"Für uns Christen ist es immer schwerer geworden"
Seit der Rückgabe Hongkongs an China 1997 genießt die ehemalige britische Kronkolonie einen Sonderstatus - normalerweise auch in Glaubensfragen. "Ich war überrascht über den Anruf", berichtet der 63-Jährige später. Er sei bereits vorher mündlich gewarnt worden. "Das war zu erwarten." Nun aber fürchte er um seine Sicherheit. Bei dem Treffen wird Woo vorgeworfen, gegen chinesisches Recht zu verstoßen, weil er auf seiner Internetseite, die er von Hongkong aus betreibt, religiöse Seminare für Chinesen anbiete. Auch wird ihm untersagt, vor chinesischen Studenten in Hongkong zu predigen. Am Ende des Gesprächs habe er ein Dokument unterzeichnet, mit dem er seine Schuld eingestehe. Er habe das getan, um Kollegen zu schützen, die in China leben.
"Für uns Christen ist es in den vergangenen Jahren immer schwerer geworden", sagt Anthony Lam vom Holy Spirit Study Center, einer Einrichtung der katholischen Diözese Hongkong. Offiziell gilt seit Ende der 1970er Jahre für fünf religiöse Bekenntnisse in China Religionsfreiheit. Allerdings müssen sich kirchliche Gruppen beim Religionsamt offiziell registrieren lassen und sich einer anerkannten und staatlich kontrollierten Kirche unterordnen.
Schärferes Vorgehen gegen Gläubige in Hongkong
Bei den Katholiken etwa ist das die regierungstreue sogenannte Patriotische Vereinigung (Catholic Patriotic Association), die den Papst nur bedingt als Kirchenoberhaupt anerkennt. Viele Gläubige haben sich deshalb zu romtreuen Hauskirchen zusammengeschlossen, die im Untergrund existieren. Sie sind seit jeher Repressalien ausgesetzt. Immer wieder, so auch in den vergangenen Wochen, werden Hauskirchen bedroht oder geschlossen.
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Am 24. Mai beten Katholiken in aller Welt für ihre Glaubensbrüder in China. Im Interview mit katholisch.de spricht Pater Martin Welling, Direktor des China-Zentrums der Steyler Missionare in Sankt Augustin und viele Jahre Missionar in Taiwan, über die Probleme und Perspektiven der katholischen Kirche in China. Außerdem blickt er auf den 25. Jahrestag des Massakers auf dem Platz des himmlischen Friedens.Neu dagegen ist die Schärfe, mit denen Peking gegen die "offiziellen" Kirchen und gegen Gläubige in der Sonderverwaltungszone Hongkong vorgeht. Die Einbestellung von Pastor Woo ist das jüngste Beispiel. Ein anderes ist die gewaltsame Abnahme von Kreuzen an Gotteshäusern in der Provinz Zhejiang und in der Region Wenzhou. Allein in Zhejiang wurden in den vergangenen zwei Jahren mehr als 1.000 Kreuze demontiert - die viele Gemeinden zuvor mit Genehmigung errichtet hatten. Immer wieder protestieren Gläubige; einige von ihnen werden festgenommen. Die katholische Diözese Hongkong forderte jetzt in einem Brief die Zentralregierung auf, die Vorgänge in der Provinz zu untersuchen und die unrechtmäßige Abnahme von Kreuzen zu stoppen.
Staatliche Warnung an religiöse Gruppen
Danach sieht es allerdings nicht aus, im Gegenteil: Bereits vor Wochen stellte Staatspräsident Xi Jinping klar, religiöse Gruppen müssten frei von äußeren Einflüssen und loyal zum sozialistischen Staat sein. Das neue Gesetz zur nationalen Sicherheit übt zusätzlichen Druck aus. So heißt es dehnbar, Bürger, die "normalen" religiösen Aktivitäten nachgingen, seien durch das Gesetz geschützt. Auch wird darauf verwiesen, dass kriminelle Machenschaften im Namen des Glaubens verfolgt würden. "Warum wird in diesem Zusammenhang nur von der Religion geredet? Warum gibt es keine Warnung an Geschäftsleute, Sportler, Akademiker, Politiker? Das ist Diskriminierung", meint Anthony Lam.
Dass solche Einschüchterungsversuche das rasante Kirchenwachstum in China stoppen können, scheint umgekehrt auch wenig wahrscheinlich. Schätzungen zufolge könnten ausgerechnet in dem kommunistischen Land im Jahr 2030 weltweit die meisten Christen leben.