Mehr Transparenz bei Transplantationen gefordert

Immer weniger Organspender

Veröffentlicht am 07.06.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Medizin

Bonn ‐ Das Jahr 2012 wird wohl als das schwärzeste in die Geschichte der Organspende eingehen. Nach Bekanntwerden von Manipulationen bei der Vergabe ist die Zahl der Organspender kontinuierlich gesunken . Umso schwerer hat es da der bundesweite Tag der Organspende, der dieses Jahr in Stuttgart stattfindet und auf die Notwendigkeit von Spenderorganen aufmerksam machen will.

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Der Trend bleibt negativ: Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) brach die Zahl von Organspendern 2013 um 16 Prozent auf 876 ein - der niedrigste Wert seit der Verabschiedung des Transplantationsgesetzes 1997. Die meisten Menschen in Deutschland seien zu einer Organspende bereit, zitiert die DSO aus einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Aber nur 28 Prozent haben laut der Umfrage einen Organspendeausweis ausgefüllt – und das trotz verschickter Exemplare seitens der Krankenkassen. Nach DSO-Angaben stehen derzeit rund 11.000 Patienten in Deutschland auf der Warteliste für eine Organspende.

Spendeausweis kann Angehörigen Gewissheit geben

Anlässlich des Tages der Organspende hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zu einer größeren Spendenbereitschaft aufgerufen. Eine solche Spende könne Leben retten, sagte Gröhe am Freitag zum Start der Kampagne 2014 in Berlin. Er wolle Menschen zum Tragen eines Spendeausweises motivieren, so Gröhe weiter. Das Dokument gebe auch den Angehörigen die Gewissheit, in einer schwierigen Situation das Richtige zu tun. Die Kampagne steht unter dem Motto "Ich entscheide. Informiert und aus Verantwortung".

Bild: ©Gerhard Seybert / Fotolia.com

Ein Mann füllt einen Organspendeausweis aus.

Zugleich räumte Gröhe ein, dass in den vergangenen Jahren durch "schwerwiegendes Fehlverhalten" viel Vertrauen zerstört worden sei. "Wir brauchen einen langen Atem, um das wiederherzustellen". Er verteidigte aber die derzeit bestehenden Regelungen bei der Organspende. Die Spende eines Organs müsse auch künftig freiwillig bleiben. Er hoffe, dass die Aufklärungskampagne im Rahmen der "Entscheidungslösung", bei der die Krankenkassen ihre Mitglieder regelmäßig nach ihrer Spendenbereitschaft fragen, künftig noch stärker greife.

Paten der Organspendekampagne sind unter anderem der Schauspieler Klaus J. Behrendt, die Moderatoren Sonya Kraus und Markus Lanz, der Komiker Ralf Schmitz und Olympiasieger Matthias Steiner. Auch die Kirchen werben mit einem ökumenischen Gottesdienst in Stuttgart für den Tag der Organspende. Schon 1990 haben sich die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland für Organspende ausgesprochen. Sie sei ein für viele hoffnungsstiftender Weg, um Leben zu retten. Gleichzeitig gelte jedoch das Prinzip der Freiwilligkeit: Niemand dürfe zur Spende gezwungen werden.

Mehr Transparenz bei Organtransplantationen gefordert

Die Gründe für den Rückgang an Spendern seien vielschichtig, sagt DSO-Sprecherin Birgit Blome in Frankfurt anlässlich der vorgestellten Zahlen. "Sicher spielt immer noch die Verunsicherung durch die Manipulationen der Wartelisten an einigen Kliniken eine Rolle." Darüber hinaus gebe es möglicherweise aber auch andere Gründe wie zum Beispiel die Strukturen in Krankenhäusern.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert – auch im Zuge des Manipulationsskandals - mehr Transparenz bei Organtransplantationen . Die zentrale Frage sei, ob es bei der Verteilung der Organe gerecht zugehe, sagte ihr Vorstand Eugen Brysch Anfang der Woche den "Stuttgarter Nachrichten". "Die Bevölkerung will sicher sein, dass die Regeln für die Organspende für alle Empfänger gleich sind." Dazu müsse auch klar geregelt werden, an welche Gerichte sich Schwerstkranke wenden können, wenn sie eine Arztentscheidung überprüfen lassen wollen. Derzeit würden sich Verwaltungs-, Sozial- und Landgerichte gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben.

Gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur bezeichnet Brysch die Organspende als "offenkundig schwer krankes System". Es sei an der Zeit, dass die große Koalition und der Bundestag Verantwortung übernähmen. Dies bedeutet laut Brysch vor allem Rechtssicherheit für die Schwerstkranken auf der Warteliste sowie ein Ende der Konkurrenz unter den Transplantationszentren. Außerdem müsse der Bundestag Richtlinien für die Vergabe der Organe verabschieden, einschließlich einer Regelung für privat zahlende Ausländer. Die Kontrolle über die Organspende müsse allein beim Staat liegen, nicht bei beteiligten Institutionen wie der DSO. (Mit Material von KNA und dpa)

Von Sophia Michalzik

Stichwort: Organspende

In Deutschland warten rund 11.000 schwer kranke Menschen auf ein lebensrettendes Spenderorgan, etwa 8.000 von ihnen auf eine Niere. Alle acht Stunden stirbt laut Deutscher Stiftung Organtransplantation (DSO) einer von ihnen, weil kein Organ rechtzeitig zur Verfügung steht. Am Tag der Organspende wird unter dem Motto "Richtig. Wichtig. Lebenswichtig!" über Organspenden informiert. (dpa)

Fragen und Antworten zur Organspende

Welche Organe können gespendet werden? Niere, Leber, Herz, Lunge, Bauschspeicheldrüse und Dünndarm können von einem verstorbenen Spender übertragen werden. Außerdem lassen sich Gewebe wie Hornhaut oder Knochen verpflanzen. Ein einzelner Organspender kann bis zu sieben schwer kranken Menschen helfen. Neben der Spende nach dem Tod ist es möglich, eine Niere oder einen Teil der Leber bereits zu Lebzeiten zu spenden. Lebendspenden sind aber nur unter nahen Verwandten und einander persönlich eng verbundenen Personen zulässig. Welche Voraussetzungen gelten für eine Organspende? Damit Organe nach dem Tod entnommen werden können, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Es muss eine ausdrückliche Zustimmung des Spenders oder der Angehörigen vorliegen und der Hirntod muss eindeutig festgestellt worden sein. Wie gelangt das Organ vom Spender zum Empfänger? Eine Organentnahme nach dem Tod ist in jedem der rund 1.300 deutschen Krankenhäuser mit Intensivstation durchführbar. Die Krankenhäuser sind verpflichtet, einen Transplantationsbeauftragten zu ernennen. Er informiert dann die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO). Sie vermittelt unabhängige Fachärzte, die die Hirntoddiagnostik durchführen. Zudem veranlasst der Koordinator Untersuchungen der Organe auf Erkrankungen und Infektionen. Die Untersuchungsergebnisse zu Spender, Blutgruppe und Gewebemerkmalen leitet der Koordinator an die europäische Organvermittlungsstelle Eurotransplant weiter, die mit Hilfe der Daten der Patienten auf der Warteliste die passenden Empfänger ermittelt und die zuständigen Transplantationszentren informiert. Die Zentren, von denen es derzeit 47 in Deutschland gibt, verständigen den Empfänger und führen die Transplantation durch. Nach welchen Kriterien werden die Organe vergeben? Für die schwer kranken Patienten werden Wartelisten geführt und Punkte vergeben, deren Kriterien die Bundesärztekammer festlegt. Die Platzierung der Patienten richtet sich vor allem nach den medizinischen Kriterien der Erfolgsaussicht und der Dringlichkeit einer Transplantation. Auch werden die Gewebeverträglichkeit und die Wartezeit gewichtet. Wie sollen Manipulationen verhindert werden? Nach den ersten bekanntgewordenen Unregelmäßigkeiten hatte die Bundesärztekammer 2012 schärfere Kontrollen beschlossen. Danach soll eine interdisziplinäre Transplantationskonferenz am jeweiligen Behandlungszentrum darüber entscheiden, ob ein Patient auf die Warteliste aufgenommen wird. Damit wurde das "Mehraugenprinzip" umgesetzt. Der Bundestag beschloss im Juni 2013 eine Änderung des Transplantationsgesetzes. Es sieht für Ärzte, die Manipulationen an Wartelisten vornehmen, eine "Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe" vor. Zudem muss sich die Bundesärztekammer die Richtlinien, nach denen Organe vergeben werden, künftig vom Gesundheitsministerium genehmigen lassen. (KNA)