Dominikaner pflegen den christlich-islamischen Dialog

"Ich liebe die Muslime, weil sie Gott lieben"

Veröffentlicht am 03.01.2016 um 00:01 Uhr – Von Marion Krüger-Hundrup (KNA)  – Lesedauer: 
Interreligiöser Dialog

Bonn ‐ Schon seit vielen Jahrhunderten pflegen Dominikaner den Dialog mit dem Islam und waren ihrer Zeit lange voraus. Auch heute sind die Ordensleute in vielen islamischen Ländern präsent und suchen Begegnungen mit Muslimen.

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Zu der Zeit, als der radikale Islam hervorzutreten begann, war dieser Dominikaner einer der ersten, die den Dialog der Kulturen und Zivilisationen für die Gestaltung einer besseren Welt pflegten.

"Ich liebe die Muslime, weil sie Gott lieben", sagte Anawati einmal. Das war kein Ausdruck von Naivität oder Leichtgläubigkeit, sondern von tiefer Kenntnis und Respekt. "Die Muslime haben Verstand, und ihre Religion ist eine stabile Religion. Die Religion kann nicht zu Zerstörung oder Ähnlichem auffordern, das gibt es nicht!", widerlegte Georges Anawati weitsichtig islamistische Parolen heutiger Zeit.

Dieser Dominikaner des 20. Jahrhunderts, der mit weiteren namhaften Mitbrüdern den christlich-islamischen Dialog in Ägypten führte, stand dabei in der Tradition seines Ordens, der vor 800 Jahren, am 22. Dezember 1216, durch Papst Honorius III. in einer Bulle bestätigt wurde. Der Heilige Dominikus (um 1170-1221) hatte den Predigerorden - Ordo praedicatorum - ins Leben gerufen.

Der heilige Dominikus.
Bild: ©picture-alliance/akg-images/Joseph Martin

Der heilige Dominikus.

Er gründete den Orden in einer Zeit, als Europa ein Konglomerat von verschiedenen Kulturen, Religionen und Herrschaftsformen war. Dominikus und seine Wanderprediger nahmen diese Herausforderung an und suchten, darauf zu antworten. Und zwar gerade auch in einer philosophischen und theologischen Auseinandersetzung mit dem Islam und den islamischen Wissenschaften.

Praktisches Erfahrungswissen

Durch karitative Arbeit in muslimischen Gesellschaften sammelten Dominikaner und Dominikanerinnen praktisches Erfahrungswissen. Auch in der Theologie setzten sie Zeichen. So griff etwa der große dominikanische Theologe Thomas von Aquin auf griechische Philosophen zurück, zu denen ihm die muslimischen Philosophen Avicenna und Averroes das Tor öffneten. Seine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Islam fasste Thomas von Aquin in der "Summa contra gentiles" zusammen.

Schon im 13. Jahrhundert gründete der dritte Ordensmeister Raimund von Penyafort in Toledo eine Sprachenschule, an der Dominikaner Arabisch lernen sollten, um sich eingehender mit dem Koran und den arabischen Quellen zu beschäftigen. "Diese lange Tradition der Beschäftigung des Ordens mit dem Islam hatte immer ihre Höhen und Tiefen", weiß Pater Richard Nennstiel, Leiter des Dominikanischen Instituts für christlich-islamische Geschichte (DICIG) in Hamburg. Schon früh habe es sich gezeigt, dass es in den christlich-islamischen Beziehungen nicht nur um theologische Probleme gegangen sei, sondern dass auch politische Interessen mitspielten und "der Dialog immer von der politischen Wetterlage abhängig war", so Pater Nennstiel.

Er weist auf die Beschlüsse des Generalkapitels seines Ordens aus dem Jahre 1986 in Avila hin. Demnach gehört der Dialog mit anderen Religionen und Kulturen zu einer wesentlichen Aufgabe des Dominikanerordens. Pater Nennstiel zitiert aus den Beschlüssen zur heutigen Mission des Ordens: "Der Dialog erfordert eine Grundhaltung des Hörens und ein Eingehen auf andere Kulturen, frei von jedem Kolonialismus, Imperialismus und Fanatismus."

Perspektiven entwickeln

In dieser Grundhaltung sind Dominikaner in vielen islamischen Ländern präsent - zum Beispiel in Ägypten, Iran, Pakistan, im Irak oder in der Türkei. Freimütig räumt Institutsleiter Nennstiel, der in engem Kontakt zu den Konventen in diesen Ländern steht, Schwierigkeiten im interreligiösen Dialog ein: "Mancherorts scheint das Scheitern dieses Prozesses offenkundig zu sein."

Linktipp: Der Orden der Dominikaner

Streng und asketisch leben und dabei den Intellekt für Gott zu schulen, das war das Hauptanliegen des heiligen Dominikus (1170- 1221). Die besten intellektuellen Köpfe der damaligen Zeit ließen sich durch den attraktiven neuen Orden anziehen.

Denn politische, gesellschaftliche, religiöse und historische Faktoren würden die christliche Präsenz besonders im Mittleren und Nahen Osten bedrohen. Da sei es notwendig, mögliche Perspektiven für die Zukunft des interreligiösen Dialogs zu entwickeln, die sich nicht nur auf Europa richten dürften. "Dialog muss immer auch einen selbstkritischen, selbstreflektierenden Ansatz haben", betont Dominikaner Nennstiel. Es sei zu einfach, den Glauben nur in seinem theoretischen System zu betrachten und die Tatsachen des gelebten, real existierenden Glaubens zu vernachlässigen.

Den Dominikanern in den islamischen Ländern gehe es in ihrer Präsenz nicht um "Verwestlichung", sondern darum, den Glauben an Christus gegenwärtig zu halten und ein Gespräch über den Glauben anzubieten sowie Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zu entdecken. Pater Nennstiel hält den Begriff des Dialogs für nicht unproblematisch: "Er impliziert ein Ergebnis, eine Lösung." Vielleicht wäre der Begriff "Begegnung" besser, meint der Pater, Begegnung zum gegenseitigen Kennenlernen im Respekt vor dem Glauben des anderen und in Anerkennung der Differenz von Christentum und Islam.

"Mit einem muslimischen Gläubigen fühle ich mich wie mit einem Bruder. Kein Unterschied weiter. Du bist so, Gott schenkte Dir Deinen Glauben, und mir schenkte er meinen, Schluss!", bekannte Pater Georges Anawati. Und: "Ich sage Dir: Bleib Muslim, aber ein aufgeklärter. Und ich bin ein aufgeklärter Christ, denn unter uns gibt es auch Fanatiker." Mit den Worten von Pater Richard Nennstiel klingt diese dominikanische Position so: "Auch wenn Christen und Muslime in Fragen der Glaubensinhalte unüberbrückbare Differenzen trennen, so gibt es doch im praktischen Handeln im Blick auf Gerechtigkeit und Verantwortung vor Gott ähnliche Sichtweisen."

Von Marion Krüger-Hundrup (KNA)