In Erdogans Märchenpalast
Zufällig war ausgerechnet er der erste Staatsgast in Erdogans "Weißem Palast", der wegen seiner immensen Kosten, seines pompösen Stils und einer fehlenden Baugenehmigung in die Schlagzeilen geraten war. "Der Papst kommt, wie jeder höfliche Menschen, dorthin, wo der Präsident ihn empfängt", Vatikansprecher Lombardi vor der Reise gesagt.
Doch Franziskus ließ sich zu Beginn seiner dreitägigen Türkei-Reise von dem mächtigen Bau nicht einschüchtern. Seine Rede vor Spitzenvertretern aus Staat und Gesellschaft hatte es in sich. Der Papst sprach die Diskriminierung der Christen im Land sowie der Religionen überhaupt offen und mutig an. Zugleich hob er im Beisein von Erdogan den Wert der Meinungsfreiheit hervor. Es sei grundlegend, "dass die muslimischen, jüdischen und christlichen Bürger - sowohl in den gesetzlichen Bestimmungen wie auch in ihrer tatsächlichen Durchführung - die gleichen Rechte genießen und die gleichen Pflichten übernehmen".
Franziskus machte schon zu Anfang seiner Rede deutlich, dass die Türkei nicht nur von den Lehren des Propheten Mohammed und des Staatsgründers Atatürk geprägt wurde. "Dieses Land ist jedem Christen als Geburtsort des heiligen Paulus teuer , der hier mehrere Gemeinden gegründet hat", lautete sein zweiter Satz. Dann verwies er auf die sieben ökumenischen Konzilien, die alle in der Türkei tagten, und auf das "Haus der Maria", das als Wallfahrtsstätte nahe Ephesus von Christen und Muslimen verehrt werde.
"Sei nicht willkommen"
Franziskus sprach auch die Konflikte in den Nachbarländern Syrien und Irak an. Mit Blick auf die Terrormiliz " Islamischer Staat " bekräftigte seine frühere Aussage, dass ein " ungerechter Aggressor " gestoppt werden müsse. Dies müsse jedoch immer in Einklang mit dem internationalen Recht erfolgen. Franziskus hob auch die große geopolitische Bedeutung hervor, die der Türkei für die Beilegung der Konflikte zukomme.
Erdogan kritisiert Islamfeindlichkeit in westlichen Ländern
Die Religions- und die Meinungsfreiheit förderten das gegenseitige Verständnis zwischen den Religionen und seien ein "beredtes Zeichen des Friedens", erklärte der Papst. Europa und der Nahe Osten erwarteten eine solche Entwicklung. Zugleich lobte er die Türkei für ihre großzügige Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak. Die internationale Gemeinschaft als Ganze habe eine "moralische Verpflichtung" dazu, betonte der Papst.
Erdogan kritisierte hingegen eine wachsende Islamfeindlichkeit in westlichen Ländern. Dort wachse die Tendenz, den Islam mit Gewalt, Terrorismus und Intoleranz gleichzusetzen. Viele Muslime würden Opfer von Hass, Übergriffen und Diskriminierung. Den Besuch von Franziskus nannte er ein Symbol der Hoffnung.
Der Empfang in der Türkei fiel kühl bis ablehnend aus. Die Bevölkerung nahm kaum Notiz von dem Gast aus Rom. Die Straßenränder blieben weitgehend menschenleer. Das Publikum der offiziellen Begrüßungszeremonie vor dem Präsidentenpalast bestand nur aus Soldaten, Journalisten und einer Handvoll Politiker. Über dem Geschehen schwebte eine Drohne. Die islamistische Presse äußerte offen ihre Abneigung gegen den Papst. "Sei nicht willkommen", titelte die Zeitung "Milli Gazete", das Sprachrohr der islamistischen Glückseligkeitspartei (SP).
Favorit türkischer Taxifahrer
Weil der Vatikan damit gerechnet hatte, dass der Papst keine Massen anziehen würde, war der offene Geländewagen, den Franziskus sonst so gerne verwendet, von vorneherein im Vatikan geblieben. Auch der schwarze VW Passat, mit dem er sich vom Flughafen zum Präsidentenpalast begab, war ungewohnt für diesen Papst, der Kleinwagen bevorzugt. Die türkische Regierung soll laut Medienberichten jedoch den vatikanischen Wunsch nach einem Fiat Albea abgelehnt haben. Der kleine Viertürer ist der Favorit türkischer Taxifahrer und wird im Land produziert.