Kirche und Verbände entsetzt über Ereignisse in Chemnitz

Jüsten: Mit uns gibt es kein "Migranten-Bashing"

Veröffentlicht am 30.08.2018 um 15:20 Uhr – Lesedauer: 
Jüsten: Mit uns gibt es kein "Migranten-Bashing"
Bild: © KNA
Politik

Bonn ‐ Mit klaren Worten hat sich Karl Jüsten, der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, zu den rechten Demonstrationen in Chemnitz geäußert. Auch Auschwitz-Überlebende sagen, wie die Demos auf sie wirken.

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Kirchen und gesellschaftliche Organisationen reagieren mit Entsetzen auf die Ereignisse in Chemnitz und fordern eine Stärkung der Demokratie. Die katholische Kirche werde Rassismus und "Migranten-Bashing" immer in aller Deutlichkeit zurückweisen, sagte der Leiter des Kommissariats der katholischen Bischöfe bei der Bundesregierung, Karl Jüsten, am Donnerstag in Köln. Die Kirche wolle dazu beitragen, die Demokratie zu stärken und das Gespräch mit denen zu suchen, "die sich aus dem demokratischen Diskurs verabschiedet haben".

Bedford-Strohm: Genau differenzieren

Auch Dresdens Altbischof Joachim Reinelt verurteilte die rechtsextremistischen Übergriffe scharf. Christen müssten deutlich machen, "auf welche Seite sie sich stellen", sagte er am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Sie müssen für den Frieden eintreten und nicht für Extremismus", betonte Reinelt. Er leitete das Bistum Dresden-Meißen von 1988 bis 2012.

Der Altbischof räumte ein, dass es auch bei einzelnen Kirchenmitgliedern rechtsradikales Denken gebe. "Das ist doppelt traurig, denn wir haben als Christen keinen Grund zum Extremismus", sagte er. Die Kirche versuche, "auch die zu verstehen, die entgleist sind. Das sind keine Teufel, sondern Menschen auf einem Irrweg." Der derzeitige Dresnder Bischof, Heinrich Timmerevers, hatte schon am Mittwoch gesagt, eine Straftat dürfe "nicht dazu instrumentalisiert werden, gegen ganze Volksgruppen Wut zu schüren." Das gelte erst recht, wenn diese Straftat noch nicht vollständig aufgeklärt sei.

Passanten vor einem Blumenmeer
Bild: ©Ralf Hirschberger/picture alliance/dpa

Passanten stehen am Tatort, an dem zahlreiche Blumen und Kerzen niedergelegt wurden. Am Sonntag war in Chemnitz ein 35 Jahre alter Deutscher durch Messerstiche getötet worden. Nach der Tat zogen überwiegend rechte Demonstranten durch die Stadt, von denen einige Ausländer angriffen.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, warnte vor einer "schleichenden Verschiebung des gesellschaftlichen Grundkonsenses". Rassismus, Antisemitismus, Hetzjagden und pauschale Verdächtigungen des Islams müssten tabu bleiben, sagte er am Mittwochabend in einer Online-Gesprächsrunde. Im Umgang mit Rechtspopulisten sei es wichtig, genau zu differenzieren. Wenn jemand Fragen habe, dürfe er "bei einer bestimmten politischen Lösung" nicht gleich "als Rechtspopulist verdächtigt" werden, sagte der Landesbischof. Wo jedoch "nur Ängste geschürt werden, muss man es klar brandmarken und sich deutlich dagegen stellen".

Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, erklärte am Donnerstag in der Gedenkstätte Auschwitz, Ausschwitz-Überlebende in aller Welt empfänden die rechtsextremen Entwicklungen in Chemnitz als dramatisch. Die Verachtung der Demokratie und der fanatische Hass der Demonstranten erinnere Überlebende des Holocaust "schmerzlich" an den Niedergang Deutschlands, den sie miterlebt hätten. Gleichzeitig äußerte er Zweifel, dass allen politisch Verantwortlichen und Bürgern dieser Ernst der Lage bewusst sei.

Gewerkschaftsdachverband: Extremisten dürfen nicht für den Staat arbeiten

Der Gewerkschaftsdachverband dbb erklärte, dass Extremisten nicht für den Staat arbeiten könnten. "Wer nicht mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes steht, der möge seine Sachen packen und verschwinden", sagte der dbb-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach in Berlin. Der öffentliche Dienst diene immer und zuerst der freiheitlich-demokratischen Grund- und Wertordnung. Inzwischen ist bekannt geworden, dass der LKA-Mitarbeiter, der ein ZDF-Team während eines Dreh angepöbelt hatte, den Polizeidienst verlässt und künftig eine Tätigkeit wahrnimmt.

Am Sonntag war in Chemnitz ein 35 Jahre alter Deutscher durch Messerstiche getötet worden. Im Anschluss daran hatte es mehrfach Demonstrationen und Ausschreitungen gegeben. Es wurden außerdem ein 23-jährigen Syrer und einen 22 Jahre alten Mann aus dem Irak festgenommen. Sie stehen im Verdacht, den Mord an dem Deutschen begangen zu haben. (gho/KNA)

Chemnitz: Religionsvertreter besorgt über Hass

Die Ausschreitungen in Chemnitz haben auch bei Religionsvertretern Entsetzen ausgelöst. Der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, erklärte zudem, wie die Kirche nun reagieren wolle.