Franziskus gegen die Hauptstadt-Mafia
Man müsse "den Schwächsten dienen und darf sich nicht an ihnen bedienen", so Franziskus. Alle Bewohner Roms müssten zum Aufbau einer gerechteren und solidarischen Stadt beitragen, sagte er beim Abendgebet im Petersdom.
Vermutlich hätte Franziskus gar nicht eigens darauf hinweisen müssen, dass er nun als Bischof von Rom spreche. Die Römer wussten ohnehin, was er meinte: "Hauptstadt-Mafia" hatten italienische Medien jene kriminelle Bande aus ranghohen Beamten der römischen Stadtverwaltung, Kommunalpolitikern und Unternehmern unter Führung eines ehemaligen rechtsextremistischen Terroristen getauft, die Ermittler Anfang Dezember aufdeckten. Sie soll mehrere hundert Millionen Euro mit gefälschten Rechnungen und überteuerten Aufträgen von der Stadt ergaunert haben. Einige Dutzend Personen wurden festgenommen, gegen mehr als 100 wird ermittelt. Die Polizei beschlagnahmte zudem Besitz im Wert von mehr als 200 Millionen Euro.
Vorwurf: Geld für nie geleistete Obdachlosenhilfe eingestrichen
Kurzzeitig bestand sogar der Verdacht, auch das Bistum Rom könnte in den Mafia-Skandal verwickelt sein. Medien veröffentlichten den Mitschnitt von einem abgehörten Telefonat eines Beschuldigten, in dem von einer katholischen Erzbruderschaft des Heiligsten Sakraments und des heiligen Tryphon die Rede war. Daraufhin teilte das Bistum mit, dass es mit diesen Machenschaften nichts zu tun habe. Die Erzbruderschaft sei schon 2010 angewiesen worden, sich nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen.
Sich an den Schwächsten bedient zu haben - das genau wird der "Hauptstadt-Mafia" unter anderem vorgeworfen. Konkret: Sie soll Ausschreibungen für Unterkünfte von Flüchtlings- und Asylbewerbern sowie Obdachlose manipuliert und Geld ohne entsprechende Gegenleistungen eingestrichen haben.
Das bekommen die Obdachlosen nun zu spüren: Nach Angaben der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidi0 fallen in diesem Winter 600 von insgesamt 1.200 städtischen Übernachtungsplätzen wegen der Ermittlungen gegen die Hauptstadt-Mafia weg. Pfarreien und andere kirchliche Einrichtungen stellen demnach bislang 1.560 Betten. Insgesamt leben in Rom laut Sant'Egidio derzeit 7.800 Personen ohne festen Wohnsitz. Von ihnen übernachten 2.000 in Gelegenheitsunterkünften und 2.500 auf der Straße.
Der Wegfall von Schlafplätzen trifft die Clochards umso härter, als die nächtlichen Temperaturen seit Tagen unter dem Gefrierpunkt liegen. Die Stadt schlug deshalb Alarm: Sozialdezernentin Francesca Danese rief nach Weihnachten katholische Pfarreien, Verein und freiwillige Helfer auf, der Stadtverwaltung bei der Unterbringung von Obdachlosen zu helfen. Rom sei schließlich die Stadt von Papst Franziskus. Die Verwaltung richtete eine Notrufnummer ein, wo die Bürger Obdachlose melden können, die auf der Straße schlafen.
Erstes Opfer der Kältewelle in Rom
Franziskus hatte vor Weihnachten zu seinem 78. Geburtstag 300 Schlafsäcke mit päpstlichem Wappen an Obdachlose verteilen lassen; einige Obdachlose überreichten ihm daraufhin nach der Generalaudienz Sonnenblumen. Zuvor hatte der Papst schon Duschen für Obdachlose in der Nähe des Petersplatzes installieren lassen. Sein Almosenverwalter Erzbischof Konrad Krajewski fährt regelmäßig mit freiwilligen Helfern zum Hauptbahnhof Termini und anderen bevorzugten Aufenthaltsorten der Wohnsitzlosen, um Hilfspakete zu verteilen.
Für einen 40 Jahre alten Obdachlosen aus Polen kam der städtische Aufruf zu spät. Er wurde am Dienstag tot im Nebeneingang eines Hotels im geschäftigen Quartier auf dem Hügel Esquilin in der Nähe des Hauptbahnhofs gefunden. Die genaue Todesursache ist noch nicht bekannt. Vieles spricht aber dafür, dass es sich um das erste Opfer der römischen Kältewelle handelt.
Von Thomas Jansen (KNA)