Warum Stadionkapellen kaum genutztes Potenzial für Kirche sind

Gott und die Fußballwelt

Veröffentlicht am 14.08.2015 um 13:30 Uhr – Von Julia Rathcke (KNA)  – Lesedauer: 
Bundesliga

Frankfurt  ‐ Der Fußball rollt wieder: die neue Bundesligasaison hat begonnen. Während die Stadien an jedem Wochenende voll sind, werden die Kirche immer leerer. Können Stadionkapellen eine Chance sein, die Menschen wieder an den christlichen Glauben heranzuführen?

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Man stellt sich das ja so vor: Ein prunkvoller Raum voller Reliquien, ein oller Fußballschuh vom Finalsiegtreffer auf dem Altar, die Spieler wie Jünger als Ikonen an den Wänden - und natürlich der Blick aufs Spielfeld. Das ist vielleicht auf St. Pauli so, dem Las Vegas von Fußballdeutschland. Anderswo aber, in Gelsenkirchen, Frankfurt am Main und Berlin, sind die Stadionkapellen der Bundesligisten ein Ort der Stille und Zurückhaltung. Die meisten Fußballstätten aber haben gar keine. Warum eigentlich?

Als man beim Fußball- und Sportverein FSV Mainz 05 einmal über eine Stadionkapelle nachgedacht hat, soll Kardinal Karl Lehmann gesagt haben: "Wozu? Wir haben doch den Dom." Und als der Bundesligist Eintracht Frankfurt im Januar 2007 die zu gleichen Teilen von der evangelischen und katholischen Kirche finanzierte Kapelle fertiggestellt hatte, soll sie auf Wunsch des Bistums Limburgs nicht geweiht worden sein. Begründung: Für Sakramente sollen Gläubige eben in die Kirche kommen.

Vielleicht aber muss man in Zeiten, in denen die Menschen sonntags lieber ins Stadion statt in den Gottesdienst gehen, auch über andere Möglichkeiten nachdenken. Findet zumindest der evangelische Stadionpfarrer in Frankfurt, Eugen Eckert: "Die Kirche sollte Menschen an Orten überraschen, wo die sie nicht erwarten." Gerade angesichts der steigenden Zahlen von Kirchenaustritten sei es wichtig, als Kirche nicht nur am Wegrand zu stehen, sondern mittendrin. Und wo könnte das mehr sein als in einem Fußballstadion voll pilgernder Fans, dem sogenannten Querschnitt der Gesellschaft?

Bild: ©KNA

Die Kapelle im Berliner Olympiastadion steht den Sportlern ebenso zur Verfügung wie Fans, die hier beten oder ihr Kind taufen lassen wollen.

Zuerst wusste Pfarrer Eckert gar nicht, was er in einem Stadion soll, nahm aber die halbe Stelle neben seinem Job als Studentenpfarrer der Goethe-Universität Frankfurt an. Mittlerweile ist er mit Führungen, Taufen und Trauungen in der Arena ganz schön ausgelastet. "Die Kapelle steht allen offen und alle nutzen sie - von der Ultrafanszene über Familien bis hin zum Manager", sagt Eckert. Allerdings nicht an Spieltagen. Andachten sind eine Ausnahme vor großen Spielen. "Ansonsten gibt es Fußball, Würstchen und Bier."

Und so wie Gott nicht mit Fußballturnieren vermischt wird, ist auch die Kapelle bewusst keine Kuttenkammer. Die Inneneinrichtung der Frankfurter Kapelle aus Holz, Edelstahl und Glas ist dezent, mit den Farben Rot und Schwarz habe der Künstler die Liebe Gottes und den Schmerz symbolisieren wollen, sagt Eckert. Wirklich nur zufällig seien das auch die Vereinsfarben.

Blau und Weiß kommt in der Kapelle auf Schalke zwar nicht vor, dafür aber mitunter Liebe und Schmerz. Seit 2001 liegt der Raum Gottes gegenüber dem Raum der Kicker, dem Spielfeld. "Der Verein wollte einen Ort für Rückzug, Ruhe und Besinnung schaffen", erklärt Stadionpfarrer Ernst-Martin Barth. Allein im vergangenen Jahr hat er zusammen mit seinem katholischen Kollegen hier 92 Kinder getauft, 20 Paare getraut und etliche Gedenkfeiern abgehalten, oft ist er als Seelsorger gefragt - sogar manchmal von Dortmundern.

Ein Blick von oben auf den Schalke-Fan-Friedhof in Gelsenkirchen.
Bild: ©KNA

"Blau und weiß bis in den Tod": Was als Schlachruf begann, ist mittlerweile Realität geworden. In Gelsenkirchen gibt es neben der Stadionkapelle auch einen eigenen Friedhof für Schalke-Fans.

Auch der VfL Wolfsburg baut derzeit eine Kapelle in der Volkswagen-Arena, die im Oktober öffnen soll. "Die Erfahrungen mit den Stadionkapellen auf Schalke, im Berliner Olympiastadion und in Frankfurt sind ermutigend", hieß es zu Baubeginn im Juli vom Verein. Und die evangelische Superintendentin der zuständigen evangelischen Gemeinde, Hanna Löhmannsröben, sagte: "Kirchen gehören mit ihren Angeboten dorthin, wo die Menschen sind." Die Kapelle werde im Übrigen nicht nur ökumenisch genutzt, für Muslime werde es auch eine Nische mit Gebetsteppich und dem Hinweis auf die Himmelsrichtung von Mekka geben.

Verschiedene Vereine haben die verschiedensten Fans, aber eines haben sie gemeinsam: Sie kommen ins Stadion mit ganz grundlegenden Erwartungen, Hoffnung, auch mit den großen Sinnfragen, Sehnsucht und Schmerz. Sie identifizieren sich mit dem Club, den Spielern, dem Stadion. "Sie sind dort zu Hause", sagt der Gelsenkirchener Pfarrer Barth, "und genau da müsste auch die Kirche sein." Nicht nur auf Schalke. Der Sinn einer Stadionkapelle liege darin, nicht nur die Pfiffe des Schiris, sondern auch mal die heilsamen Worte Gottes hören zu können. Und auch wenn sein Herz seit Kindertagen Schalke 04 gehöre - "es gibt mehr als auf'm Platz".

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Von Julia Rathcke (KNA)