Eine religiöse Feierstunde am Freitag wird zur Belastungsprobe

Heftiger Gegenwind für Chiles Kardinäle

Veröffentlicht am 17.09.2015 um 15:45 Uhr – Von Tobias Käufer (KNA) – Lesedauer: 
Missbrauch

Santiago ‐ Am Freitag bittet Kardinal Ricardo Ezzati Andrello zum traditionellen Te-Deum-Gebet in Chiles Hauptstadtkathedrale. Doch zahlreiche prominente Politiker haben bereits abgesagt. Sie werfen der Kirchespitze vor, Missbrauchsskandale vertuschen zu wollen.

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Ein Termin irgendwo weit außerhalb von Santiago mache ein Kommen unmöglich, lautet die offizielle Begründung. Trotzdem vertritt die Tochter von Ex-Präsident Salvador Allende eine klare Position zur aktuellen Debatte rund um die chilenische Kirche: "Die beiden Kardinäle schulden dem Land eine Erklärung."

Guillermo Teillier, Chef der Kommunisten, ist außer Landes, lässt jedoch an seinem Standpunkt ebenfalls keinen Zweifel: Kardinal Ezzati müsse für seinen Fehler geradestehen, so wie dies auch von Militärs oder von Politikern erwartet werde. Ähnliches ist von anderen Parteichefs zu hören. Chiles Präsidentin Michelle Bachelet und das Regierungskabinett haben indes ihr Kommen zugesagt. Ein Sprecher teilt mit, das habe seit 1811 Tradition. Am kritischsten äußerte sich Chiles Ex-Präsident Eduardo Frei Ruiz-Tagle: "Ezzati ist nicht in der Verfassung, der chilenischen Kirche weiter vorzustehen", zitiert die Tageszeitung "El Mostrador" den Chilenen mit Schweizer Wurzeln.

Umfrage: 80 Prozent haben arge Zweifel an Glaubwürdigkeit der Kardinäle

Kardinal Ricardo Ezzati Andrello und Kardinal Francisco Javier Errazuriz bekommen derzeit die ganze Wucht der Empörung von Öffentlichkeit und Politik zu spüren. Laut einer Meinungsumfrage, aus der am Montag chilenische Medien zitierten, haben 80 Prozent der Befragten arge Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Kirchenführer. Was die Sache besonders brisant macht: Ezzati gilt als einer der engsten Freunde und Vertrauten von Papst Franziskus. Schon die Berufung Ezzatis zum Kardinal im Februar 2014 ließ in Chile Vertreter von Missbrauchsopfern aufbegehren. Dies sei ein falsches Signal, hieß es damals von den Opfervertretern.

Bild: ©KNA

Kardinal Ricardo Ezzati Andrello ist Erzbischof von Santiago de Chile.

Chiles Kirche wird seit einigen Jahren von mehreren Missbrauchsfällen erschüttert. Einer der brisantesten Fälle ist der Skandal um den katholischen Geistlichen Fernando Karadima Farina (84), der von den 50er-Jahren an bis 2006 in der Hauptstadt Santiago de Chile in der Jugendarbeit tätig war. Im April 2010 wurden Anzeigen von vier Opfern gegen den ehemaligen Pfarrer publik. 2011 urteilte Rom, der sexuelle Missbrauch Minderjähriger und Erwachsener durch Karadima sei erwiesen. Der Vatikan schickte den herzkranken Geistlichen in ein Kloster. Ein weltliches Strafgericht in Santiago stellte 2011 ein Verfahren wegen Verjährung ein.

Wird das Te-Deum-Gebet eine Stellungnahme in eigener Sache?

Doch der Fall lässt die chilenische Kirche nicht los. Immer wieder präsentieren Opferanwälte neue Vorwürfe und Dokumente, die die Kirche in keinem guten Licht erscheinen lassen. Vor ein paar Tagen veröffentlichten die Medien einen privaten E-Mail-Dialog zwischen den Kardinälen Ezzati und Errazuriz, der eine neue Debatte entfacht hat. Der Schriftverkehr erweckte den Eindruck, sie wollten die Nominierung eines Karadima-Opfers für die Päpstliche Missbrauchskommission verhindern. Ebenso sollte offenbar die Nominierung des Jesuitenpaters Felipe Berrios für die einflussreiche Position des Kaplans im Präsidentenpalast La Moneda vereitelt werden. Berrios hatte sich zuvor in Interviews für die Öffnung der katholischen Kirche für homosexuelle Paare ausgesprochen.

Ezzati versuchte am Wochenende, in die Offensive zu gehen: Die Äußerungen in den E-Mails seien privat gewesen, sagte der Erzbischof von Santiago. Derart aus dem Zusammenhang gerissen, vermittelten sie einen falschen Eindruck. Doch genau dieser unangenehme Eindruck verfestigt sich gerade in Chile. Mit Spannung wird nun das Te-Deum-Gebet am Freitag erwartet. Traditionell nutzen dies die lateinamerikanischen Bischöfe zur Kritik an der gesellschaftspolitischen Lage im Land. Diesmal dürfte es aber eher um eine Stellungnahme in eigener Sache gehen.

Von Tobias Käufer (KNA)