Hinwendung zu anderem
Aber egal, aus welchem Grund jemand Verzicht übt - jeder wird früher oder später an den Punkt kommen, an dem die Versuchung , doch mal zuzugreifen, riesengroß wird. Sei es nun der Empfang, bei dem ein Gläschen Sekt angeboten wird, oder die Schale mit Süßigkeiten im Büro der Kollegin. Man könnte meinen, die Verführung ist allgegenwärtig. Da kommt dann noch dazu, dass ja genau das gerade besonders verlockend ist, auf das man eigentlich gerade verzichten möchte.
Was kann in solchen Momenten helfen? Es ist hilfreich, sich zu überlegen, warum man eigentlich etwas nicht konsumieren möchte. Was steckt dahinter, in der Fastenzeit beispielsweise auf Fleisch zu verzichten? Der Gedanke an die eigene Gesundheit? Der Gedanke an das Geschöpf, das meistens nicht besonders artgerecht lebt, ehe es für uns ein Leben lässt? Oder der Gedanke an die Hungernden auf dieser Welt, die Tag für Tag ihren Hunger mit einer Handvoll Reis oder Bohnen stillen?
Nicht nur Abkehr, sondern auch Hinwendung
Fasten bedeutet ja nicht nur eine Abkehr von etwas, sondern immer auch eine Hinwendung zu etwas anderem. Und dieses Andere kann in schwachen Momenten helfen, stark zu sein und seinen Vorsätzen treu zu bleiben. Es kann aber auch helfen, nicht alleine durch die Fastenzeit zu gehen. Wer anderen erzählt, warum er fastet und worauf er verzichtet, kann leicht Unterstützung bekommen in dieser besonderen Zeit. Manchmal hilft in schwachen Momenten schon der einfache Satz eines anderen: "Wolltest du nicht...?".
Noch dazu gibt es verschiedene Angebote, die dabei helfen wollen, bewusst durch das Fasten zu gehen. Seien es nun Briefe, die digital oder analog geschickt werden, Internetforen oder Ratgeber, mit deren Hilfe man sich stärken kann, um den Sinn des Fastens nicht aus dem Auge zu verlieren und so am Ball zu bleiben.
Wer sich bewusst dazu entschlossen hat, aus religiösen Gründen zu fasten, um sich auf das Osterfest vorzubereiten, der findet noch weitere Unterstützungsmöglichkeiten im Kampf gegen die täglichen Versuchungen. Zum einen weiß sich dieser Mensch eingebunden in eine große Gemeinschaft, die weltweit in diesen Tagen und Wochen Verzicht übt. Zum anderen hat die Fastenzeit in ihrer ursprünglichen - nämlich religiösen - Dimension, den Zweck, dass der Mensch sich neu besinnt und neu ausrichtet.
So ist an den Sonntagen vor Beginn der Fastenzeit in den Evangelien oft davon die Rede, dass Jesus Dämonen austrieb und die Menschen heilte. Diese Dämonen schnitten die Menschen, die sie besetzt hielten, vom Leben ab. Genauso ist es mit diesen kleinen Annehmlichkeiten, die den Alltag vermeintlich versüßen. Auf den ersten Blick sind sie niemals dämonisch, aber vielleicht Zeitfresser oder Zerstörer von Beziehungen, weil man immer auf Kosten anderer lebt.
"Wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn, wenn Fasten, dann Fasten."
Wer hier den Mut hat zu verzichten, der macht sich frei von dem, was ihn besetzt. Da ist klar, dass das nicht ganz einfach ist, weil es vielleicht Gewohnheiten sind, die sich fest eingeschliffen haben. Wie der Dämon, der nur ungern den Menschen verlässt. Aber wer so fastet, der kann sich in schwachen Momenten noch einmal selber fragen, worum es gerade geht. Darum, das Eis in den ersten Sonnenstrahlen des Frühlings zu genießen oder es hastig zu verschlingen, weil gerade alles frustrierend ist. Und bevor man sich in die Schlange am Eisstand einreiht, kann man innehalten und sich ausrichten auf den, der das Leben ist, nämlich auf Gott selber.
Da hilft dann ein kurzes Stoßgebet, und man weiß, ob es Zeit ist zum Fastenbrechen oder ob es angesagt ist durchzuhalten. Dann schmeckt das Eis doppelt gut, und am Ende muss man sich nicht zerknirscht eingestehen, dass man es nicht geschafft hat. Weil es eine bewusste Entscheidung war, ganz nach dem Wort der heiligen Teresa von Avila: "Wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn, wenn Fasten, dann Fasten."
Von Kerstin-Marie Berretz OP (KNA)