Brandanschlag auf die Dormitio-Abtei in Jerusalem kommt nicht überraschend

Gefährlicher Zionsberg

Veröffentlicht am 27.05.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Brandanschlag

Jerusalem/Bonn ‐ Kaum hat der Papst seine Nahost-Reise beendet, erreichen die Konflikte im Heiligen Land einen neuen Höhepunkt. Am frühen Montagabend verübten Unbekannte einen Brandanschlag in der Jerusalemer Benediktinerabtei Dormitio. Die Bundesregierung hat den Anschlag verurteilt und wünscht sich eine rasche Aufklärung des Vorfalls. Dabei kam der nicht einmal überraschend, denn das Kloster auf dem Zionsberg liegt nur unweit einer Heiligen Stätte, die schon länger zu Konflikten führt.

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"Wenn ich ehrlich bin, habe ich damit gerechnet", sagt der Sprecher der Dormitio-Abtei, Nikodemus Schnabel, katholisch.de. Nur dass es so schnell passiert, sei für ihn überraschend gewesen. Am Montagabend hätten unbekannte Täter ein Fürbittbuch hinter der kleinen Chororgel entzündet, so der Pater. Dadurch fingen auch in der Nähe liegende Kreuze Feuer. Der Brand, der am Montagabend zwischen 18.30 und 19 Uhr gelegt wurde, sei jedoch zufällig von einem Mönch entdeckt worden. So konnten weitere Schäden verhindert werden. Personen seien nicht verletzt worden.

Die ersten, die ihre Solidarität bekundet hätten, seien jüdische Freunde der Abtei gewesen, erzählt Nikodemus. Ein offizieller Vertreter Israels hätte die Abtei dagegen erst im Laufe des Dienstags besucht. Als "stümperhaft" bezeichnet der Benediktiner das Verhalten von Polizei und Brandschutzbeauftragen: "In einer Pressemitteilung vermutet die Polizei einen Streit unter Mönchen. Hier werden aus Opfern Täter gemacht", sagt er. Auf den Brandschutzbeauftragen warte man in der Abtei unterdessen noch immer.

Bild: ©Dormitio-Abtei

Nach dem Feuer hinter der Chororgel der Dormitio-Abtei vom 26. Mai 2014 sieht man die Brandschäden. Am Boden liegen die kleinen Kreuze, die die Benediktiner am Karfreitag an Pilger verteilen; sie sind von Feuer und Asche gezeichnet.

"In der Höhle des Löwen"

Wie es zu dem Anschlag kommen konnte, kann sich der Abtei-Sprecher nur schwer erklären. „Wir hatten gestern noch 100 Sicherheitskräfte auf dem Zion“, so der Mönch. Der Täter habe unverschämt genug sein müssen, um sich "in die Höhle des Löwen zu wagen". Grund für die vielen Sicherheitskräfte war ein Gottesdienst, den Papst Franziskus weniger Meter von der Abtei entfernt im sogenannten "Abendmahlssaal" gefeiert hatte.

Die deutsche Botschaft in Tel Aviv erklärte am Dienstag, es müsse sichergestellt sein, "dass religiöse Einrichtungen in Israel zureichend geschützt werden, so dass sich ein solcher Vorfall in Zukunft nicht wiederholen kann". Man verurteile jegliche Form von Gewalt gegen religiöse Stätten und Vertreter religiöser Einrichtungen. Gesandte der Botschaft wollen am Dienstag die Abtei besuchen, um sich über den Hergang zu informieren.

Der Brandanschlag ist der Höhepunkt einer Reihe von Vorfällen, mit denen sich die Christen im Heiligen Land auseinandersetzen müssen. Der Abt von Dormitio, Gregory Collins, spricht vom "schlimmsten in einer Reihe von Angriffen in den vergangenen Monaten". Es sei "gefährlich geworden, hier auf dem Zion zu leben", so der Ire. "Wir als Gemeinschaft sagen deutlich, dass wir nicht das nötige Maß an Sicherheit bekommen, das wir anfragen." Es sei klar, dass die Emotionen rund um den Papstbesuch für eine solche Aktion genutzt worden seien.

In den letzten Monaten habe man die Mönche angespuckt und beschimpft, erzählt Pater Nikodemus. Außerdem seien Autoreifen aufgeschlitzt oder Hassgraffitis mit den Worten "Tot den Christen" gesprüht worden. Schon vor der Papstreise hatte der Benediktiner im Gespräch mit katholisch.de davor gewarnt, dass Christen im Extremfall für den Besuch von Franziskus "bezahlen" müssten. "Wenn das Medieninteresse abgeflaut ist und die Welt und auch der Staat Israel nicht mehr so genau hinschauen, erwarte ich eine Eskalation der Gewalt", sagte er. Grund dafür sei die Angst auf jüdischer Seite, der Papst wolle Jerusalem christianisieren und den jüdischen Charakter der Stadt beseitigen.

Der Zionsberg als Sinnbild der Angst

Zu einem der Sinnbilder dieser Angst ist – neben dem Jerusalemer Tempelberg – eben jener Zionsberg geworden, auf dem sich neben der Dormitio-Abtei auch der "Abendmahlssaal" befindet. Er erinnert an den Raum, im dem Jesus am Abend vor der Kreuzigung mit seinen Jüngern Abendmahl gefeiert haben soll. Das Problem: Das Bauwerk ist auch den Juden heilig, da unter dem Saal das Grab des biblischen Königs David vermutet wird.

Verhandlungen zwischen dem Vatikan und Israel über eine künftige Nutzung des Abendmahlssaals sehen vor, dass dort in einem engen Zeitfenster christliche Gottesdienste von allen Konfessionen gefeiert werden können. Diese Lösung ist aber noch nicht besiegelt. Einzelne jüdische Gruppen protestieren dagegen, weil sie darin eine Entweihung des Davidsgrabes sehen. Pater Nikodemus kann den Streit nicht nachvollziehen. "Wir wollen das Bauwerk eigentlich gar nicht haben", sagt er. Stattdessen will der Mönch weiterbeten: für Frieden und Versöhnung. (mit Material von KNA)

Von Björn Odendahl