Vor 300 Jahren wurde der erste Dachverband gegründet

Freimaurer: Vom kleinen Kreis zur Großloge

Veröffentlicht am 24.06.2017 um 13:30 Uhr – Lesedauer: 
Eine Stola mit dem Zirkel-Symbol der Freimaurer
Bild: © KNA
Geschichte

London ‐ Sie betätigen sich als Wohltäter, die Kirche sieht sie kritisch: Die Freimaurer. Vor 300 Jahren gründeten sie ihren ersten Dachverband. Wer hinter ihre Kulissen blickt, muss Widersprüche aushalten.

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Die Herren, die sich am 24. Juni 1717 in der Londoner Taverne mit dem eigentümlichen Namen "Goose and Gridiron" ("Gans und Bratrost") versammelten, dürstete es weniger nach einem süffigen Ale denn nach einem Pakt unter Männern. Vor 300 Jahren besiegelten die Gentlemen in der Kneipe einen Bund, der Geschichte schreiben sollte. Das "Goose and Gridiron" wurde zum Geburtsort der ersten Großloge der Freimaurer. Dieser Schritt legte den Grundstein für den weltweiten Aufstieg einer Vereinigung, die bis auf den heutigen Tag von Mythen und Geheimnissen umgeben ist - und die manche Vertreter der hohen Geistlichkeit immer noch scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Obwohl die Wurzeln der Bewegung im kirchlichen Raum liegen.

Das historische Fundament der einzelnen Logen, wie die lokalen Vereinigungen nach wie vor genannt werden, bildeten die Bauhütten, englisch "lodges", an den großen Kathedralen des Mittelalters. Dort schufen sich die Steinmetze - hoch spezialisierte Handwerker, die auf ihre Unabhängigkeit vom sonst allgegenwärtigen Zunftzwang pochten - eine eigene Arbeits- und Lebensordnung mit besonderen Ritualen und Zeichen. Daran sollten später die Freimaurer anknüpfen, wie Alexander Giese in seiner Einführung zur Freimaurerei schreibt. Wie es nun dazu kam, dass aus den "Arbeitern am rauen Stein" ein Zusammenschluss von Dichtern und Denkern, von Adligen und Geistlichen wurde, darüber gibt es nur Vermutungen.

Das Freimaurer-Symbol mit Zirkel und Winkel.
Bild: ©Fotolia.com/Engineer

Das Symbol der Freimaurer: Zirkel und Winkel.

Die überzeugendste laut Giese: Die Freimaurer folgten jenen Sozietäten, die seit Beginn der Neuzeit, "oft anknüpfend an antike Schriftsteller und Philosophen, eine Erneuerung, eine Reformation sowohl des Glaubens als auch der Gesellschaftsordnung anstrebten". Das machte sie in den Augen der Kirche mindestens suspekt - obwohl sich die Freimaurer Brüderlichkeit, Toleranz und karitatives Wirken auf die Fahnen schrieben. Einen ersten "Baustopp" versuchte Papst Clemens XII. 1738 mit seiner Bulle "In eminenti" zu erwirken. Sie konnte aber nicht verhindern, dass die Freimaurerei Kreise zog.

Geheimniskrämerei gehört dazu

Bereits 1730 hatte die Bewegung in Nordamerika Fuß gefasst. Der nach der Großloge von London nächstälteste Dachverband - Grand Orient de France - nahm 1773 in Frankreich Gestalt an, trennte sich allerdings später von den Brüdern in London. Zu den prominenten Mitgliedern werden gemeinhin gezählt: der Komponist Wolfgang Amadeus Mozart, der Dichter Johann Wolfgang Goethe, der erste US-Präsident George Washington und Henry Dunant, Gründer des Roten Kreuzes.

Freilich sind diese Angaben mit Vorsicht zu genießen. Ein gewisser Hang zu Geheimniskrämerei gehört zum Wesen der Freimaurerei - auch wenn überzeugte Mitglieder den Begriff "Geheimbund" gar nicht gerne hören. Zu oft in der Geschichte wurden Verschwörungstheorien gestreut. Immer noch findet Halbgares rund um die Logen ein dankbares Publikum - was zuletzt etwa Bestseller-Autor Dan Brown in seinem Thriller "Das verlorene Symbol" zu nutzen wusste.

Bild: ©KNA

Die Pressekonferenz zum Thema Freimaurer-Dekret am 26. November 1984 in Rom: Joseph Kardinal Ratzinger, Präfekt der Glaubenskongregation.

Sollbruchstellen bleiben auch im Verhältnis der Freimaurer zur Kirche. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) schuf zwar laut "Lexikon für Theologie und Kirche" mit der "Erklärung über die Religionsfreiheit" eine Basis des Austauschs. Aber noch 1983 bekräftigte der damalige Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, dass sich katholische Mitglieder einer Loge "im Stand der schweren Sünde" befinden und deswegen vom Kommunionempfang ausgeschlossen sind. Die Prinzipien der Freimaurerei seien "unvereinbar mit der Lehre der Kirche".

Kritiker werfen den Freimaurern religiöse Indifferenz vor: Mit dem Bild vom "allmächtigen Baumeister aller Welten" haben sie sich auf eine Art kleinsten gemeinsamen Nenner für das große spirituelle Ganze geeinigt - um Disputen um Glauben und Bekenntnis einen Riegel vorzuschieben. Freundliche Kontakte zu den Kirchen schließt das nicht aus. So erhielt der "Michel", die evangelische Michaeliskirche und Hamburger Wahrzeichen, erst Anfang Mai einen Brunnen aus Carrara-Marmor. Gestiftet wurde sie von "Absalom zu den drei Nesseln" - Deutschlands ältester Freimaurer-Loge.

Von Joachim Heinz (KNA)