Kirchen und Gewerkschaften kämpfen für den freien Sonntag

Für die Auszeit keine Zeit

Veröffentlicht am 03.03.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Wirtschaft

Bonn ‐ Samstags gehört Vati mir: Über diese Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes aus den 1950er Jahren kann so mancher Arbeitnehmer heute nicht einmal mehr müde lächeln. Immer mehr Menschen arbeiten nicht nur am Samstag, sondern auch am Sonntag. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag waren 2011 etwa 8,9 Millionen Arbeitnehmer, also jeder Vierte, "ständig oder regelmäßig am Wochenende" beschäftigt, rund ein Drittel mehr als 2001. Eine Tatsache, die eine Allianz von Kirche und Gewerkschaft auf den Plan gerufen hat.

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Seit 2006 existiert die Allianz für den freien Sonntag - getragen unter anderem von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), dem Bundesverband Evangelischer Arbeitnehmerorganisationen und der Gewerkschaft ver.di.

Zum heutigen "Internationalen Tag für den freien Sonntag" wollen die Sonntagsschützer bundesweit auf ihr Anliegen aufmerksam machen. In Anlehnung an das Datum, an dem Konstantin der Große im Jahr 321 den Sonntag zum Ruhetag erklärte, wurde der Tag auf den 3. März gelegt – 2013 zufällig ein Sonntag. Rund 50 Aktionen sind nach Angaben der Veranstalter rund um den Tag deutschlandweit geplant, darunter beispielsweise Flashmobs mit Liegestühlen auf öffentlichen Plätzen. Ebenso wird das Anliegen in Gottesdiensten thematisiert.

"Wohltuende Atempause"

In einer gemeinsamen Erklärung bezeichnen die katholische und evangelische Kirche den Sonntag nicht nur für Christen als "eine heilsame Unterbrechung" und "Gegenbild zur Ausrichtung des gesamten Lebens an Erfordernissen der Wirtschaft." Der Schutz des Sonntags diene der Gesellschaft im Ganzen. In Zeiten zunehmender Beschleunigung brauche es eine "wohltuende Atempause", schreiben der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider.

„Die Wirtschaft drängt auf eine Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft, in der die Interessen von Familien, von Kultur, Politik und Religion keine Rolle mehr spielen“

—  Zitat: Ulrich Dalibor (ver.di)

Als "Kulturgut und Säule unseres Gemeinwesens" sieht ver.di den Sonntag in großer Gefahr. Ausnahmen zum arbeitsfreien Sonntag drohten zur Normalität zu werden, sagt Ulrich Dalibor, Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel der Gewerkschaft. "Die Wirtschaft drängt auf eine Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft, in der die Interessen von Familien, von Kultur, Politik und Religion keine Rolle mehr spielen."

Der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zufolge seien flexible Arbeitszeiten allerdings unverzichtbar. "Viele Bereiche, wie das Gesundheitswesen, Polizei und Feuerwehr oder der Verkehrssektor, sind zwingend darauf angewiesen, dass Beschäftigung auch jenseits üblicher Arbeitszeiten stattfindet", äußerte sich der Verband in einer Stellungnahme.

Forderungen an die Politik

Dass es ganz ohne Sonntagsarbeit nicht geht, räumt auch die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung sein. "Wir sind ja keine Fundamentalisten", sagt Hannes Kreller, in KAB für die Allianz für den freien Sonntag zuständig. "Es geht darum, ob der Sonntag dem Menschen oder der Produktion dient." Dass Polizisten, Ärzte oder Kellner an Sonntagen arbeiten, sei unstrittig. "Aber müssen an diesem Tag auch Dachziegel oder Autoreifen hergestellt werden?" Auch die zunehmende Sonntagsarbeit im Einzelhandel stelle ein großes Problem dar, sind sich die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung und ver.di einig.

Arbeitshilfe

Unter dem Titel "Sonntag. Ein Geschenk des Himmels" hat das eine Aktionsbündnis kostenfreie Gottesdienst-Broschüre herausgegeben. Diese kann im Internet kostenlos heruntergeladen werden.

Die Politik müsse ver.di zufolge dem Schutz der Sonntage höhere Priorität einräumen. "Die Ausnahmen, die das Arbeitszeitgesetz zulassen, reichen bei Weitem aus und dürfen nicht ausgedehnt werden", sagt Dalibor.

Die christlichen Kirchen sehen ihren Auftrag darin, "für eine Werteorientierung einzutreten und Mitverantwortung für das gesellschaftliche Zusammenleben zu tragen", heißt es weiter in der Erklärung von Erzbischof Zollitsch und Präses Schneider. Zwar habe der Sonntag eine "herausragende Bedeutung als Tag der Auferstehung Christi." Doch nicht nur Christen, alle Menschen brauchten eine Zeit des Aufatmens. "Der Sonntag macht deutlich: Arbeiten und Wirtschaften sind nicht alles im Leben."

Von Christoph Meurer