Christus-Monogramme und ihre Bedeutung

Geheime Zeichen und verschlüsselte Botschaften

Veröffentlicht am 17.05.2017 um 00:01 Uhr – Von Tobias Glenz – Lesedauer: 
Symbole

Bonn ‐ Sie sind das Erkennungszeichen des Jesuitenordens, zieren das Wappen von Papst Franziskus und sind in unzähligen Kirchen dargestellt: die Buchstaben IHS. Doch wofür stehen sie eigentlich?

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Das kennt wohl jeder: Man betritt eine Kirche und findet dort Zeichen und Symbole, die sich dem Betrachter nicht direkt erschließen. Ein prominentes Beispiel sind die Buchstaben IHS, die vielerorts in oder an Kirchengebäuden zu finden sind: mal als Steinrelief, mal als Kupferstich, mal auf einem Kirchenfenster, mal in einem Deckenfresko. In der Kunst ist das IHS häufig dargestellt mit einem Kreuz, das mittig über dem H steht; zuweilen ergänzt um drei Kreuzesnägel unter dem H, die Darstellung des Herzens Jesu und einen Strahlenkranz, der die Buchstaben umgibt. Doch wenn die Frage aufkommt, was das IHS denn bedeute, dann hört man die verschiedensten Spekulationen.

"IHS? Das heißt 'In hoc signo'", lautet eine Version, die Bezug nimmt auf Kaiser Konstantin vor der Schlacht an der Milvischen Brücke: Der hatte im Jahr 312 die Vision eines leuchtenden Kreuzes und vernahm die Worte "In diesem Zeichen wirst du siegen" (lateinisch: "In hoc signo vinces"). Nach anderer – volksetymologischer – Deutung meint IHS "Iesus hominum salvator" (Jesus, Erlöser der Menschen), "Iesus homo sanctus" (Jesus, heiliger Mensch), "Iesus hyos soter" (Jesus, Sohn, Erlöser) oder auch "Jesus Heiland Seligmacher".

Eine Abkürzung

Tatsächlich ist die ursprüngliche Bedeutung simpler, als es die verschiedenen Erklärungsversuche suggerieren: Im dritten Jahrhundert kürzten die Christen den Namen Jesu auf die ersten drei Buchstaben zusammen. Aus dem vollständigen griechischen ΙΗΣΟΥΣ (Jesus) wurde dabei das kürzere ΙΗΣ – die Buchstaben Iota, Eta und Sigma. Durch die Übertragung ins Lateinische veränderte sich der Buchstabe Sigma (Σ) in ein gewöhnliches S. In der frühen Kirche, zur Zeit der Christenverfolgungen, diente das IHS als geheimes christliches Erkennungssymbol und fand sich als Darstellung an zahlreichen Gräbern von Christen.

fisch
Bild: ©JWS/Fotolia.com

Der Fisch ist ein uraltes Erkennungszeichen der Christen und Symbol für Christus selbst.

Eine Renaissance erlebte die Buchstabenkombination im 15. Jahrhundert: Der heilige Bernhardin von Siena (1380 bis 1444) rief in seinen Predigten die Zuhörer auf, den Namen Jesu zu verehren und das Christus-Monogramm IHS als Zeichen dafür an ihren Haustüren anzubringen. Ein Jahrhundert später war Ignatius von Loyola (1491 bis 1556) wohl nicht weniger fasziniert von dem Symbol und machte es zum Erkennungszeichen des von ihm neu gegründeten Jesuitenordens. In der Lesart der Societas Jesu heißt IHS "Iesum habemus socium" (Wir haben Jesus zum Gefährten) oder "Iesu humilis societas" (niedere Gesellschaft Jesu). Das vermeintlich mysteriöse IHS hat deshalb auch der Jesuit Jorge Mario Bergoglio – Papst Franziskus – in sein päpstliches Wappen aufgenommen.

Verborgenes Glaubensbekenntnis

Dass ein Zeichen verschlüsselte Botschaften enthalten kann, zeigt auch der Fisch, der wie die Buchstaben IHS schon für die frühen Christen ein Erkennungssymbol war. Bereits im Urchristentum wurde der Fisch (griechisch: ΙΧΘΥΣ, latinisiert: ICHTHYS) als Bild für die Eucharistie verwendet: Bezugspunkt war die Geschichte über die wundersame Vermehrung von fünf Broten und zwei Fischen im Johannes-Evangelium (Joh 6,1-15), an die sich die eucharistische Verheißung Jesu anschließt, er sei "das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist" (Joh 6,51). Genauso spielt der Fisch bei der Berufung der ersten Jünger eine Rolle, die selbst Fischer waren und nun "Menschenfischer" werden sollten: "Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen" (Luk 5,10).

Das Kreuz ist das universelle Symbol des Christentums.
Bild: ©enterlinedesign / Fotolia.com

Das Kreuz wird erst ab dem fünften Jahrhundert zu einem vorherrschenden Symbol für das Christentum.

Der Fisch spielt im Neuen Testament an mehreren Stellen eine herausgehobene Rolle, aber in dem Symbol verbirgt sich noch mehr. Das griechische "ICHTHYS" kann als kurzes Glaubensbekenntnis verstanden werden: Aus den einzelnen Buchstaben lässt sich die Formel I(esous) Ch(ristos) Th(eou) Hy(ios) S(oter) bilden – das bedeutet: Jesus Christus, Gottes Sohn, Erlöser. Der Kirchenlehrer Tertullian spricht von Christus als dem Fisch, und von den Christen als Fischlein, die durch die Taufe aus dem Fisch geboren werden.

Ironie der Geschichte

Zurück zu Konstantin führt ein weiteres Christus-Monogramm: das "XP" (☧, Chi-Rho). Der Überlieferung nach ließ der Kaiser im Anschluss an seine Vision vom leuchtenden Kreuz das Chi-Rho auf die Schilde seiner Soldaten malen. Daraufhin siegte er der Verheißung entsprechend an der Milvischen Brücke gegen seinen Rivalen Maxentius. Ähnlich dem IHS handelt es sich auch beim Chi-Rho um eine Abkürzung – diesmal nicht vom Vornamen Jesu, sondern vom Titel Christus ("der Gesalbte"): Die ersten beiden Buchstaben des griechischen Χριστoς (Christos) entsprechen optisch den lateinischen X und P. Das Monogramm wurde später auch als Kurzform für "Pax" (Frieden) beziehungsweise "Pax Christi" interpretiert. Auf die Römer machte der Sieg Konstantins mithilfe des Chi-Rho in jedem Fall Eindruck: Das Zeichen krönte fortan die Heeresfahnen der spätantiken römischen Legionen.

Deutlich vor dem Kreuz, das heute als Symbol des Christentums schlechthin gilt, war das Chi-Rho ab dem zweiten Jahrhundert Erkennungszeichen der Christen; und damit wohl das älteste überhaupt. Das IHS löste es im Spätmittelalter jedoch mehr und mehr als Christus-Monogramm ab. Genauso wurde die Abkürzung "INRI" immer populärer: "Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum" – "Jesus von Nazaret, der König der Juden". Laut dem Johannes-Evangelium hat Pontius Pilatus diese Worte auf eine Tafel schreiben lassen, die dann am Kreuz Jesu angebracht wurde (Joh 19,19ff). Seit dem vierten Jahrhundert ist die Inschrift Bestandteil von Kreuzigungsszenen in der christlichen Ikonographie. Weite Verbreitung fand das INRI mit der zunehmenden Darstellung von Kruzifixen im Mittelalter. Jesus als König: Das Monogramm ist ein weiteres kurzes Glaubensbekenntnis – und es erscheint wie Ironie, dass ausgerechnet der Heide Pilatus dieses Bekenntnis am Kreuz Christi anbringen ließ.

Von Tobias Glenz