Franziskus trifft Trump: Drama im Vatikan?
Unter normalen Umständen wäre der Lauf der Dinge rund um ein Treffen zwischen dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und dem Papst der katholischen Kirche vorhersehbar. Zunächst wäre da die mediale Debatte vor dem Treffen. Es würden Vorhersagen über Konflikte zwischen beiden aufgrund ihrer Meinungsverschiedenheiten gemacht. Bei fast allen Treffen zwischen Präsidenten und Päpsten war es so, weil es eben immer Themen gibt, bei denen man sich nicht einig ist.
Papst belehrt Präsident
Unter demokratischen Präsidenten drehten sich die Konflikte um künstliche Verhütungsmittel, Abtreibung und "Homo-Ehe". Unter Republikanern ging es um Fragen von Krieg und Frieden oder die Verantwortung der Regierung, den Armen und Bedrängten zu helfen. Daher gab es etwa vor dem Treffen zwischen Johannes Paul II. und Bill Clinton Vorhersagen, der Papst würde den Präsidenten zum Thema Abtreibung öffentlich auseinander nehmen. Dazu kam es nicht. Genauso erwarteten manche vor dem Treffen zwischen Benedikt XVI. und Barack Obama, der Papst würde dem Präsidenten nicht nur einen Vortrag über Abtreibung halten, sondern auch zur Haltung der US-Bischöfe zur Religionsfreiheit halten. Ist nicht passiert.
Es fällt auf, dass die Vorhersagen für solche Standpauken immer in eine Richtung gehen: Stets ist es der Papst, der den Präsidenten belehrt. Kein amerikanischer Präsident hätte es je gewagt, dem Papst einen solchen Vortrag zu halten. Jedenfalls bis jetzt.
Es überrascht nicht, dass Prognosen einer größeren Konfrontation auch vor dem Treffen zwischen Donald Trump und Franziskus die Runde machen. Beide haben so diametrale Sichtweisen auf die Umwelt, Flüchtlinge, Migranten, Diplomatie und Militäreinsätze, dass man sich ein Donnerwetter gut vorstellen kann. Im Bereich Wirtschaft sind sie sich zwar einig, dass die Globalisierung auch Negatives mit sich bringt, aber Trump interessiert sich dabei nur für die Vereinigten Staaten, während Franziskus sich auf Entwicklungsländer konzentriert.
Und beide sind für ihre unberechenbaren Persönlichkeiten bekannt. Franziskus überrascht Beobachter immer wieder und Trump ist so sprunghaft, dass man nur schwer vorhersagen kann, was er als nächstes tut.
Gute Beziehungen statt starker Schlagzeilen
Wenn ein Treffen zwischen Papst und Präsident stattfindet, gibt es immer auch begleitende Gespräche zwischen dem Stab des Regierungschefs und dem Vatikanischen Staatssekretariat. Diese Treffen laufen in der Regel diplomatisch und diskret ab. Der Vatikan will einen wichtigen Staatsführer wie den US-Präsidenten nicht bloßstellen. Man hat kein Interesse daran, Brücken einzureißen. Im Kirchenstaat hat man jahrhundertelange Erfahrung im Umgang mit politischen Führern – gute und schlechte, vernünftige und verrückte, Freund und Feind. Der Vatikan sucht eine dauerhafte Beziehung mit der weltgrößten Supermacht und diese wird er nicht für ein paar Schlagzeilen aufs Spiel setzen.
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Der Gegensatz zwischen dem Präsidenten der USA und dem Oberhaupt der katholischen Kirche könnte kaum größer sein. Wiederholt gerieten Franziskus und Donald Trump aneinander. Nun steht das erste Treffen an.Die eigentliche Begegnung zwischen Präsidenten und Päpsten ist privat, es ist nur ein Übersetzer dabei. Nur wenige Details sind jemals über das bekannt geworden, was dabei gesagt wurde. Aber oft wird die Atmosphäre wiedergegeben. Beispielsweise erklärte Benedikt nach seinem Gespräch mit Obama, wie beeindruckt er vom Präsident gewesen sei; ganz zur Enttäuschung der Konservativen in den USA.
Diese knappen Informationen bringen Vatikanjournalisten dazu, nach jedem Strohhalm zu greifen. Sie achten dann beispielsweise darauf, ob das Treffen länger dauert als angesetzt, was bedeuten könnte, dass die beiden gut miteinander auskommen oder eine sehr ernste Unterredung führen.
„Trump ist so sprunghaft, dass man nur schwer vorhersagen kann, was er als nächstes tut.“
Amerikaner neigen dazu, zu glauben, dass die Gespräche zwischen Päpsten und Präsidenten und deren Mitarbeiter sich um innenpolitische Streitfragen der USA drehen: Geburtenkontrolle, Abtreibung oder Religionsfreiheit. Demgegenüber berichten Teilnehmer, dass 90 Prozent der Diskussionen sich mit außenpolitischen Themen befassen, besonders der Lage im Mittleren Osten. Den Vatikan interessiert vor allem, wie die Friedenspläne der Amerikaner aussehen, was man hinter verschlossenen Türen den Israelis sagt und wie man mit den USA für Frieden und Entwicklung kooperieren kann. Auch die Flüchtlingsfrage spielt eine Rolle.
Amerikanische Diplomaten interessieren sich hingegen vor allem für die Wahrnehmung anderer Staatsführer durch den Vatikan. Außerdem wollen sie wissen, was die Kirche zu außenpolitischen Fragen wie den Mittleren Osten, zum Klimawandel oder auch zu Gentechnik zu sagen hat. Manchmal suchen die USA auch die Hilfe des Kirchenstaats bei den Beziehungen zu einem bestimmten Land. Die Verhandlungen werden jedenfalls auf beiden Seiten sehr professionell geführt.
Der Vatikan hält die Informationen knapp
Nach den Treffen veröffentlicht der Vatikan eine kurze, nur wenige Zeilen lange Mitteilung zu den besprochenen Themen. Das ist nicht allzu hilfreich, da man nicht erfährt, wie viel Zeit für die einzelnen Punkte zur Verfügung stand, geschweige denn, was gesagt wurde. Da die Positionen beider Seiten zu den jeweiligen Themen aber bekannt sind, ist es nicht schwer, das zu erraten. Anonyme Vatikanmitarbeiter – auch solche, die nicht teilgenommen haben – versuchen jedoch immer wieder, die Geschichte in ihrem Interesse zu drehen, was zu unterschiedlichen Interpretationen der Treffen führen kann.
Aber auch die oberflächlichen Pressemitteilungen des Vatikan können zu Missverständnissen führen. Nach einem Treffen zwischen US-Außenminister John Kerry und Vatikanvertretern im Januar 2015 stand in der Mitteilung ein Satz über die US-Gesundheitsreform. Die meisten Medien machten daraus ihre Schlagzeile, da es damals einen Konflikt zwischen den US-Bischöfen und der Regierung über die Finanzierung künstlicher Verhütungsmittel gab. Teilnehmer berichteten allerdings später, dass der Vatikan das Thema nur auf Bitten der US-Bischöfe angesprochen hatte und man sich lediglich fünf Minuten damit beschäftigte. Die weitaus meiste Zeit ging es um Außenpolitik.
Auch die US-Vertreter sprechen nach den Treffen lieber über das Positive. Keine Regierung hat je einen Vorteil darin gesehen, öffentlich im Konflikt mit dem Papst dargestellt zu werden. Manchmal geht man sogar zu weit und betont Einigkeit wo gar keine besteht – was wiederum zu einer höflichen Klarstellung seitens des Vatikansprechers führt.
Normalerweise gibt es also wenig Drama rund um eine Papstaudienz des US-Präsidenten. Beide Seiten verharmlosen die Konflikte und betonen die Qualität der Debatte. Aber der amtierende Präsident ist nicht "Kein-Drama-Obama". Und der Papst ist nicht mehr der akademische Benedikt.
Was twittert Trump?
Bei Trump wissen wir nicht, was uns erwartet, auch wenn seine Treffen mit anderen Staatschefs bislang recht gut verliefen. Er könnte trotzdem von der Audienz kommen und sofort einen seiner typischen Tweets absetzen: "Papst super Typ! Wir sind uns EINIG bei ALLEM! GUT! Wir retten die Welt!" Oder noch schlimmer: "Papst Franziskus weint … ist kein Freund von Mauern. Hat keinen Biss. 7 von 10 auf der Päpste-Skala. Will, dass ich für ihn bete. Bin sehr beschäftigt. TRAURIG."
Andererseits sind wir auch nicht sicher, was Franziskus sagen wird. Er hat sich bislang keinen Fehltritt bei seinen Begegnungen mit anderen politischen Führern geleistet. Die Ratschläge seiner Vatikan-Diplomaten beachtet er. Aber seine Meinungsverschiedenheiten mit Trump sind offensichtlich. Die Chancen stehen gut, dass die Vorbereitung spektakulärer verläuft als das Treffen selbst. Aber bei Trump und Franziskus weiß man ja nie.