Über den Glauben der Katholiken an die Realpräsenz

Wie lange bleibt Christus im Körper?

Veröffentlicht am 18.05.2017 um 13:50 Uhr – Lesedauer: 
Eucharistie

Bonn ‐ Katholiken glauben an die Gegenwart Christi in der Eucharistie: Brot und Wein werden in der Messe wirklich zu seinem Leib und Blut. Aber was ist nach dem Kommunionempfang?

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Ist er oder ist er nicht? Zur Frage, ob Christus unter den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein wirklich gegenwärtig ist, wurden in der Kirchengeschichte lange und komplexe theologische Debatten geführt. Noch heute scheitert das gemeinsame Abendmahl von Katholiken und Protestanten an einem unterschiedlichen Eucharistieverständnis. Für die katholische Kirche ist die Sache klar: Die Eucharistie ist kein Gedächtnismahl, keine bloße Zeichenhandlung. Im Sakrament ist "wahrhaft, wirklich und substanzhaft der Leib und das Blut zusammen mit der Seele und Gottheit unseres Herrn Jesus Christus und daher der ganze Christus enthalten" (KKK 1374). Der Katechismus der katholischen Kirche drückt mit diesen Worten den Glauben an die Realpräsenz, die wirkliche Gegenwart Christi aus. In der Messe werden aus Brot und Wein tatsächlich Leib und Blut des Herrn. Aber wie lange hält seine Gegenwart an, nachdem die Hostie bei der Kommunion verzehrt wurde?

Eine Geschichte, die aus dem Leben Philipp Neris (1515 bis 1595) überliefert ist, kann in dieser Frage Aufschluss geben. Als der Heilige eines Tages die Messe feierte, verließ ein Mann unmittelbar nach der Kommunion die Kirche. Fehlte ihm die nötige Achtung vor der Gegenwart Christi? Für Philipp Neri jedenfalls eine Provokation. Er sandte zwei Messdiener mit ihren Kerzenleuchtern hinter dem Mann her. Nach einer Weile bemerkte dieser die Ministranten, die ihm durch die Straßen Roms folgten, und kehrte irritiert zur Kirche zurück. Warum er das getan habe, wollte der Mann von Philipp Neri wissen. "Wir müssen unserem Herrn den gebührenden Respekt zollen – ihm, den du da einfach mit dir fortgetragen hast", antwortete der Heilige. "Weil du versäumt hast, ihn zu verehren, habe ich dir dafür zwei Akolythen hinterhergeschickt." Der Mann war durch diese Worte geläutert und versprach, die Gegenwart Christi in Zukunft mehr zu achten.

Wann die Gegenwart erlischt

Ob sich diese Begebenheit nun wirklich so abgespielt hat oder nicht, sie macht in jedem Fall eines deutlich: Laut kirchlicher Lehre ist mit der Realpräsenz nach dem Kommunizieren der Hostie nicht einfach Schluss. "Die eucharistische Gegenwart Christi beginnt im Zeitpunkt der Konsekration und dauert so lange, wie die eucharistischen Gestalten bestehen", formuliert dazu der Katechismus (KKK 1377). Ab dem Augenblick also, in dem der Priester bei der Messe die Einsetzungsworte – "Das ist mein Leib…", "Das ist mein Blut…" – gesprochen hat, ist unter den Gestalten von Brot und Wein Christus gegenwärtig. "Transsubstantiation" (Wesensverwandlung) nennt sich dieser Vorgang. Und Christus bleibt gegenwärtig, auch nachdem der Gläubige die Hostie verzehrt hat.

Ein Priester feiert die Heilige Messe
Bild: ©KNA

Während der Messe werden aus Brot und Wein Leib und Blut Christi.

Die Realpräsenz hält solange an, bis die Gestalten keinen Bestand mehr haben, sie sich also im Magen aufgelöst haben. Denn die sakramentale Gegenwart ist an das Zeichen – Brot und Wein – gebunden. Allgemein geht man davon aus, dass eine Hostie – gewöhnlichen Verdauungsprozessen entsprechend – nach etwa 15 Minuten vollständig aufgelöst ist. Deshalb war früher die Praxis verbreitet, nach der Kommunion eine Viertelstunde im Gebet zu verweilen, Gott zu loben und Christus für seine Gegenwart zu danken.

Kann eine Maus den Leib Christi empfangen?

Dass mit dem Zeichen auch die Gegenwart des Herrn erlischt, ist für die Kirche nicht zuletzt bei der "Entsorgung" der eucharistischen Gestalten von Bedeutung. Hin und wieder kann es vorkommen, dass eine Hostie auf den Boden fällt und verunreinigt wird; oder Messwein wird verschüttet. Die unbrauchbar gewordenen Gestalten werden in einen Kelch mit Wasser gegeben und lösen sich dort auf. Das Wasser wird anschließend ins Sakrarium gegeben.

Ist die Gegenwart Christi also immer gegeben, solange das Zeichen besteht? Thomas von Aquin (1225 bis 1274) bringt in seiner "Summe der Theologie" ein Gedankenspiel: "Mag auch ein Hund oder eine Maus die konsekrierte Hostie essen, Christi Leib bleibt gegenwärtig, solange die Gestalt bleibt", schreibt er. Der entscheidende Unterschied: Bei einem solchen Tier, so Thomas, könne sich nicht die sakramentale Wirkung der eucharistischen Gestalten entfalten. Dafür fehlten das gläubige Verstehen und damit der Bezugspunkt, den Leib Christi als Leib Christi zu empfangen. Wo also kein Glaube ist, da gibt es auch kein Sakrament.

Von Tobias Glenz