"Er war bescheiden"
Schmidt erinnert sich noch sehr gut an den damals 48 Jahre alten Gast aus Argentinien. "Er war sehr bescheiden, sehr normal", sagt sie. "Er hat wohl nie angenommen, dass er mal Papst wird." In den zwei Monaten seines Aufenthalts hätten sie mit ihm über Gott und die Welt geredet. "Sonst wäre es auch nie ein so nettes Verhältnis geworden." Bergoglio habe in ihre Hausgemeinschaft gepasst. "Er war einfach und schlicht - so wie es bei uns zugeht."
Dort, wo Franziskus einst mit den Schmidts speiste und wohnte, herrscht auch heute noch eine bürgerliche Gemütlichkeit. Dicke Teppiche auf Parkett, auf einem Fensterbrett ein paar Pflanzen, ein Hund und zwei Tauben aus Porzellan, daneben eine Standuhr. Das Haus, das sich die Schmidts gebaut haben, liegt etwas oberhalb des Bopparder Zentrums in der engen Peter-Josef-Kreuzberg-Straße, benannt nach einem Heimatforscher - ein scharfer Kontrast zum Prunk des Petersdomes.
Stattlicher Stapel an Luftpost-Umschlägen
Von der Übertragung der Amtseinführung von Papst Franziskus im fernen Rom vor wenigen Tagen hat Helma Schmidt keine Sekunde verpasst. Während sie das erzählt, holt sie einen Stoß an Briefen hervor. Jahrelang schrieben sich die Schmidts und Bergoglio an Ostern, Weihnachten und manchmal auch zwischendurch. Zusammengekommen ist ein stattlicher Stapel an Luftpost-Umschlägen. "Via Aerea" (spanisch: Luftpost) steht darauf geschrieben, der Absender namens Bergoglio wird als "Arzobispo" - Erzbischof - ausgewiesen.
Die Briefe sind feinsäuberlich mit Tinte geschrieben, auf Deutsch. "Das hat er immer so gemacht", berichtet Schmidt. Bergoglio schrieb etwa, dass er für die Schmidts bete. 1992 informierte er das Paar, dass er Weihbischof von Buenos Aires geworden war. In einem Brief von 2007 betonte er, dass er sich oft an seine Tage in Boppard erinnere. "Er ging immer betend durch unseren Garten", sagt Schmidt. Außerdem habe der heutige Papst ihrem Mann häufig beim Klavierspielen zugehört. "Er hat selten alleine in seinem Zimmer gesessen."
Schmidt und ihr zehn Jahre jüngerer Mann wollen den Briefwechsel nun wieder aufnehmen. "Ich habe seine Adresse bekommen", sagt sie. Schriftlich will sie ihm zur Papstwahl gratulieren. Der argentinische Gast von damals war halt etwas ganz Besonderes - auch wenn die Schmidts über die Jahre viele ausländische Schüler des Goethe-Instituts beherbergten. Ein zukünftiger Papst war eben nur einmal darunter. "Wir sind sehr stolz", sagt Helma Schmidt.
Von Christian Schultz (dpa)