Ewige Stadt - ewiges Chaos?
Seit seinem Amtsantritt 2013 hat der Transplantationschirurg die größten Baustellen der Stadt nicht beheben können. "Das Hauptproblem in den vergangenen zwei Jahren war, Dinge wirklich umzusetzen", sagt Stadtrat Riccardo Magi der Deutschen Presse-Agentur. Nach Ansicht von Paolo Conti, der beim "Corriere della Sera" die Leserbriefe empörter Römer sichtet, hat Marino die Prioritäten falsch gesetzt und sich etwa um Umweltschutz bemüht, anstatt drängende Fragen anzugehen. Probleme und Chaos sind die Römer zwar gewohnt, doch seit einigen Wochen eskaliert die Situation. Internationale Medien wie die "New York Times" griffen die Krise auf, das Chaos ist im Sommer das große Aufregerthema in Rom. "Zwei Jahre Skandale und Defizite in der Politik und Verwaltung haben ausgereicht, um 3000 Jahre universeller Bewunderung für Rom zu ruinieren", schimpfte "Il Messaggero".
Das Bild, das Rom derzeit abgibt, ist in der Tat kein besonders gutes für Touristen aus aller Welt. Viele Straßen und Parks sind in einem desolaten Zustand, an den Straßenecken stapelt sich der Müll. Etwa 660 Kilogramm Abfall produziert jeder Römer pro Jahr. Die Müllabfuhr kommt mit dem Abtransport nicht mehr hinterher, längst haben sich neben den überfüllten Containern Berge angesammelt. Menschen stochern nach etwas Brauchbarem, Möwen verteilen den stinkenden Inhalt. Dazu kommt die Situation im öffentlichen Nahverkehr: Das System ist langsam, ineffizient und überlastet, das Transportunternehmen ATAC steht vor dem Ruin. Seine Mitarbeiter streikten wegen angekündigter Reformen, völlig überfüllte Busse und Bahnen ohne Klimaanlagen strapazieren in der Sommerhitze die Nerven von Touristen und Römern. Und auch der Flughafen Fiumicino macht seit Wochen Probleme. Nach einem Großbrand im Mai wurde die Kapazität reduziert, zuletzt kamen Behinderungen durch einen Waldbrand und einen Stromausfall hinzu.
Viele der Probleme sind auch eine Folge des Systems der jahrelangen Vetternwirtschaft, das unter Marinos Vorgänger Gianni Alemanno blühte. Ende vergangenen Jahres flog die Mafia-Unterwanderung der Stadt auf, Dutzende Politiker und Geschäftsleute wurden festgenommen. Sie hatten jahrelang bei der Vergabe lukrativer öffentlicher Aufträge in die eigene Tasche gewirtschaftet. Danach wurde Rom immer wieder von neuen Enthüllungen erschüttert, die zeigten, wie tief die Stadt im Sumpf aus Mafia, Betrug, Skandalen und Korruption steckt. Marinos Kampf gegen dieses System ist kaum erfolgreich. Zwar ist der Bürgermeister nicht in den Skandal verwickelt, dennoch trauen ihm die meisten Römer inzwischen nicht mehr zu, in der Stadt aufzuräumen. Selbst Regierungschef Matteo Renzi steht nicht mehr uneingeschränkt hinter seinem Parteifreund. "Italiens Hauptstadt verdient so etwas nicht", klagte er kürzlich in einem Brief an "Il Messaggero".
200 Millionen Euro werden wegen des Heiligen Jahres investiert
Doch einen Rücktritt lehnt Marino ab. "Für Veränderungen braucht es Monate. Ich hoffe, dass die Bürger von Rom in einem Jahr sehen werden, was wir alles geschafft haben", erklärte er. Zuletzt baute er die Verwaltung der Stadt um und versprach umfassende Reformen, etwa beim Verkehr. Auch mehr Reinigungskräfte und Mülleimer soll es in Zukunft geben, um das Chaos auf den Straßen einzudämmen. Denn die Lösung der Probleme ist dringender denn je: Im Dezember beginnt das von Papst Franziskus ausgerufene außerordentliche Heilige Jahr, mehr als 30 Millionen Pilger und Touristen werden erwartet.
Italiens Regierung stellt Rom nun 200 Millionen Euro zur Verfügung, um die Stadt auf das Mega-Event vorzubereiten. "Wir sind bereit, sofort in die ersten Arbeiten zu investieren: Verbindungen zwischen den Basiliken, Fahrradwege, Fußgängerwege", sagte Marino am Mittwoch. Noch kann Marino sich im Amt halten, doch im Innenministerium wird Berichten zufolge darüber diskutiert, ob der Stadtführung die Macht entzogen und an eine externe Kommission übergeben werden sollte. Es wäre eine weitere Blamage für die gebeutelte Ewige Stadt.