Evangelische Pfarrer gegen Gemeindefusionen
Vor der in vielen evangelischen Landeskirchen verbreiteten Fusion von Kirchengemeinden zu größeren Einheiten hat der Vorsitzende des Verbandes evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer, Andreas Kahnt, gewarnt. "Gemeindegliederzahlen sind als Richtschnur für den Bestand oder Nicht-Bestand einer Ortsgemeinde unzureichend", sagte Kahnt am Montag vor rund 350 Teilnehmern des Deutschen Pfarrertags, der bis Mittwoch im Ostseebad Travemünde stattfindet.
"Kirche kann nur verlieren"
Zuletzt habe die Flüchtlingskrise gezeigt, wie wichtig die Ortsnähe von Pfarrerinnen und Pfarrern für eine schnelle Reaktionsfähigkeit der Kirchen sein könne, sagte Kahnt. "Mit einem Abzug von Pfarrerinnen und Pfarrern aus der Fläche zugunsten von regionalen, eher städtischen Zentren kann Kirche nur verlieren, denn sie verliert die Nähe zu den Menschen und damit die Möglichkeit angemessener Verkündigung des Evangeliums in vielfältiger Form."
Nötig sei allerdings eine Entlastung der Pfarrerinnen und Pfarrer von Aufgaben, "die nicht unmittelbar der Verkündigung in Gottesdienst, Seelsorge, Unterricht und Gemeindeleitung dienen". Ziel müsse sein, genügend Freiraum für aktuelle Herausforderungen sowie für eigene theologische Fortbildung und Erholung entstehen zu lassen, forderte der Verbandsvorsitzende.
"Es muss damit vorbei sein, Pfarrerinnen und Pfarrern immer wieder und immer mehr Aufgaben aufzubürden und sie mit den Folgen allein zu lassen", sagte Kahnt. "Die bittere Erfahrung zeigt, dass Menschen, die jeden Morgen vor einer für sie unüberschaubaren Aufgabenfülle stehen, immer häufiger nicht wissen, womit sie beginnen sollen." Dass es Einrichtungen wie das evangelische Respiratio-Haus für an Burnout erkrankte Pfarrer geben müsse, zeuge von erheblichen Defiziten in der Fürsorge der Dienstgeber an den ihnen anvertrauten Menschen.
Anonyme Schreiben in der Personalakte?
Angesichts von geplanten Veränderungen des Pfarrerdienstrechts in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kritisierte Kahnt Pläne, anonyme Schreiben etwa von Gemeindegliedern in die Personalakten aufnehmen zu lassen. "Dies stellt eine gravierende Änderung dar", sagte der Vorsitzende des Pfarrverbands. Anonym vorgebrachte Vorwürfe gehörten niemals in eine Personalakte. Andernfalls könne der Eindruck entstehen, es gehe dabei nicht um Schutz des betreffenden Pfarrers vor den Vorwürfen, sondern vielmehr um die Ermittlung eines Täters. "Dafür sind aber anonyme Äußerungen keinesfalls heranzuziehen, sondern in jedem Falle 'Ross und Reiter' zu nennen." (KNA)