Konfliktparteien in Venezuela suchen Schutz der Kirche

Kampf mit Kreuz

Veröffentlicht am 24.04.2017 um 15:45 Uhr – Lesedauer: 
Venezuela

Caracas ‐ In der politischen Krise in Venezuela berufen sich Regierung und Opposition auf die Religion. Während sich Letztere den Schutz durch die Kirche erhoffen, inszeniert sich der Präsident als Glaubenshüter.

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Beim Schweigemarsch zum Gedenken an die Opfer der jüngsten Massendemonstrationen gegen die Regierung des sozialistischen Präsidenten Nicolas Maduro tragen die Menschen große, in die venezolanische Flagge gehüllte Holzkreuze. Ziel des Zugs in der Hauptstadt Caracas ist das Gebäude der Venezolanischen Bischofskonferenz. In anderen Städten marschiert die schweigende Menge zu Kirchen oder auch zum Bischofssitz. Die bürgerlich-konservative Opposition, mit ihr aber auch immer mehr ehemalige Anhänger der regierenden "Chavistas", erhoffen sich den Schutz der Kirche.

Das Kreuz ist in Venezuela allgegenwärtig

Die venezolanischen Bischöfe stellten sich jüngst auf die Seite derjenigen, die für freie Wahlen und für demokratische Grundrechte auf die Straße gehen. "Die Menschenrechte zu verteidigen, ist die Pflicht aller", wandte sich der Erzbischof von Caracas, Kardinal Jorge Urosa, am Wochenende an seine Landsleute.

Das Kreuz ist derzeit allgegenwärtig in Venezuela: Lilian Tintori, Ehefrau des seit mehr als drei Jahren inhaftierten Oppositionspolitikers Leopoldo Lopez, trägt es ebenso wie Lopez selbst in seiner Zelle im Militärgefängnis Ramo Verde. Vor den Protestmärschen schickten sich die Demonstranten via Whatsapp Gebete, um sich Mut zu machen - die Furcht, dass es weitere Todesopfer geben könnte, war groß. 21 Tote und mehr als 770 Inhaftierte seien das Ergebnis der jüngsten Protestwelle, melden venezolanische Medien.

Bild: ©picture alliance/dpa/Miguel Gutierrez

Ein Student bei Demonstrationen gegen die Regierung Venezuelas am 20. Februar 2014.

Seit mehr als drei Jahren wird Venezuela von einer schweren Versorgungskrise und politischen Spannungen erschüttert. Die Opposition wirft der Regierung vor, für die katastrophale Versorgungslage und die Unterdrückung von demokratischen Grundrechten verantwortlich zu sein. Die jüngste Protestwelle entzündete sich an dem gescheiterten Versuch der Justiz, das Parlament zu entmachten, in dem die Opposition die Mehrheit hat, sowie an einem Berufsverbot für Oppositionsführer Henrique Capriles.

Nicht nur die Opposition setzt auf die Symbolkraft des Kreuzes. Auch Präsident Maduro inszenierte sich jüngst als Hüter des christlichen Glaubens. In seiner eigenen TV-Shows platzierte er sich am Palmsonntag zwischen einem großen Holzkreuz und einer Marienfigur. Zudem präsentierte er sich als Beschützer des Papstes. Gegen Franziskus laufe derzeit eine weltweite Verschwörung, ließ er wissen. Deswegen sei es notwendig, dass die Katholiken für das Kirchenoberhaupt beteten und ihn unterstützten. Grund für die Kampagne gegen den Papst sei, dass dieser die Welt mit großen Wahrheiten konfrontiere.

Vermittelt die Kirche?

Während die Ortskirche mit wenigen Ausnahmen klar auf der Seite der Opposition steht, versucht die Regierung auf diese Weise, Papst Franziskus für sich zu vereinnahmen. Der schweigt dazu, versucht aber offenbar hinter den Kulissen, den vom Vatikan vermittelten und inzwischen ins Stocken geratenen Dialog zwischen beiden Lagern neu zu beleben. Ob und wann die Vermittlungsgespräche wieder aufgenommen werden, ist völlig offen.

Stattdessen machen Gerüchte die Runde: Es habe ein Treffen zwischen Kardinal Urosa, dem Päpstlichen Nuntius, dem aus Venezuela stammenden Generaloberen der Jesuiten, Arturo Sosa Abascal, und Vertretern der Regierung gegeben, hieß es am Sonntag. Doch das Erzbistum widersprach den Spekulationen. Maduro ließ derweil wissen, er arbeite weiter daran, dass der vom Vatikan initiierte Dialog fortgesetzt werden könne. Außerdem stellte er die Durchführung der seit Monaten ausstehenden Wahlen in Aussicht, eine Kernforderung der Opposition.

Von Tobias Käufer (KNA)

Linktipp: Auf Vermittlungsmission

Venezuela steckt in der Krise, Opposition und Regierung beschuldigen sich gegenseitig. Jetzt soll der Vatikan vermitteln. Wann und wo Gespräche stattfinden können, ist unklar - doch die Zeit drängt. (Artikel vom Oktober 2016)