Jesu Frage an uns alle
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Impuls von Schwester Veronica Krienen
Erst denke ich: Diese Typen kenne ich, die Wasser predigen und Wein trinken. Da droht Arbeitnehmern die Arbeitslosigkeit und die Chefs genehmigen sich eine Gehaltsgarantie in Millionenhöhe. Und ich stelle mir Typen vor, die sich womöglich ganz genau an den Buchstaben der Steuergesetze halten und gleichzeitig durch Mehrfach-Erstattung der Steuer riesige Gewinne machen und den Steuerzahler Milliarden kosten. Vielleicht meint Jesus solche Typen, eben die da oben.
Aber bei meinem zweiten Blick auf dieses Evangelium sehe ich mehr: Wenn Matthäus diese Worte Jesu in sein Evangelium einfügt, dann meint er nicht die da draußen, sondern die eigenen Leute. Christen sind gemeint. Hat nicht auch Papst Franziskus bei einer Morgenmesse Anfang des Jahres das "Doppelleben" vieler Christen beklagt?
Auch da habe ich noch die Möglichkeit, mich zurückzulehnen und zu denken: "Doppelleben", das müssen andere sein, mit dieser scharfen Rede Jesu kann ich sicher nicht gemeint sein.
Wenn ich das Evangelium aber weiter lese, steht da plötzlich "Ihr alle" – auf einmal geht es nicht mehr um die anderen. Ich selber werde in das Evangelium hineingezogen und von Jesus angesprochen. Auf einmal bin ich selbst der Typ, den Jesus meint.
Von ihm lasse ich mich fragen: Wer ist eigentlich mein Meister? An wem nehme ich Maß? Ist es Jesus Christus, mache ich ihn und sein Lebensprogramm zu meiner Mitte, bringe ich ihn zum Leuchten? Oder ist es mein Hauptinteresse, dass der Schein des Erfolgs auf mich fällt, dass ich nach den Spielregeln dieser Welt Gefallen finde und gut dastehe?
Auf wen höre ich eigentlich? Wem öffne ich mein Ohr, wem hört mein Herz zu? Ist es das Evangelium oder höre ich eigentlich lieber mich selber reden? Lockt mich eigentlich die Vision Jesu von wirklicher Geschwisterlichkeit und dem Dienst aneinander, oder stört sie mich eher auf meinem Weg, von dem ich mir einrede, dass er nach oben ginge?
Aber es ist keine Moralpredigt, die mich hier unvermittelt erwischt. Moralpredigten sind nicht der Stil Jesu. Es ist eine Frage, die sich mir stellt. Die Frage, ob vom Leben Jesu für mich noch oder wieder eine verlockende Faszination ausgeht, ob mich seine Authentizität, seine Bereitschaft zum Dienst, seine Karriere nach unten noch oder wieder begeistern und in Bewegung bringen kann.
Aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 23, 1-12)
In jener Zeit wandte sich Jesus an das Volk und an seine Jünger und sprach: Die Schriftgelehrten und die Pharisäer haben sich auf den Stuhl des Mose gesetzt.
Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun; denn sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen. Sie schnüren schwere Lasten zusammen und legen sie den Menschen auf die Schultern, wollen selber aber keinen Finger rühren, um die Lasten zu tragen.
Alles, was sie tun, tun sie nur, damit die Menschen es sehen: Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang, bei jedem Festmahl möchten sie den Ehrenplatz und in der Synagoge die vordersten Sitze haben, und auf den Straßen und Plätzen lassen sie sich grüßen und von den Leuten Rabbi - Meister - nennen.
Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.
Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus. Der Größte von euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.