Fluchen und jubeln – Gottes Namen auf den Lippen
Die Bibel - ein Buch der Rekorde: in 2.650 Sprachen übersetzt, 2,5 Milliarden Mal verkauft und wahrscheinlich auch am häufigsten zitiert. Und genau das ist ein Kapitel für sich. Denn die Bibel ist in aller Munde und zwar nicht nur in der Messe oder im Bibelkreis, sondern im Alltag und auch durch Menschen, die nicht gläubig sind. Vielen würden wohl die Haare zu Berge stehen, wenn ihnen bewusst wäre, wie oft sie den Namen Gottes anrufen oder völlig unwissend biblische Redewendungen oder Sprichwörter nutzen. "Wer‘s glaubt, wird selig!" würden sie vielleicht rufen, um sich dann mit einem "Da brat mir einer einen Storch" zu besinnen und sich künftig zu bemühen, ihre Zunge im Zaum zu halten.
Religiöse Sprichwörter und Redensarten gibt es wie Sand am Meer und eher geht wohl ein Kamel durch ein Nadelöhr, als das solche Wendungen aussterben, weiß auch Rolf-Bernhard Essig, der deutsche Sprichwort-Papst, der dem Volke von Berufswegen aufs Maul schaut. "Je mehr Menschen eine Redensart hören, desto schneller verbreitet sie sich. Heute funktioniert das zum Beispiel über soziale Netzwerke im Internet. Früher hörten die Menschen religiöse Redewendungen im Gottesdienst und trugen sie weiter."
Die Bedeutung ist manchmal verfälscht
Zudem wird Sprache sehr von der eigenen Familie beeinflusst und zwar über viele Generationen hinweg. An der Frucht erkennt man den Baum und auch wenn der Enkel nicht mehr religiös ist, so ist sein Wortschatz doch noch von den Urgroßeltern geprägt, für die der Kirchgang selbstverständlich war. "Nicht immer entspricht dabei die heutige Bedeutung der ursprünglich in der Bibel gemeinten", sagt Bibelexperte Franz-Josef Ortkemper. So werde das Kainsmal als Zeichen gedeutet, das einen schuldigen Menschen verrät. In Wirklichkeit sei es aber ein Schutzzeichen Gottes gewesen, um den Brudermörder vor der tödlichen Rache der anderen Menschen zu bewahren.
Ähnlich verhält es sich mit dem Wort Tohuwabohu, das aus dem Hebräischen stammt: 'Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer (tohu wabohu)'. In der Einheitsübersetzung wurde das Wort mit 'wüst und wirr' übersetzt. Heute bezeichnet es Chaos oder heilloses Durcheinander. Schuld sind die Gelehrten der Renaissance. "Aus reiner Angeberei haben sie damals statt des griechischen Wortes Chaos, das noch ältere Tohuwabohu verwendet und es damit bis heute etabliert", so Essig.
Lebensweisheiten ohne Verfallsdatum
Ebenso gängig ist der Begriff des Sündenbocks. "Das dieser in der Tat ein echtes Tier war, ist heute nur noch wenigen bewusst", sagt Franz-Josef Ortkemper. Der Begriff stammt aus Levitikus und beschreibt ein Ritual, nach dem der Hohepriester jedes Jahr am Versöhnungstag die Sünden des Volkes Israel bekannt machte und sie auf einen Ziegenbock übertrug, indem er ihm die Hand auf den Kopf legte. "Das Tier wurde anschließend in die Wüste getrieben und die Sünden damit symbolisch aus der Stadt getragen."
Neben Redewendungen, die oft aus dem eigentlichen Zusammenhang gerissen wurden und für Theologen manchmal Stein des Anstoßes sind, enthält die Bibel aber auch viele Sprichwörter im Buch der Sprüche. "Sie gehören im Alten Testament zur Dichtung und Weisheitsliteratur und viele sind heute noch bekannt", erläutert Ortkemper. "'Hochmut kommt vor dem Fall', heißt es da oder 'Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein' - zeitlose Anleitungen und Lebensweisen für ein gelingendes soziales Miteinander." Sie sind alt wie Methusalem und gelten doch genauso, wie vor tausenden von Jahren.
Ebenfalls aus der Weisheitsliteratur stammt die "Hiobsbotschaft", eine katastrophale Nachricht etwa vom Tode eines Menschen. Hiob (in der Einheitsübersetzung Ijob), ein reicher, gottesfürchtiger Mann, verliert in der biblischen Erzählung, nach einer Wette zwischen Gott und dem Satan, erst seinen Besitz und dann alle zehn Kinder. Die Nachrichten erreichen ihn in kurzer Folge und sollen seine Frömmigkeit auf die Probe stellen. "Obwohl der größere Teil des Buches, in dem Ijob Streitgespräche mit seinen Freunden über Gott führt, theologisch relevanter ist, ist die atemlose Geschichte der Hiobsbotschaft besser im Volkgedächtnis geblieben", sagt Ortkemper.
Neben Redewendungen aus der Bibel, sind es heute vor allem emotionale Ausrufe, die den Namen Gottes bemühen. Das betrifft Jubelrufe beim Karneval, wie 'Helau' (Halleluja) ebenso, wie 'Oh mein Gott!', oder – alle guten Dinge sind drei - 'Gott sei Dank!', die von klein auf zum Sprachgebrauch gehören. Wie unbewusst der Name Gottes im Munde geführt wird, zeigt diese Anekdote aus einer sowjetischen Kolchose. "Gott sei Dank, es kommt jetzt Regen", sagt die Bäuerin. "Aber Genossin", antwortet der Leiter der Kolchose, "du weißt doch, dass es Gott sei Dank keinen Gott gibt". "Sicher, Genosse, aber wenn es nun, was Gott verhüten möge, doch einen gibt?"
Linktipp: Unsere Bibel
Im Grunde ist schnell erklärt, was die Bibel ist: Die anerkannten Schriften von der Erschaffung der Welt bis zur Entstehung der ersten christlichen Gemeinden. Allerdings greift die Erklärung zu kurz.Ursprünglich seien solche Wendungen mit dem magischen Denken im Volke verbunden gewesen, so Rolf-Bernhard Essig. "Es ging darum, Gott um Hilfe anzurufen oder einen Fluch abzuwenden." Den Geistlichen war das ein Dorn im Auge. "Eigentlich soll man den Namen des Herrn und Gott nicht unnütz brauchen. Wenn ich in einer Notlage 'Himmel hilf' rufe, ist das okay. Wenn ich aber beim Kartenspiel sitze und einen Trumpf brauche, sieht das schon anders aus", sagt der Sprichwort-Experte schmunzelnd.
Zum A und O wurden deshalb Hüllformen, um die Anrufung Gottes außerhalb des stillen Kämmerleins in Alltagssituationen zu verschleiern. Wie Schuppen fällt es einem von den Augen, wenn man erfährt, dass 'Oje!' eigentlich 'Oh Jesus!' bedeutet. Und wer den Ausruf 'Potzblitz' auf Herz und Nieren prüft stellt fest, dass es sich dabei um einen gemeinen Fluch handelt, der eigentlich bedeutet 'Gottes Blitz soll dich treffen'. Das gleiche gelte auch für die Anrufung des Teufels, die problematisch ist, weil man diesen bekanntlich nicht an die Wand malen soll. "Deshalb wird aus 'Zum Teufel' dann 'Zum Geier' oder auch 'Zum Kuckuck', weil das beides Teufelstiere sind", sagt Essig.
Herrgottssakaramentkreizkruzifixnoamol
'Zum Kuckuck' wird man im Dorf noch öfter hören, als in der Stadt. Denn christliche Redensarten sind auf dem Land noch weitaus verbreiteter. Zum einen wegen der stärkeren Kirchenanbindung und zum anderen, weil die Landbevölkerung den ganzen Tag mit Sprüchen verbringt. "Das beginnt mit 'Morgenstund hat Gold im Mund' und endet mit 'Abendrot Gutwetterbot'", so Essig. Ebenfalls prägend sei die Konfession. "Luther hat immer wieder gepredigt 'Lies die Bibel!' und deshalb sind biblische Sprichwörter und Redensarten in evangelischen Gegenden mehr verbreitet."
Eine Ausnahme von dieser Regel bildet das Schimpfen, das vor allem im katholischen Bayern sehr religiös geprägt ist. Nirgendwo wird so herzhaft mit dem Namen Gottes auf den Lippen geflucht. "Bis hierhin und nicht weiter!", mögen nun die Bayern angesichts solcher Vorurteile sagen und einer jungen Landsmännin beipflichten, die solche Klischees satt hat und in einem Internet-Forum Gift und Galle spuckt: "Des stimmt doch gar ned, wos du do behaubst. Herrgottssakaramentkreizkruzifixnoamol!" Ach herrjemine, Entschuldigung. Asche auf mein Haupt!
Buchtipps
Dr. Rolf-Bernhard Essig ist Autor mehrerer Bücher, die sich mit dem Thema Sprüche beschäftigen. Katholisch hat eine Auswahl von Buchtipps zusammengestellt:
"Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt": In diesem Buch beschäftigt sich Essig mit Sprüchen aus dem Alltag und erklärt ihre Hintergründe.
"Butter bei die Fische": Spinnen Sie kein Seemansgarn - in diesem Buch dreht sich alles um Sprüche rund um die Themen Meer und Schifffahrt.
"Wie die Kuh aufs Eis kam": Woher stammt der Begriff "Deadlines"? Und warum haben wir Schmetterlinge im Bauch? Hier erfahren Sie es.
"Alles für die Katz": Manche Redewendungen klingen modern - doch Rolf-Bernhard Essig erklärt hier, wie alt manche Sprüche schon sind und welchen Hintergrund sie haben.