegen ein Unrechtssystem gilt", warnte Haspel. Er schloss sich dem Forderung der Umbaugegner an, es bei einer Sanierung des Gotteshauses zu belassen.
Bei der Aussprache bestätigte sich indes Zogmayers Einwand, der geschichtliche Rang der Schwippert-Architektur spiele für die nachfolgenden Generationen eine schwindende Rolle. Mehr als nach historischen Argumenten fragten die Laienvertreter nach den Kosten und mahnten zu einem verlässlichen Finanzierungskonzept. Der Finanzdezernent des Erzbistums, Bernd Jünemann, bezifferte die erforderlichen Mittel eines Umbaus auf 43 Millionen Euro, die Kosten einer bloßen Sanierung auf 16,8 Millionen Euro.
Bei Erzbischof Koch, der an Debatte und Abstimmung als Gast teilgenommen hatte, stießen die Warnungen vor "Limburg" auf offene Ohren. Ratsmitglieder spielten damit auf den Skandal beim Bau des Bischofshauses an der Lahn an, der zum Rücktritt von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst führte. Koch versicherte, "die letzte Unterschrift" unter die Bauverträge werde er erst leisten, "wenn das Finanzielle gesichert ist". Er rechnet mit dem Bund, dem Land Berlin, den anderen deutschen Bistümern und weiteren Sponsoren.
Liturgiewissenschafter rät zu "Experimentierphase"
Vor seiner Entscheidung will der Erzbischof noch die Voten anderer Spitzengremien des Erzbistums einholen. Zugleich mahnte er, sich auch dann für das Projekt zu engagieren, wenn das Ergebnis nicht den eigenen Vorstellungen entspricht. Einen Weg des Kompromisses empfahl der Bonner Liturgiewissenschafter Albert Gerhards. Ungeachtet der abschließenden bischöflichen Weichenstellung rät zu einer eingehenden "Experimentierphase" etwa mit Altar und Sitzen. Kontrovers wird "Sankt Hedwig" aller Voraussicht nach weiter bleiben.