Hoch geehrt, nicht unumstritten
Es ist der 10. August 1941, als Kriegspfarrer Lorenz Jaeger, Feldpostnummer 00131, einen Brief von Papst Pius XII. erhält: Ernennungsschreiben des 48-Jährigen zum Erzbischof von Paderborn. Jaeger, Reserveoffizier des Ersten Weltkriegs, Religionslehrer und seit 19 Jahren Priester, stellt sich nach anfänglichen Bedenken der neuen Aufgabe. Über Jahrzehnte wird der Kardinal die Kirche prägen. Doch das Verhältnis des vor 125 Jahren geborenen Kirchenmanns zum NS-Regime wirft noch immer Fragen auf.
Lorenz Jaeger wurde am 23. September 1892 in Halle an der Saale als ältestes von fünf Geschwistern geboren. Schon familiär war er mit der Spaltung der Kirchen konfrontiert: Die Vorfahren seines Vaters, eines Eisendrehers, stammten aus dem katholischen Eichsfeld, seine Mutter war evangelisch. Das Gymnasium musste er nach dem überraschenden Tod seines Vaters schon nach einem Jahr wieder verlassen; seine Mutter konnte das Schulgeld nicht mehr zahlen. In einem Waisenhaus in Oschersleben wurde er weiter unterrichtet. Auf Initiative einer Ordensschwester kam er 1907 ins sauerländische Olpe, wo er die Rektoratsschule besuchte.
Linktipp: War der Kardinal ein Kollaborateur der Nazis?
Kardinal Lorenz Jaeger war ein Vorreiter der Ökumene und eine prägende Gestalt der Kirche in Deutschland. Aber war er auch ein Nazi-Helfer? Das Erzbistum Paderborn will dieser Frage nun nachgehen. (Artikel von September 2017)Sein Theologiestudium in Paderborn und München, später auch der Philosophie in Münster, wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Jaegers Einsatz als Soldat und Offizier brachte ihm mehrere Tapferkeitsauszeichnungen ein. Nach seiner Rückkehr aus englischer Gefangenschaft im Januar 1920 setzte er sein Studium fort. Am 1. April 1922 empfing er im Paderborner Dom die Priesterweihe. Anschließend war er zunächst Vikar in der sächsischen Diaspora, ab 1926 Religionslehrer in Herne und Dortmund. Seine Lehrtätigkeit brach 1939 mit der Einberufung als Divisionspfarrer ab. Dies wiederum endete mit seiner Wahl zum Erzbischof. Jaegers Bischofsweihe am 19. Oktober 1941 vor tausenden Gläubigen wurde laut Augenzeugen "auf dem Höhepunkt des nationalsozialistischen Kirchenkampfes zu einer unerwarteten Treuekundgebung für die Kirche". Mitten im Krieg wählte er als Bischofswort "Vita et Pax - Leben und Frieden".
Verhältnis zum Hitler-Regime gilt als ungeklärt
Sein Verhältnis zum Hitler-Regime gilt Kritikern als ungeklärt. Sie halten dem Erzbischof vor, sich mindestens in seiner Terminologie den Nazis angebiedert zu haben. So sprach er 1942 in einem Hirtenbrief über Russland als "Tummelplatz von Menschen, die durch ihre Gottfeindlichkeit und durch ihren Christenhass fast zu Tieren entartet" seien. Um Licht in die unklare Lage zu bringen, werden zurzeit in zwei Projekten im Auftrag des Erzbistums Paderborn Leben und Wirken Jaegers wissenschaftlich untersucht.
Da durch die Teilung Deutschlands die Einreise in den östlichen Bistumsteil immer schwieriger wurde, ließ Jaeger auf der Huysburg bei Halberstadt ein Priesterseminar errichten. Zudem ernannte er einen eigenen Weihbischof für Magdeburg. Akzente setzte er auch mit der Gründung des Sozialinstituts "Kommende" in Dortmund, der Landvolkshochschule in Hardehausen sowie weiterer Bildungsstätten. In der Deutschen Bischofskonferenz war Jaeger unter anderem für Fragen der Diaspora sowie für die Akademiker- und Studentenseelsorge zuständig. Ein besonderes Anliegen war ihm von Anfang an die Ökumene.
Linktipp: Zwischen Pflicht und Opfer
Die katholische Kirche in Deutschland und der Zweite Weltkrieg: "Die Bischöfe waren davon überzeugt, dass der Christ der rechtmäßigen Obrigkeit zu gehorchen habe", analysiert Kirchenhistoriker Andreas Holzem. (Artikel von September 2014)1946 gründete er mit dem evangelischen Oldenburger Bischof Wilhelm Stählin einen ökumenischen Theologen-Arbeitskreis. Diesem Anliegen widmet sich auch das 1957 gegründete Johann-Adam-Möhler-Institut. Auch als Teilnehmer des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) vertrat Jaeger dieses Thema. So wurde er vom Papst in das neugegründete Sekretariat für die Einheit der Christen berufen, an dessen Vorbereitung er maßgeblich beteiligt war.
Der Erzbischof, der noch mit über 80 Jahren dem Erzbistum Paderborn vorstand, erhielt zahlreiche Ehrungen, nicht zuletzt 1965 die Kardinalswürde. Er war Ehrendomherr des französischen Partnerbistums Le Mans und Träger des Bundesverdienstkreuzes. Und für den Bau einer Kirche und Schule in Jordanien verlieh ihm König Hussein 1969 den Staatsorden "Stern von Jordanien". Lorenz Jaeger starb am 1. April 1975, am 53. Jahrestag seiner Priesterweihe.