Auf Twitter werden von Tausenden Nutzern berühmte Theologen verulkt

Everybody was Küng Fu Fighting

Veröffentlicht am 05.06.2014 um 00:00 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 
Netzkultur

Neuland ‐ Theologie ist ein ernstes Geschäft, Theologen ernsthafte, aber langweilige Wissenschaftler. Oder etwa nicht? Auf dem sozialen Netzwerk Twitter kann man seit zwei Tagen eine ganz andere Seite der Königin der Wissenschaften sehen: Unter dem Schlagwort #AddAWordRuinATheologian ("ergänze ein Wort, verhunze einen Theologen") blödeln Tausende von Theologie-Interessierten.

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Mittlerweile gibt es fast 50.000 Kurznachrichten dazu. Das Muster ist einfach, braucht aber eine gewisse Bildung – popkulturell wie theologisch: Aus Augustinus von Hippo wird Augustinus von Happy-Hippo, und der Reformator wird zum Schnulzensänger Martin Luther Vandross.

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Die Idee liegt schon länger in der Luft. Schon vor acht Monaten hat ein baptistischer Pfarrer aus Georgia den Hashtag, wie die Schlagwörter auf Twitter genannt werden, erfunden: Seine ersten Wortspiele waren aber ziemlich speziell. Bryan Wedding Chapell (nach dem presbyterianischen Theologen Bryan Chapell, aus dem mit "Wedding" die "Hochzeitskapelle" wurde) war wohl nicht witzig genug. Erst als Twitter-User @DrOakley1611 (eine Parodie auf den in den USA bekannten baptistischen Prediger und Theologen James White, der unter @DrOakley1689 twittert) einen Tweet absetzte, ging es richtig los – mit noch einem zum Schnulzensänger gemachten Reformator:

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Nur diesen einen Tweet über Johannes Calvin brauchte es, um die Lawine auszulösen. Typisch für solche Twitterphänomene ist, wie einfach sie weitergetragen und weiterentwickelt werden können. Daher werden sie, in Anlehnung an Gene, die Erbinformation weitertragen, "Mem" genannt. Diesen Ausdruck hat der Evolutionsbiologe (und polemische Religionskritiker) Richard Dawkins geprägt in Anlehnung an das lateinische Wort für Erinnerung ("memoria") und das griechische Wort für Nachahmung ("mimesis"). #AddAWordRuinATheologian ist ein besonders gutes Beispiel für ein Mem: Im letzten Jahr spielten viele Menschen unter dem Schlagwort #AddAWordRuinABook mit bekannten Buchtiteln, unter christlichen Twitterern wurde daraus #AddAWordRuinAChristianBook . Aus Dietrich Bonhoeffers "The Cost of Discipleship" (wörtlich: "Der Preis der Jüngerschaft") wurde "The Costco of Discipleship". "Costco" ist eine amerikanische Supermarktkette, der Titel lautet dann also etwa "Der Supermarkt der Jünger". Ein Jahr später greift @DrOakley1611 dieses Muster auf, und Tausende tragen die Idee in diesen Tagen weiter.

Der Rummel war von @DrOakley1611 nicht eingeplant. Im Gespräch (natürlich über Twitter) erzählt er, dass er total überrascht gewesen sei von dem Erfolg: "Eigentlich wollte ich nur 'John Calvin Mellencamp' irgendwo aufschreiben, dass es nicht nur in meinem Kopf ist. Ich habe nicht mal damit gerechnet, dass sich am nächsten Tag jemand daran erinnert." Einige seiner Follower hätten die Idee aber sofort weitergesponnen, und so kam es, dass wenige Stunden später die evangelische Pastorin Sandra Bils (auf Twitter @PastorSandy ) aus Hannover auf das Mem aufmerksam wurde. Bils arbeitet für das ökumenische Projekt Kirche hoch zwei und promoviert daneben in Portland, Oregon. So hat sie viele Kontakte in die amerikanische christliche Twitterszene, und schnell fand Barth Simpson (nach dem evangelischen systematischen Theologen Karl Barth) den Weg in ihre Twitter-Timeline, schließlich machte sie selbst den Aufschlag mit ihrem Landesbischof, der bei ihr zu Ralf Elektro Meister wurde. "Das Mem habe ich nicht bewusst gepostet, um etwas zu starten oder weil ich damit rechnete, dass so viele Spaß haben mitzumachen", schreibt sie in einer E-Mail. Kurz nachdem sie #AddAWordRuinATheologian über den Atlantik geholt hatte, twitterte sie überrascht:

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"So eine Entwicklung von Viralität kann man nicht vorhersagen oder machen, man kann sich nur daran erfreuen, Teil davon gewesen zu sein", schreibt sie. Für Bils ist das wichtigste und interessante der Gemeinschaftsaspekt und die Vielfältigkeit, die entstehen: "Eine Person allein könnte nie solch eine Vielzahl an lustigen Ideen zustande bringen." Dabei helfe es, wenn die Teilnehmenden eine inhaltliche Verbindung zum Thema haben. Eine Dynamik entsteht, wenn alle noch einen draufsetzen und ein noch absurderes Wortspiel erfinden wollen, um damit Humor und Fachwissen zu zeigen. "Als Pastorin freut mich natürlich, wenn sich ab und an Mems durchsetzen, deren innere Logik sich mit biblischen oder theologischen Themen befassen, wie zum Beispiel #ladekabeltheologie."

Als Entdeckerin und Übersetzerin von #AddAWordRuinATheologian hat Sandra Bils die höchstmögliche Ehre erfahren: Auch ihr Name wurde verhunzt.

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Von Felix Neumann