"Ja, es gab eine Verliebtheit"
Am Freitag erscheint das Interviewbuch "Benedikt XVI. - Letzte Gespräche". Autor Peter Seewald berichtet im Interview der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" über die Aussagen des emeritierten Papstes zu seiner Person und seinem Pontifikat. So war Benedikt XVI. (89) war als Theologiestudent verliebt. Er deute in dem Buch eine frühe Liebe an, sagt Seewald: "Da gab es eine Verliebtheit in seinem Studium, die sehr ernst war".
Nach dem Krieg seien erstmals in Joseph Ratzingers Studienzeit auch Studentinnen dabei gewesen. "Die Entscheidung für den Zölibat ist ihm nicht leichtgefallen", erklärt Seewald. Er sei ein "sehr smarter Typ gewesen, ein hübscher junger Mann, ein Schöngeist, der Gedichte schreibt und Hermann Hesse liest". Einer seiner Kommilitonen habe Seewald erzählt, Ratzinger hätte "durchaus eine Wirkung auf die Frauen gehabt - und umgekehrt auch".
Das Buch solle Verschwörungstheorien rund um den ersten Papstrücktritt der Neuzeit geraderücken, sagte Seewald. "Hier ist noch einmal Ratzinger pur zu hören, ohne mediale Verzerrung – auch und gerade zu seinem Rücktritt." Gegen Legenden, dass der Rücktritt nicht freiwillig, sondern von Skandalen oder Erpressung erzwungen worden sei, brauche es "eine authentische Auskunft von der handelnden historischen Person".
Auf dem linken Auge blind
Deutungen, dass Ratzinger die falsche Wahl als Papst gewesen sei, und das Größte an seinem Pontifikat sein Rücktritt gewesen sei, seien Unsinn, betont Seewald im Interview. Das verkenne die Größe seines theologischen Werkes, seinen Beitrag zum Zweiten Vatikanischen Konzil, und die Bedeutung des Pontifkats, das vieles von dem angestoßen habe, was Papst Franziskus heute fortführe. Mit dem Schritt, sein Schweigen zu brechen, setze sich Benedikt XVI. nun auch der Kritik aus. "Aber Papa Benedetto ist kein Schattenpapst", er mische sich nicht in die Kirchenpolitik ein, sagt der Autor.
Themenseite: Papst Benedikt XVI.
Ganz Deutschland war sozusagen Papst: Von 2005 bis 2013 leitete Joseph Ratzinger als Benedikt XVI. die katholische Kirche. Seit seinem historischen Rücktritt lebt der emeritierte Papst weitgehend zurückgezogen im Vatikan. Seine seltenen Auftritte bündelt katholisch.de auf dieser Themenseite.Im Buch spreche Benedikt XVI. "ohne Scheu" über seine Schwächen und körperliche Handicaps. Als Folge einer Hirnblutung und einer Entzündung war Ratzinger schon vor seiner Wahl zum Papst auf seinem linken Auge völlig erblindet, berichtet Seewald. Benedikt XVI. habe sich selber als ungenügend empfunden, weil er nicht immer alle Menschen mit der Zuwendung behandelt habe, die sie verdient hätten.
Generell sei der emeritierte Papst "am Ende seines Lebens mit sich im Reinen". Seewald zufolge rechnete Ratzinger nach seinem Rücktritt im Februar 2013 mit dem baldigen Tod: "Er hat selber nicht mehr damit gerechnet, dass er nach dem Amtsverzicht noch lange leben wird." Aber er sei ein "Stehaufmännchen". In einem Moment habe Seewald gedacht: "Das war jetzt der letzte Besuch", beim nächsten Mal aber gemerkt, dass Benedikt XVI. neu zu Kräften gekommen sei.
"Man merkt, er hat sein Leben gelebt"
Als Seewald bei einem seiner Treffen mit ihm gesagt habe, dass 2017 der 90. Geburtstag anstehe, den Benedikt XVI. sicher noch erleben werde, habe dieser geantwortet "Na, hoffentlich nicht!", berichtet der Buchautor. "Man merkt, er hat sein Leben gelebt". Er wolle nicht sagen, dass Benedikt des Lebens müde sei, sagte Seewald. Aber der emeritierte Papst habe einfach alles gegeben.
Peter Seewald, Jahrgang 1954, hat bereits mehrere Interviewbücher mit Joseph Ratzinger/Papst Benedikt herausgebracht: Der frühere Kommunist, der aus der Kirche ausgetreten war, hat nach langen Gesprächen mit Ratzinger zur katholischen Kirche zurückgefunden. "Salz der Erde" war 1996 erschienen und vier Jahre später "Gott und die Welt". Das während des Pontifikats erschienene Buch "Licht der Welt" (2010) fand weltweite Beachtung. Der neue Interviewband "Letzte Gespräche" soll eine Art Bilanz sein.