Gebrandmarkte Minderheit
Mit Opferzahlen wollen sie darin "eher zurückhaltend" umgehen und verweisen auf wissenschaftliche Redlichkeit. Die Zahlen seien nicht das Entscheidende, sagte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick bei der Vorstellung in Berlin. Der für die Weltkirche zuständige Bischof erklärt: Christen seien besonders dort bedroht, "wo sie gesellschaftlich in einer Minderheitenposition sind und in einem autoritär regierten Staat leben". Religion würde oft durch die Regierungen politisch instrumentalisiert, Mehrheiten hofiert und Minderheiten "als fremdartig gebrandmarkt".
Konflikte werden religiös aufgeladen
In autoritären Staaten, in denen die Religionsfreiheit verletzt wird, gelten in der Regel auch Versammlungsrechte und Meinungsfreiheit nicht viel, heißt es in dem Bericht der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz. Und: Wo Christen aus Gründen der Religionszugehörigkeit unter Druck gesetzt werden, da trifft dieses Schicksal in aller Regel auch andere religiöse Minderheiten. "Nicht jeder Fall von brutaler Gewalt gegenüber Christen hat seine unmittelbare Ursache im Glauben an Jesus Christus", lautet ein markanter Satz aus dem Bericht.
Schick fasst zusammen: "In konkreten Konfliktsituationen geht es selten allein um den Glauben – auch wenn religiöse Motive in den Vordergrund gerückt werden". Die Länderbeispiele zeigten, "dass es oft die Konkurrenz um Zugänge zu Ressourcen ist, welche zu Konflikten führt, die dann religiös überformt oder aufgeladen werden". Dem ökumenischen Bericht sollen weitere folgen, kündigt der Erzbischof an. "Wir treten als Kirchen nicht für ein ‚Christen-Recht‘ ein, sondern für das Menschenrecht auf religiöse Freiheit".
Studie vermeidet Rangliste
Folglich vermeidet die Studie eine Rangliste der am stärksten verfolgten Religionen: Christen (2,2 Milliarden) und Muslime (1,6 Milliarden) würden schon allein wegen ihrer großen Bevölkerungszahl am meisten beeinträchtigt. Christen werden nach dem Bericht in 111 Staaten bedrängt und verfolgt: In 95 Ländern schränkten staatliche Akteure ihre Religionsfreiheit ein, in 77 Ländern wurden soziale Anfeindungen durch Gruppen oder Individuen ausgewiesen. Von Einschränkungen betroffen sind aber auch Bahais und Sufis im Iran, Ahmadiyyah in Indonesien und Pakistan, Uighuren in China, nichtorthodoxe Christen in Russland und Juden im Iran, in Ägypten, Frankreich oder Ungarn.
Der Bericht zählt Ägypten, Indonesien, Saudi Arabien, Russland, Myanmar, Iran, Vietnam, Pakistan, Indien, Bangladesch und Nigeria zu den Ländern mit den stärksten Einschränkungen der Religionsfreiheit. Die am stärksten betroffene Region ist der Mittlere Osten und Nordafrika, gefolgt vom Asien-Pazifik-Raum. Auch Europa ist nur Mittelmaß: Dafür verantwortlich ist die kritische Lage der Glaubensfreiheit in Ländern Osteuropas. Negativen Einfluss auf die Rangfolge hatte aber auch das Minarett-Bauverbot in der Schweiz.
Politiker in der Pflicht
Auch nichtstaatliche Gruppierungen schränkten Glaubensfreiheit ein, heißt es im Bericht. Indien und Nigeria machen deutlich, dass Restriktionen der Religionsfreiheit oft von starken Rivalitäten zwischen Religionsgemeinschaften herrühren. Der Verfasser der Studie, Theodor Rathgeber vom "Forum Menschenrechte", will die Christen mit dem ökumenischen Bericht aufrütteln. Sie sollten sich "religionsübergreifend für rechtsstaatliche Verhältnisse und umfassend für alle Menschenrechte einsetzen sowie an einem friedlichen Miteinander der Religionen bauen", sagte er.
Der Bericht will aber auch Politiker in die Pflicht nehmen und moniert, dass die USA und der Heilige Stuhl bislang die einzigen gewichtigen politischen Akteure sind, die die Durchsetzung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit zum institutionellen Bestandteil der Außenpolitik erhoben hätten.
Von Agathe Lukassek (mit Material von KNA)