"Ich bin kein Ordensgeneral"
Am Freitag endet die Amtszeit von Notker als Abtprimas der weltweit rund 20.000 Benediktiner. Im Interview mit katholisch.de verrät er, wie er sein Amt versteht, was das Erfolgsrezept der Benediktiner ist und berichtet, wie die Weltkirche die Katholiken in Deutschland wahrnimmt. Außerdem erklärt er, was es mit seinem Vorschlag auf sich hat, "bewährte verheiratete Männern" zur Priesterweihe zuzulassen.
Frage: Pater Notker, als Abtprimas der benediktinischen Konföderation waren Sie auch Abt von Sant’Anselmo in Rom und für die dortige Hochschule verantwortlich. Was waren da Ihre Aufgaben und was hätten Sie lieber anders gemacht?
Wolf: Wir haben die Abtei zu einem guten Teil saniert, was in Rom immer zu Verzögerungen wegen des Denkmal- und Archäologieamts führt. Weil die einzelnen Klöster selbstständig sind habe ich immer wieder Gelder für dieses Projekt gesucht. Was auch gelungen scheint, ist die Modernisierung unserer Hochschule Sant’Anselmo. Die Studentenzahlen sind in vier Jahren von 320 auf 540 angestiegen. Die dritte Aufgabe war, den Orden zu verlebendigen, aber das habe ich nicht in der Hand, da ich kein Ordensgeneral bin. Dennoch haben wir viele Klöster dazu gebracht, zusammenzuarbeiten. Was ich anders gemacht hätte, kann ich nicht sagen, denn es war immer so, dass ich einen anderen Weg gesucht habe, wenn etwas nicht gelungen ist. Die Vision blieb, wurde aber der jeweiligen Situation angepasst.
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Noch ist Abtprimas Notker Wolf Chef von 20.000 Benediktinern weltweit, doch Anfang September endet seine Amtszeit. Jetzt hat er verraten, was er danach vorhat.Frage: Sie waren 16 Jahre lang der oberste Repräsentant von 20.000 Benediktinerinnen und Benediktinern weltweit. Auch in Deutschland haben sie – verglichen mit anderen Orden – noch relativ viel Zulauf. Woran liegt das?
Wolf: Ich denke, dass unsere gut funktionierende Gemeinschaft junge Menschen anzieht: Bei uns herrscht Begeisterung, es gibt gute zwischenmenschliche Kontakte, und das – gemeinsam mit einer einfachen aber schönen Liturgie sowie solider Arbeit – zieht schon immer Leute an, auch in der Gegenwart. Vielleicht spielt es auch eine Rolle, dass wir Benediktiner nicht für eine bestimmte Aufgabe gegründet worden sind. Wir sind Menschen, die das Evangelium und die Nächstenliebe gemeinsam leben wollen.
Frage: Sie haben benediktinische Ordensleute auf der ganzen Welt besucht. Alle leben nach der Regel des Benedikt von Nursia. Gibt es dennoch regionale Unterschiede?
Wolf: Ja und nein. Wenn ein Kloster länger an einem Ort fest verankert ist, dann kommt es zu einer Art Osmose mit der umliegenden Kultur: Die Kultur beeinflusst das Denken der Klöster und umgekehrt. Ein amerikanisches Kloster ist etwas anderes als ein französisches. In den USA liegt ein Fokus auf großen Schulen und Universitäten, in denen etwa Priesteramtskandidaten aus bis zu 25 Diözesen studieren. Ein Kloster in Frankreich ist da viel kontemplativer, während die Deutschen und Österreicher immer etwas werkeln wollen. Die Engländer und Österreicher haben zusätzlich noch ihre Pfarreien und Schulen, die sie betreuen – das ist zum Teil auch historisch bedingt.
Und trotzdem spürt man überall den benediktinischen Stallgeruch: Überall werden das Chorgebet sowie gemeinsame Mahlzeiten und Rekreation, also Gespräche und Kartenspiel, gemeinschaftlich gepflegt. Was die Benediktiner weltweit vereint, ist die gleiche Ausübung des Abtamts: Benedikt lebte zwar in einer patriarchalischen Gesellschaft, war aber eine Art geistlicher Vater. Im Mittelalter wurden Äbte dann jedoch eher zu Prälaten und absolutistischen Fürsten. Doch seit etwa 40 Jahren ändert sich das Bild wieder zu einem geistlichen Vater der Gemeinschaft. Der muss heutzutage aber natürlich auch managen können.
Frage: Sie hatten bei Ihren vielen Reisen praktisch die ganze Weltkirche kennengelernt. Was hat die Kirche in Westeuropa schon von der Kirche in anderen Weltregionen gelernt?
Wolf: Was ich von den anderen konkret lernen kann, ist eine deutsche Frage. Wenn man miteinander lebt, lernt man automatisch, wie es der andere macht. Das muss man nicht direkt ein Programm 'das muss ich jetzt lernen' fassen. Was bei uns heraussticht, ist, dass wir Kirche immer als Institution sehen. Das ist etwas sehr Deutsches. Dagegen wird Kirche andernorts als große Glaubensfamilie angesehen, wo man die Kirche lokal in der Pfarrei oder Diözese erfährt. Ein Beispiel dafür ist vielleicht das Wort Kirchenaustritt, das etwa in Italien unbekannt ist, denn als getaufte Person kann man nicht austreten, sondern sich höchstens von der Kirche abwenden.
Frage: Sie treten dafür ein, dass verheiratete Männer als "viri probati" zu Priestern geweiht werden. Das klingt auch nach einer deutschen Idee. Ist das in anderen Teilen der Welt ein Thema? Was sagen Ihre Mitbrüder dort zu der Idee?
Wolf: Ich habe das nicht groß mit anderen Mitbrüdern diskutiert, aber in anderen Ländern anderes erlebt. Zum Beispiel haben Katecheten in Afrika Leitungsfunktionen in den Pfarreien. Die 5.000 Katholiken einer Pfarrei wohnen weit verstreut, da kann ein Pater oder Priester nicht jeden Sonntag zelebrieren. Dort muss man Wortgottesdienste feiern, die der Katechet hält. Ähnlich habe ich es in Haiti erlebt. Da war ich am Wochenende auf einem Muli durch die Berge zu fünf Basisgemeinden unterwegs, einer Pfarrei mit 50.000 Gläubigen. Die haben seit vier Jahren keinen Priester mehr gesehen und werden von zwei Schwestern betreut. Da läuft einiges anders als in Europa und ich glaube, dass der Papst diese Not sieht. Bei uns fehlen die "viri probati"; das ist ein Weg, aber sicher nicht der einzige Ausweg. Wir sehen auch bei unseren evangelischen Schwestern und Brüdern, dass es auch dort nicht einfach ist.
Frage: Was sind Ihre Gründe für eine Weihe von "bewährten verheirateten Männern"?
Wolf: Ich sehe keinen Grund dagegen, sie nicht zu weihen und zu Gemeindeleitern zu machen. Das entspricht auch dem, was wir in den Pastoralbriefen des Neuen Testamentes lesen. Ein Geistlicher soll nur einmal verheiratet gewesen sein, er soll beweisen, dass er seine Familie gut im Schuss hat und seinen Beruf gut gemacht hat – das sind ja die "viri probati – Männer, die sich bewährt haben". Ich sehe da kein großes Problem. Man muss aber bedenken, dass die Geschichte anders gelaufen ist und es jetzt nicht so einfach ist, das wieder umzudrehen. Da stecken viele Emotionen dahinter und es werden viele Gründe dagegen gebracht – das kann ich auch wiederum verstehen. Wir brauchen einfach etwas mehr Geduld.