"In solidarischer Weise Anteil nehmen"
Frage: Kardinal Koch, welche Bedeutung hat nach Ihrer Einschätzung das panorthodoxe Konzil?
Koch: Die hohe Bedeutung besteht darin, dass die 14 autokephalen orthodoxen Kirchen zeigen und feiern können, dass sie eine Kirche sind. Darin wird die Einheit der Weltorthodoxie sichtbar. Ein Konzil, bei dem alle diese 14 Kirchen zusammenkommen und gemeinsam beraten, eignet sich dazu in ganz besonderer Weise.
Frage: Was ist das Ziel des Treffens?
Koch: Es will erstens zeigen, festigen und wieder neu bewusst machen, dass es letztlich eine Kirche ist. Wir reden immer - im Plural - von den orthodoxen Kirchen, im Grund ist es aber eine orthodoxe Kirche. Zweitens will es die Synodalität betonen. Patriarch Bartholomaios I. unterstreicht ja immer wieder die starke synodale Tradition der Orthodoxie.
Frage: Nach den Diskussionen der vergangenen Tage innerhalb der Orthodoxie scheint das Zustandekommen des Konzils noch immer fraglich. Gehen Sie davon aus, dass es jetzt stattfindet?
Koch: Ich gehe hoffnungsvoll davon aus. Ich hoffe, dass die aufgetretenen Differenzen bereinigt werden können. Es wäre ein ganz schwieriges Zeichen, wenn es nicht stattfinden könnte. Ein Konzil ist schließlich auch dazu da, dass man Meinungsverschiedenheiten bereinigt. Ich bin zuversichtlich, dass es stattfinden kann.
„Es versteht sich von selbst, dass die katholische Kirche bei einem für die Orthodoxie so wichtigen Ereignis in sympathischer, solidarischer Weise Anteil nimmt.“
Frage: Im Vorfeld wurde als Ziel eine "Föderation von Kirchen" genannt. Wie sehen Sie das?
Koch: Ich würde eher von einer Gemeinschaft sprechen. Denn alle diese orthodoxen Kirchen stehen ja in Kommuniongemeinschaft miteinander. Das ist viel mehr als eine Föderation.
Frage: Befindet sich die Orthodoxie jetzt an dem Punkt, an dem die katholische Kirche Anfang Oktober 1962 stand, zum Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils?
Koch: Es lässt sich insofern vergleichen, als sich hier die ganze Kirche versammelt. Freilich bestehen aber auch sehr viele Unterschiede. Die Orthodoxen hatten seit mehr als 1.000 Jahren kein panorthodoxes Konzil mehr, die Katholiken dagegen mehrere gesamtkatholische Konzilien. Zudem hat das Zweite Vatikanum eine Vielzahl von Themen bearbeitet. Demgegenüber ist die panorthodoxe Synode von der Thematik her reduziert.
Frage: Die Orthodoxie hat zu ihrem Konzil Beobachter anderer Konfessionen eingeladen. Wer nimmt von katholischer Seite teil?
Koch: Der Ökumenische Patriarch hat in einem Schreiben an den Papst zwei Vertreter der katholischen Kirche als Beobachter eingeladen. Das werden der Sekretär unseres Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Bischof Brian Farrell, und ich als dessen Präsident sein.
Frage: Nehmen Sie nur an der Eröffnung teil?
Koch: Nein. Wir werden über die ganze Konzilsdauer anwesend sein.
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Sie bilden eine große christliche Kirchenfamilie - dennoch ist die Orthodoxie vielen im Westen fremd. Doch gerade jetzt lohnt es sich, einmal näher hinzuschauen: Denn im Juni werden sich rund 350 orthodoxe Bischöfe zu einem Konzil treffen - das erste dieser Art seit Jahrhunderten.Frage: Worin besteht ihr Beobachter-Status? Können Sie in der Aula das Wort ergreifen?
Koch: Wir sind vor allem am Anfang und am Ende bei den gottesdienstlichen Feiern anwesend. Bei den Beratungen selber sind die Beobachter nicht dabei und können bei den Beratungen auch nicht reden. Soweit ich gehört habe, ist für die Beobachter an jedem Tag eine Information vorgesehen. Zudem besteht die Möglichkeit für zahlreiche Begegnungen. Wichtig ist für mich vor allem die Präsenz bei diesem Ereignis. Es ist positiv, dass die katholische Kirche durch Beobachter anwesend sein kann. Denn es zeigt, dass die Orthodoxie die Beziehungen zu den anderen christlichen Kirchen als etwas Wichtiges betrachtet.
Frage: Dem Konzil liegt eine ganze Reihe von Dokumenten vor. Lässt sich das umfangreiche Pensum überhaupt in der kurzen Konferenzdauer behandeln? Oder braucht es mehrere Sessionen, wie es beim Zweiten Vatikanum der Fall war?
Koch: Darauf kann ich nur hypothetisch antworten. Die Vorbereitung auf das panorthodoxe Konzil war sehr umfassend. Jetzt stehen nicht alle Punkte auf der Tagesordnung. Das Konzil muss nun darüber beraten, ob es bald wieder eine zweite Versammlung geben soll, um die wichtigen Fragen zu besprechen. Aber natürlich kann ich diesen Entscheidungen nicht vorgreifen.
Frage: Was bedeutet das panorthodoxe Konzil für die Ökumene?
Koch: Prinzipiell gilt die alte ökumenische Regel: Wenn ein Glied des Leibes Christi leidet, leiden die anderen mit, und wenn eines sich freut, freuen sich auch die anderen. Es versteht sich von selbst, dass die katholische Kirche bei einem für die Orthodoxie so wichtigen Ereignis in sympathischer, solidarischer Weise Anteil nimmt. Weiter glaube ich: Wenn die Gesamtorthodoxie zu einem größeren Konsens und zu Einmütigkeit kommt, kann das für den ökumenischen Dialog nur fruchtbar sein.
Frage: Wird die Ökumene dadurch einfacher?
Koch: Ich hoffe, dass der Weg bestätigt wird, den die Orthodoxie seit 1979 im offiziellen theologischen Dialog mit der katholischen Kirche gegangen ist. Ich hoffe, dass unser Dialog in der internationalen gemischten Kommission weitergeht, an dem alle orthodoxen Kirchen - ausgenommen Bulgarien - beteiligt sind.
„Ein Gebet ist die sinnvollste Art und Weise um zu zeigen, dass uns das, was in einer anderen Kirche geschieht, wichtig ist, dass wir es mittragen möchten.“
Frage: Die nächste Sitzung dieser bilateralen Theologenkommission ist für September vorgesehen. Bleibt es also dabei?
Koch: Ich gehe davon aus, dass sie stattfindet - und zwar in Chieti in Italien, auf Einladung von Erzbischof Bruno Forte, der Mitglied dieser Kommission ist.
Frage: Wie ist ihr derzeitiger Stand der Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen?
Koch: Er ist mit den einzelnen Kirchen sehr unterschiedlich. Mit Konstantinopel haben wir seit langer Zeit hervorragende Beziehungen. Dazu gehören auch die gegenseitigen Besuche zu unseren Patronatsfesten Peter und Paul in Rom und zum Andreas-Fest in Konstantinopel. Der Kontakt mit Moskau ist durch die Begegnung von Papst Franziskus mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill im Februar auf Kuba einen ganz großen Schritt weitergekommen. Diese Beziehungen müssen vertieft werden, sie gehen weiter. Das Verhältnis zu den anderen orthodoxen Kirchen ist sehr unterschiedlich.
Frage: Sie haben für diesen Samstag zu einem Gebetstreffen für das panorthodoxe Konzil in die römischen Basilika Sankt Paul vor den Mauern eingeladen. Was ist der Zweck?
Koch: Es hat keinen Zweck. Ein Gebet ist die sinnvollste Art und Weise um zu zeigen, dass uns das, was in einer anderen Kirche geschieht, wichtig ist, dass wir es mittragen möchten. Das Gebet ist ein Zeichen der solidarischen Verbundenheit.