"Ich wollte niemanden verletzen"
Huonder hatte unter anderem Bibelstellen aus dem alttestamentlichen Buch Levitikus zitiert. Darin werden sexuelle Handlungen zwischen Menschen gleichen Geschlechts als "Gräueltaten" bezeichnet, die "mit dem Tod bestraft" werden. Diese zitierten Passagen allein, so Huonder in seinem Vortrag am 31. Juli, "würden genügen, um der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben".
Pastorale Liebe gegenüber homosexuellen Menschen
Im aktuellen Interview sagte der Bischof jetzt, die Ausführungen seien "rein akademisch-theologisch" gewesen: "Die Leute haben nicht meinen Vortrag interpretiert, sondern das, was ihnen von den Medien vorgesetzt wurde." Wer den ganzen Abschnitt lese, könne nicht sagen, er hätte die Todesstrafe gefordert. Nach den alttestamentlichen Zitaten habe er von der pastoralen Liebe gegenüber homosexuellen Menschen gesprochen. "Das hat man ausgeblendet und das Todesstrafe-Zitat wie meine persönliche Gesinnung dargestellt", hob Huonder hervor.
Seine Rede von der "Wende" sei eine Anspielung auf die kommende Bischofssynode in Rom. Bei dieser gehe es laut Vorbereitungsdokument um eine "pastorale Wende", die einen neuen seelsorglichen Zugang zu bekannten Themen wie beispielsweise Homosexualität beinhalte. "Mir ging es darum, dass wir als Christen verstehen, wie drastisch das Alte Testament an einigen Stellen spricht. Das macht uns bewusst, was das Neue Testament und Jesus Christus uns gebracht haben", erklärte der Bischof. Für Jesus sei es nicht infrage gekommen, dass die Ehebrecherin gesteinigt wurde, und das komme auch für ihn nicht infrage. Die zitierten alttestamentlichen Stellen seien zwar Wort Gottes, aber sie müssten interpretiert und in unsere Zeit geholt werden, so Huonder weiter.
"Ich bin ein Bischof, der 100 Prozent zur Lehre der Kirche steht. Manchmal mache auch ich Fehler, dann stehe ich dazu", sagte der 73-Jährige. Er betonte: "Wenn der Katechismus der katholischen Kirche sagt, homosexuelle Menschen seien zur Enthaltsamkeit aufgerufen, dann ist das für mich als Bischof bindend. Es gilt für alle Bischöfe. Da bin ich nicht isoliert." Huonder kritisierte die Medien, die vieles ignorierten, was etwa auch Papst Franziskus über den Teufel, die Ablehnung der Abtreibung oder der Homo-Ehe sage.
Öffentliches Bild von den Medien beeinflusst
Wie jemand öffentlich ankomme oder nicht, werde mit von den Medien beeinflusst, fuhr er fort. Der Bischof bemängelte zudem, dass die Gesellschaft sich immer mehr von christlichen Grundpositionen entferne und gab als Beispiele neben der Abtreibung auch Sterbehilfe und PID an. "Der Graben geht eigentlich mitten durch das Volk, weil auch viele Menschen zum kirchlichen Lehramt stehen", räumte er ein.
Die von der Schweizer Schwulenorganisation "Pink Cross" eingereichte Strafanzeige wegen Hetze wolle Huonder nicht kommentieren, weil es sich um ein "laufendes Verfahren" handele. Ebenfalls am Donnerstag verschickte er einen dreiseitigen Brief an alle Priester, Diakone und Mitarbeiter des Bistums Chur. Laut dem Internetportal "kath.ch" hob der Bischof auch darin hervor, die zitierten Bibelstellen seien nicht als seine persönliche Meinung zu verstehen. In der Sache bleibe er dem katholischen Katechismus treu.
Die Internetseite des Bistums Chur war am Donnerstagmittag nicht erreichbar. "Seit Dienstag haben wir technische Probleme mit der Homepage", zitierte "Blick" einen Bistumssprecher. Ein Hackerangriff sei nicht ausgeschlossen. Am Abend war die Seite und der Bischofsbrief wieder zugänglich. (jml/KNA)
13.08.2015, 19:05 Uhr: aktualisiert um die wieder erreichbare Bistumsseite.