Kirchenmusikdirektor Richard Mailänder über die neuen Regelungen

GEMA: "Viel zusätzlicher Aufwand für die Gemeinden"

Veröffentlicht am 02.04.2018 um 12:42 Uhr – Lesedauer: 
Die Regensburger Domspatzen bei einem Konzert.
Bild: © KNA
Kirchenmusik

Bonn ‐ Der Pauschalvertrag zwischen GEMA und Kirche wurde gekündigt. Was nun auf Gemeinden zukommt, die zeitgenössische Kirchenmusik außerhalb der Liturgie aufführen, sagt Kirchenmusikdirektor Richard Mailänder im Interview.

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Bei Aufführungen zeitgenössischer Kirchenmusik in außerliturgischen Feiern werden ab Anfang dieses Jahres GEMA-Gebühren fällig. Pfarreien, Gemeinden oder andere kirchliche Einrichtungen müssen nun auch bislang von der Meldepflicht befreite Musikstücke im Einzelverfahren bei der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) melden und für die Nutzung zahlen. Über Hintergründe und Auswirkungen spricht der Kölner Erzdiözesankirchenmusikdirektor Richard Mailänder im Interview.

Frage: Herr Professor Mailänder, wie kam es zur Kündigung des Vertrages?

Mailänder: Der Vertrag ist durch die GEMA gekündigt worden. Nachdem der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) und die GEMA bereits mehrere Jahre verhandelt hatte, konnte man sich nicht auf einen neuen Vertrag einigen.

Frage: War die Änderung absehbar oder ein Paukenschlag?

Mailänder: Für in der Gemeinde tätige Kirchenmusiker war das schon ziemlich erstaunlich, wir hatten das nicht erwartet.

Frage: Im Rahmen gottesdienstlicher Feiern dürfen auch weiterhin moderne Stücke kostenlos verwendet werden. Meldepflichtig sind nun aber "Aufführungen" urheberrechtlich geschützter Werke - Stücke also, deren Urheber noch lebt oder vor weniger als 70 Jahren verstorben ist. Welche Konsequenzen hat das, etwa für Kirchenchöre und Organisten, wenn nun außerhalb der Liturgie GEMA-Gebühren fällig sind?

Mailänder: Das neue Antragsverfahren bedeutet für die Gemeinden viel zusätzlichen Aufwand. Für die Werke, deren Rechte durch die GEMA wahrgenommen werden - und das sind schon einige - muss jede Gemeinde einzeln vorher Vereinbarungen mit der GEMA treffen: Sie muss die Aufführung jedes einzelnen Stückes beantragen und bezahlen. Außerdem müssen die Gemeinden sehen, dass sie Geld für die zusätzlichen GEMA-Ausgaben bekommen, denn das ist vielfach gar nicht einkalkuliert.

Bild: ©Privat/KNA

Richard Mailänder, Erzdiözesankirchenmusikdirektor im Erzbistum Köln.

Frage: Von welcher Größenordnung sprechen wir? Was kommt finanziell auf die Gemeinde zu, etwa wenn ein Messiaen-Stück aufgeführt wird und 150 Zuhörer erwartet werden?

Mailänder: Das kann man so konkret gar nicht sagen; das richtet sich nach einer Tabelle der GEMA. Es ist nicht entscheidend, wie viele Leute kommen, sondern für wie viele Menschen Platz in der Kirche ist. Die Summe hängt auch davon ab, ob und in welcher Höhe Eintritt erhoben wird; das ist gestaffelt. Die fällige GEMA-Gebühr kann sich in Größenordnungen zwischen 20 und - bei großen Gotteshäusern - mehreren Hundert Euro pro Aufführung bewegen. Auf diese Gebühren gibt es allerdings Rabatte.

Frage: Welche bekannten Komponisten sind nun GEMA-pflichtig?

Mailänder: Darunter fallen alle Komponisten, die noch leben oder noch nicht 70 Jahre tot sind. Dazu gehören renommierte Musiker wie Olivier Messiaen, Frank Martin, Maurice Durufle, Karlheinz Stockhausen, Igor Strawinsky, Hermann Schroeder und Heinz Martin Lonquich. Es betrifft zudem komplett das neue geistliche Liedgut; ebenso alles, was Kinder- und Jugendchöre im Repertoire haben - sie singen meistens Lieder von Komponisten aus unserer Zeit. Auch das Liedgut von Gospelchören fällt unter die Regelung. Für sie alle gelten die Urheberrechtszeiten der GEMA; es ist schon einiges, was da zusammenkommt.

Frage: Wenn es bei der neuen Regelung bleibt - welche Konsequenzen hätte das auf Dauer? Werden in Zukunft nur noch traditionelle Stücke aufgeführt? Können sich Chöre und Gemeinden nur noch wenige Konzerte leisten?

Mailänder: Die Folgen kann man schlecht absehen, und ich möchte mir sie auch gar nicht ausmalen. Ich denke, es wird einen neuen Vertrag geben und hoffe sehr darauf. Ansonsten wird es schwierig - allein der Verwaltungsaufwand ist ziemlich hoch. Beiden Seiten ist klar: Urheberrechtlich geschützte Stücke müssen bei einer Aufführung entsprechend vergütet werden. Die Rechte nimmt in Deutschland in der Regel die GEMA war. Für die GEMA ist es wichtig, ohne großen Verwaltungsaufwand Gebühren zu vereinnahmen; und auch für die Kirche ist es wichtig, dass das pauschal ohne großen Verwaltungsaufwand geschieht. Insofern haben beide Seiten ein Interesse daran, zusammenzukommen und doch noch einen Pauschalvertrag abzuschließen. Ich bin optimistisch, dass das innerhalb weniger Monate geschehen kann.

Von Angelika Prauß (KNA)