Kirchen und Politik testen neues Verfahren bei Kirchenasyl

Härtefälle vermeiden

Veröffentlicht am 27.02.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Kirchenasyl

Berlin ‐ Marsberg im Sauerland, Eckersdorf in Oberfranken, das sächsische Bautzen - nur drei Beispiele für Orte, an denen in den vergangenen Wochen Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt wurde. Solche Fälle sollen auch künftig möglich sein: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erklärte im Gespräch mit Vertretern der beiden großen Kirchen in dieser Woche, diese Praxis nicht grundsätzlich in Frage stellen zu wollen. Die Kirchen zeigten sich am Freitag in Berlin zufrieden.

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"Uns liegt am Herzen, dass das Kirchenasyl in seiner bisherigen Form erhalten bleibt", sagte der Leiter der Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten. Nach einer wochenlangen Debatte um die wachsenden Kirchenasyl-Zahlen bewegten sich beide Seiten aufeinander zu: Das BAMF hatte erwogen, die Frist zur Überstellung von Personen im Kirchenasyl, die im Rahmen der sogenannten Dublin-Verordnung in einen anderen Mitgliedstaat abgeschoben werden sollen, von sechs auf 18 Monate zu verlängern. Die Entscheidung über die Einführung dieser verlängerten Frist ist nun aufgeschoben.

Steigerung um 500 Prozent

Deutschlandweit gibt es nach jüngsten Zahlen der "Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche" 226 Kirchenasyle mit 411 Personen, darunter 125 Kinder. Die Steigerung seit Anfang 2014 , als die Arbeitsgemeinschaft 34 Kirchenasyle zählte, beträgt damit rund 500 Prozent. Die Zahl der besonders umstrittenen Dublin-Fälle wird aktuell mit 187 angegeben.

Die Befürworter des Kirchenasyls sind der Ansicht, dass auch bei Abschiebungen nach der Dublin-Verordnung die Menschenrechte nicht immer gewahrt werden. Unter Verweis auf die Situation in Italien, Ungarn, Bulgarien und auf Malta warnt die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft vor Familientrennungen und Obdachlosigkeit. Auch werde die besondere Schutzwürdigkeit von Kindern sowie traumatisierten oder kranken Flüchtlingen nicht berücksichtigt.

Neue Form der Zusammenarbeit soll bis Herbst erprobt werden

Bis zum Herbst wollen die Kirchen und das BAMF eine neue Zusammenarbeit bei Kirchenasylfällen erproben. Dabei sollen Kirchenvertreter die Möglichkeit bekommen, Einzelfälle erneut vom Bundesamt überprüfen zu lassen, vorzugsweise noch bevor die betroffenen Personen in das Kirchenasyl aufgenommen werden.

Für die Kommunikation sollen zentrale Ansprechpartner sowohl auf Seiten der Kirchen wie auch des BAMF benannt werden. "Wir hoffen, dass dies zu einer Vermeidung von Härtefällen beiträgt", sagte der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Dutzmann.

Klar ist: Wer heute Kirchenasyl gewährt, verstößt gegen geltendes Recht. Die Behörden können - rechtlich betrachtet - Flüchtlinge aus Gemeinderäumen und Kirchen herausholen lassen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, betonte zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Hildesheim, dass sich die aktuelle Diskussion um das Kirchenasyl nicht dazu eigne, eine Grundsatzdebatte über das Verhältnis von Kirche und Staat anzustoßen.

Auch wollten die beiden großen Kirchen mit ihrem Schutz für Flüchtlinge nicht das geltende Recht aushebeln, sondern in einzelnen Härtefällen als "ultima ratio" Ermessensspielräume ausloten, um den Betroffenen unter Umständen doch noch den Verbleib in Deutschland zu ermöglichen.

Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl schlossen sich dieser Einschätzung an; auch Politiker von SPD, Grünen und Linken bekräftigten zuletzt den Wert des Kirchenasyls. Die Zahlen scheinen ihnen Recht zu geben: Nach Schätzungen dürfen 80 bis 90 Prozent derjenigen, die im Kirchenasyl waren, langfristig in Deutschland bleiben.

Von Paula Konersmann (KNA)