Firmung - und das war's?
"Dein letzter Gottesdienst?" - kurz nach Weihnachten könnten die meisten Christen, egal ob katholisch oder evangelisch, darauf vermutlich mit "erst am Heiligen Abend" antworten. Doch sonst dürfte die Sache anders ausschauen, speziell bei jungen Leuten. Autor Nikolaus Nützel hat diese Frage bewusst zum Titel seines kürzlich bei cbj erschienenen Jugendbuchs gemacht. Daraus geworden ist keine moralinsaure Gewissenserforschung für Mädchen und Jungen im Firm- und Konfirmationsalter, sondern eine sachlich frische Auseinandersetzung mit dem Glauben.
Was heißt es wirklich, ein "vollwertiger Christ" zu sein - und zwar aus freien Stücken? Darauf will der Journalist versuchen, Antwort zu geben, ohne Zweifel auszusparen. Trat doch der in einer evangelischen Familie aufgewachsene Franke einst selbst nach dem 18. Geburtstag aus der Kirche aus. Das war gut fünf Jahre nach seiner Konfirmation. Eine nicht unübliche Entwicklung. Erfahrungen zeigen, dass, wenn das Fest der Firmung oder Konfirmation vorbei ist, dies für viele Menschen auch in Bezug auf die Kirche gilt.
Beim Wort "Kirche" gibt es keine Denkverbote
Übrigens trat Nützel 34 Jahre später, inzwischen verheiratet und Familienvater, wieder ein. Ein "Erweckter" sei er deshalb noch lange nicht, schreibt er in seinem "Warnhinweis" zum Einstieg. Zudem verweist er darauf, dass manche Menschen, die sich selbst als sehr gläubig sehen, dieses Buch vielleicht verärgern könnte. Dabei möchte er nur anregen, sich Gedanken zu machen, was hinter dem Wort "Kirche" steht - ohne strikte Denkverbote zu verhängen.
Von Anfang an schlägt der Autor einen lebendigen, aber sich nicht krampfhaft anbiedernden Ton an. Da wird mal ein Witz gemacht - und in einer bewusst anderen Schrift werden Kommentare nachgereicht. Schon auf Seite 9 heißt es, wohl eingedenk der geringen Durchhaltekraft der von schnellen Schnitten geprägten Videoclips-Generation: "Halt! Das Buch noch nicht weglegen!" Der Leser wird freundschaftlich mit "Du" angesprochen, soll aber nicht von "Jesus hat Dich lieb!"-Parolen umgarnt werden.
Anfangs wird aufgelistet, was Teenagern in Bezug auf Firmung oder Konfirmation so richtig peinlich ist. Dazu gehört das Singen oder der einem unbekannte Ablauf der Rituale im Gottesdienst. Aber etwa auch, dass liebe Verwandte, die sonst mit Kirche nichts am Hut haben, auf einmal wieder einen Gottesdienst besuchen. Wer eigentlich keine Lust hat, sich damit weiter zu beschäftigen, den erinnert Nützel daran, das man, ob man will oder nicht, der Kirche letztlich nicht entkommen kann. "Und all das hat in Europa wiederum irgendwie immer etwas mit dem Christentum zu tun."
Allein in der Sprache kämen Begriffsvariationen vor, die mit Gott oder Bibel zu tun hätten. Auch das Kreuz werde nicht nur von Christen als Schmuck geschätzt. Nicht zu vergessen die Sonn- und Feiertage einer Gesellschaft, die in der Regel christlichen Ursprungs seien. Und selbst der Name eines Menschen sei oft der Bibel ("Benjamin") entnommen oder fuße auf einem Heiligen ("Christoph"). Das alles ist mit witzigen Bildern und Illustrationen ansprechend aufgemacht.
Sich Gedanken über den Glauben machen
Mancher Firmhelfer, der sich mit nicht immer leichten Fragen der jungen Leuten konfrontiert sieht, kann sich hier Anregungen holen. Denn Nützel lässt fast nichts aus. So setzt er sich mit anderen Religionen und Atheisten auseinander, spürt der Geschichte mit Kreuzzügen und Hexenverbrennung nach. Auch wird erläutert, warum Deutschland trotz "C"-Parteien kein Gottesstaat ist oder was christliche Wohlfahrtsverbände leisten und wo es im Getriebe knirschen kann.
Natürlich gebe es nicht nur nette Christen, eine Gemeinschaft sei das Christentum aber "irgendwie schon". Den jungen Lesern gibt Nützel mit auf den Weg, die Zeit zu nutzen, sich darüber Gedanken zu machen. Sie könnten sich ärgern, sich freuen, den Christen die kalte Schulter zeigen oder auf sie zugehen. Nur wer so tue, als ob es die existenziellen Fragen zu Leben und Tod nicht gebe, lüge sich in die Tasche: "Wenn du so tust, als ob es die Kirche nicht gäbe, ebenfalls. Und das wäre dann doch nicht die richtige Antwort."