"Es gibt Parallelen zwischen Krimis und dem Christentum"
Es ist bereits sein zweiter literarischer Mord im Kirchenmilieu: Georg Langenhorsts erstes Opfer war vor einem Jahr der Dekan einer katholisch-theologischen Fakultät. Dass der 55-Jährige ausgerechnet über die Welt von Kreuz und Klerus schreibt, hat seinen Grund: Langenhorst lehrt an der Uni Augsburg katholische Religionspädagogik. Im Interview erzählt er, was er mit seinen Werken bezweckt und wieso anfangs nicht alle Kollegen begeistert von seinem Schaffen waren.
Frage: Herr Langenhorst, erst musste ein Dekan dran glauben, nun ein Regens - irgendwann auch der Papst?
Langenhorst: Nein, ab der Bischofsebene ist Schluss. Denn von da an wird die Auswahl an realen Personen, mit denen meine Figuren Ähnlichkeit haben könnten, immer geringer. Das hemmt das freie Spiel des Schreibens. Um das zu vermeiden, habe ich die konkreten Schauplätze und Handlungen meiner Krimis frei erfunden.
Frage: Das Kirchenmilieu, das Sie beschreiben, existiert aber sehr wohl.
Langenhorst: Das stimmt, und dass ich das thematisiere, hat ja auch seinen Zweck. Zwar sollen meine Krimis als Erstes natürlich unterhalten. Aber sie sollen durchaus auch der Kirche nach innen eine Art Spiegel bereitstellen und dieser Öffentlichkeit bescheren.
Frage: Was für selbige nicht nur Werbung bedeutet - heikle Themen wie Missbrauchsskandale und die Rolle der Frau sparen Sie nicht aus.
Langenhorst: Würde ich die Kirche nur über den grünen Klee loben oder nur auf sie einhauen, hätte die Geschichte keinerlei Glaubwürdigkeit. Denn Kirche ist wie jede andere Lebenswelt ambivalent und hat auch ihre Schattenseiten.
Frage: Ihre Krimi-Figuren kritisieren teils deutlich, dass Frauen keine Priester werden können oder dass immer mehr Pfarreien zu riesigen Verbünden zusammengelegt werden. Inwiefern spricht da der Autor selbst?
Langenhorst: Es gibt aber auch gegenteilige Aussagen. Das ist ja das Schöne am Roman: Positionen bleiben immer Figurenperspektive. Über die möglichen Positionen des Autors dürfen meine Leser gerne spekulieren.
Frage: Was bei Ihren Figuren zudem auffällt, ist, dass sie Kirchenbegriffe wie Regens, Spiritual oder Laudes erst mal erklärt bekommen müssen. Spiegeln Sie damit einen Rückzug des Christlichen aus der Gesellschaft?
Langenhorst: Klar. Es ist nun mal so, dass die Verbundenheit mit dem Glauben und das Wissen darüber früher deutlich größer waren. Insofern kann ich bestimmte Ausdrücke nicht bei jedem Leser voraussetzen, das kann ich zu 100 Prozent nicht mal bei meinen Studenten, die sich ja intensiv mit dem Metier befassen. Wobei meine Krimis auch Leser haben dürften, die sehr wohl große Ahnung vom Kirchenleben und seinem Fachvokabular haben. Schließlich können gerade religiöse Menschen Krimis überaus schätzen.
Frage: Wieso?
Langenhorst: Es gibt doch durchaus gewisse Parallelen zwischen Krimis und dem Christentum. Beides geht von einem tiefliegenden Problem aus. Beides entwickelt sich auf eine Lösung - oder eben Erlösung - hin. Beides dreht sich wesentlich um die Frage von Schuld. Und was das Morden angeht: Davon steckt ja schon in der Bibel jede Menge - angefangen bei Kain und Abel bis hin zur Tötung Jesu am Kreuz.
Linktipp: Der gute, tote Dekan
Mord an der Uni: Ausgerechnet der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät wird erschossen. So schildert es im Krimi jemand, der es wissen muss - der Augsburger Religionspädagoge Georg Langenhorst.Frage: Welche Reaktionen hat Ihr Aufgreifen dieses alten Themas denn bislang hervorgerufen?
Langenhorst: Von den Leuten, die die Krimis gelesen haben, habe ich erstaunlich viel Positives gehört. Verrisse bekomme ich wahrscheinlich einfach nicht zu Ohren. Vor den Veröffentlichungen war die Resonanz gemischt. Manche meiner Kollegen waren anfangs nur wenig begeistert von meinen Krimi-Plänen, weil sie wohl befürchteten, dass ich sie durch den Kakao ziehen könnte. Darum geht es mir natürlich nicht. Auch musste ich mir Sticheleien anhören, von wegen "Du hast wohl nicht genug zu tun". Aber die Krimis schreibe ich natürlich in meiner Freizeit.
Frage: Als Ausgleich zur wissenschaftlichen Arbeit?
Langenhorst: Genau. Das Krimi-Texten läuft bei mir nämlich ganz anders. Dabei habe ich schon mal einen Schreibrausch, den ich als Professor nicht erlebe, wenn ich etwa an einem seriösen Aufsatz sitze. An die Krimis gehe ich intuitiv heran, ich lasse sich die Geschichten wie von selbst entwickeln. Ich weiß also nie mehr als der Kommissar.
Frage: Wissen Sie denn aber schon, ob es einen dritten Langenhorst-Krimi geben wird?
Langenhorst: Ich schreibe zwar gerade an einem. Aber ob ich den auch veröffentlichen werde, kann ich noch nicht absehen - je nach dem, wie das Ergebnis mir gefällt.
Frage: Könnten Sie sich auch vorstellen, mal einen echten Fall literarisch umzusetzen - etwa den des Verschwindens der Emanuela Orlandi? In Italien sind die Zeitungen ja derzeit voll von Geschichten über das Schicksal dieser seit 1983 verschollenen Tochter eines Vatikan-Mitarbeiters. Dahinter sollen hohe Kirchenstaatskreise stehen, wie nun aufgetauchte Dokumente angeblich beweisen.
Langenhorst: Das sollen Sachbücher klären. Der Reiz der Fiktion liegt in ihrer Freiheit.