"Er sagt, was ihm einfällt"
Frage: Herr Kitzler, Papst Franziskus war während seiner Amtszeit schon das zweite Mal in Asien. Dabei sind dort nur drei Prozent der Einwohner katholisch. Was bedeutet das?
Jan-Christoph Kitzler: Asien ist ein Schwerpunkt für den Papst. Wenn man sich die vergangene Reise anschaut, muss man aber beachten, dass der Papst zwei völlig unterschiedliche Länder besucht hat. In Sri Lanka ist die katholische Kirche eindeutig in der Minderheit; nur etwas über sechs Prozent der Menschen dort sind katholisch. Auf den Philippinen war die Situation ganz anders, dort hatte der Papst sozusagen ein Heimspiel. Die Inselgruppe stellt mit 60 Prozent den Großteil der Katholiken in Asien, 80 Prozent der Menschen auf den Philippinen sind katholisch. Für den Papst ist die philippinische Kirche besonders bedeutsam, weil sie Missionskirche für die ganze Weltkirche sein kann. Die Region ist für den Papst ein Vorbild für gelebten Katholizismus und soll das auch in die Welt tragen.
Frage: Wie haben Sie die Kirche in Asien erlebt?
Kitzler: Die Situation auf Sri Lanka war sehr besonders. Es war spannend, dass der Papst kurz nach der Präsidentenwahl zu Besuch gekommen ist und die Botschaft von Versöhnung im Gepäck hatte. Von 1983 bis 2009 herrschte in Sri Lanka Bürgerkrieg zwischen Tamilen und Singhalesen. Die Botschaft des Papstes war Rückenwind für die katholische Kirche im Land und den neuen Präsidenten, die die Versöhnung voranbringen möchten.
Auf den Philippinen war die Situation eine ganz andere: Vor allem bei jungen Menschen gibt es eine große Begeisterung für den Papst und die katholische Kirche. Er wurde empfangen wie ein Popstar. Dem Papst ging es bei seinem Besuch darum, den Menschen nahe zu sein. Das ist dort sehr gut angekommen. Die philippinische Kirche ist eine sehr lebendige Kirche. Mich hat vor allem die Gläubigkeit der Menschen in Tacloban , dem vom Taifun Haiyan zerstörten Gebiet, beeindruckt.
Frage: Stichwort Europa: Der Papst spricht oft davon, an die Ränder zu gehen. Diese Haltung spiegelt sich auch in seinen Personalentscheidungen wider, in denen die Weltkirche immer mehr Gewicht bekommt. Muss Europa um seinen Einfluss Angst haben?
Kitzler: Klar ist, dass sich die Gewichte verschieben. Zunächst ging die Tendenz weg von Italien, beispielsweise im Kardinalskollegium, in dem die Italiener schon seit den 70er Jahren keine Mehrheit mehr haben. Mit den neuen Personalentscheidungen wird die Kirche nun noch globaler. Das wird Auswirkungen haben, auch mit Blick auf die Wahl zukünftiger Päpste und die Lehre der Kirche. Das hat man bereits bei der Bischofssynode im Herbst gesehen, bei der die afrikanischen Bischöfe die Situation ihrer Ortskirchen eingebracht haben, mit der die europäischen Bischöfe oft nicht viel anfangen konnten. Die größte Herausforderung besteht darin, das veränderte Verhältnis in einer stärker globalisierten Kirche zusammenzubringen. Der Wunsch des Papstes, mehr an die Ränder zu gehen, schlägt sich auch in den Strukturen nieder. Das ist für den Apparat eine Herausforderung.
Frage: Mit Blick auf die lebendige Kirche in Asien: Kann Europa von ihr lernen?
Kitzler: Dafür ist die Lage in Europa selbst erst einmal zu heterogen. Auch hier gibt es eine lebendige kirchliche Jugend, zum Beispiel in Polen. Dann gibt es aber auch Länder mit großen Schwierigkeiten, wie beispielsweise in Westeuropa, wo die Begeisterung von jungen Leuten für die Kirche weniger groß ist. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, die Begeisterung, die der Papst auf den Philippinen erfahren hat, auf Europa zu übertragen. Aber der Papst hat klar gesagt, dass die Philippiner als Missionare in die Welt gehen sollen. Das kann auch bedeuten, dass sich Europa von den Peripherien her missionieren lassen muss, um neu zum Evangelium zu finden.
Frage: Auf dem Rückflug von Manila nach Rom hat der Papst wieder eine fliegende Pressekonferenz abgehalten. Wie ist bei diesen Pressekonferenzen die Atmosphäre im Flugzeug?
Kitzler: Da, wo wir Journalisten sitzen, ist es zunächst einmal sehr eng. Neben einem sitzt dann vielleicht noch ein Kameramann mit Stativ und großer Kamera - richtig komfortabel ist es also nicht. Aber die Aufregung ist natürlich groß. Mittlerweile ist es Praxis geworden, dass sich die Journalisten nach Sprachgruppen aufteilen, damit alle einmal zu Wort kommen. Dann werden Fragen abgestimmt und jeweils ein Vertreter der Gruppe darf nach vorne gehen, um dem Papst eine Frage zu stellen. Das Tolle bei diesen Pressekonferenzen ist, dass der Papst frei antwortet. Da kommt es dann auch manchmal zu Äußerungen, die für entsprechenden Wirbel sorgen.
Frage: Sie durften dieses Mal auch eine Frage stellen. Waren Sie aufgeregt?
Kitzler: Es ist schon etwas Besonderes, wenn man dem Papst eine Frage stellen darf, auch wenn ich sie natürlich im Namen der Kollegen stelle. Aber dieser Papst ist so nett und auf Menschen zugehend, dass er einem jede Scheu nimmt, wenn man da nach vorne geht. Man merkt, dass er zuhört, die Frage ernst nimmt und eine Antwort geben möchte.
„Dieser Papst ist so nett und auf Menschen zugehend, dass er einem jede Scheu nimmt.“
Frage: Wie war denn die Reaktion der Journalisten auf die Aussage des Papstes, jemand, der seine Mutter beleidige, bekomme "eins mit der Faust"?
Kitzler: Bei der Antwort haben wir eher gelacht, weil sie auch in einem scherzhaften Ton gesagt wurde. Die Stimmung bei diesen Pressekonferenzen ist heiter. Wir bewundern es, wie offen der Papst dort redet. Auf der anderen Seite geht es schon darum, die Substanz der Aussagen herauszubekommen. Das ist nicht immer ganz einfach, weil der Papst das sagt, was ihm einfällt. Man muss aufpassen, es aber so darzustellen, wie er es wirklich gemeint hat.
Frage: Auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat solche Pressekonferenzen gegeben. Allerdings war das Medienecho darauf verhaltener. Woran liegt das?
Kitzler: Unter Papst Benedikt gab es eine ganz andere Praxis. Es wurden vorher drei Fragen ausgewählt, auf die der Papst geantwortet hat. Das waren zwar keine bequemen Fragen, es wurde also nicht zensiert. Da der Papst aber vorbereitet war, waren seine Antworten auch weniger spontan, und sehr überlegt. Das ist bei Franziskus jetzt anders. Man merkt aber auch, dass Vertreter des Vatikans ganz schön ins Schwitzen geraten, wenn Franziskus erst einmal anfängt, weil sie auch nicht wissen, was er antworten wird.
Frage: Hat sich das Verhältnis in der Kommunikation zwischen Vatikan und Öffentlichkeit verändert?
Kitzler: Die fliegenden Pressekonferenzen sind ein Element der Öffentlichkeitsarbeit des Vatikans. Da muss man natürlich sagen, dass der Kreis der Journalisten bei diesen Konferenzen eher klein ist. Auf der anderen Seite gibt es ja noch das Alltagsgeschäft der vatikanischen Öffentlichkeitsarbeit. Da hat sich bisher noch nicht sehr viel getan, auch wenn bei Großveranstaltungen wie einem Konklave oder einer Heiligsprechung beispielsweise das Personal verstärkt wurde und Konferenzen in mehreren Sprachen abgehalten werden. Auf der anderen Seite ist die Medienarbeit des Vatikans in einem Reformprozess. Eine Kommission unter Leitung von Lord Christopher Patten untersucht diese Arbeit gerade und schaut, wie man sie verbessern kann.
Frage: Wo gibt es denn noch Schwierigkeiten?
Kitzler: Das fängt bei recht banalen Dingen an: So ist die vatikanische Pressestelle oft nur bis zum frühen Nachmittag besetzt. Das macht es gerade für Journalisten, die beispielsweise aus Asien anrufen, schwierig, überhaupt jemanden zu erreichen. Außerdem ist es manchmal schwierig, den richtigen Ansprechpartner zu finden. Oft muss man über persönliche Kontakte versuchen, Gesprächspartner zu finden. Das würde auch die Berichterstattung von Kollegen verbessern, von denen man weiß, dass sie nicht so sehr im Thema stecken und die mit ihren Fragen dann oft alleine dastehen.
Das Interview führte Sophia Michalzik