Kardinal Müller kritisiert "Amoris laetitia"
Der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, hat den Teil des päpstlichen Schreibens "Amoris laetitia" kritisiert, der den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen behandelt. "So etwas in einer Fußnote zu verpacken, ist angesichts des Gewichts dieser Thematik nicht genügend", sagte Müller im Interview mit dem Bayerischen Fernsehen (BR). Die Fußnote 351 kann so ausgelegt werden, dass Geistliche Katholiken, die in einer zweiten zivilen Ehe leben, zu Beichte und Kommunionempfang zulassen können.
Die Passage drücke ein berechtigtes Anliegen aus, sei aber theologisch nicht genügend durchgearbeitet, so der Kardinal. "Wenn man auf die Glaubenskongregation gehört hätte, hätte man das Ziel besser erreicht und wäre besser gegen Einwände gewappnet gewesen." Als Vergleich nannte er, "mit welcher Inkompetenz die Causa Luther angegangen wurde". Man könne zwar nicht alles parallelisieren, aber die Kirche könne doch Lehren daraus ziehen, wie man es heute nicht machen sollte.
Bislang hatte Müller das nachsynodale Schreiben verteidigt – etwa gegen konservative Papstkritiker – und dabei betont, dass "Amoris laetitia" nicht die Lehre der Kirche von der Unauflösbarkeit der sakramentalen Ehe ändere. Auszüge des Gesprächs werden am Dienstagabend in der ARD-Sendung "Report München" gezeigt.
Unverständnis für Absetzung
Weiter äußert Müller erneut Unverständnis dafür, dass Papst Franziskus im Sommer seine Amtszeit nicht verlängerte und einen neuen Präfekten der Glaubenskongregation ernannte: "Ich denke, dass da bestimmte Kräfte im Hintergrund gewirkt haben, die meinten, das sei besser für die Kirche, wenn jemand aus einer anderen Richtung kommt". Erstaunlicherweise sei Luis Francisco Ladaria Ferrer aber von der gleichen Wellenlänge. "Insofern ist das schwer verständlich." Auch hätten ihm viele Kardinäle und Bischöfe aus der ganzen Welt gesagt, dass sie dies nicht verstehen.
Gefragt, ob eine Intrige gegen ihn gesponnen worden sei, antwortete der Kardinal, dass der Papst ihm öfter gesagt habe, "dass einige Leute vorstellig geworden sind und Dinge von mir berichtet haben, die den Tatsachen nicht entsprechen". Auch in den Medien sei immer wieder behauptet worden, dass er dem Papst oder den Vorstellungen von Papst und Kirche im Weg stehe. Dies sei die einzige Erklärung, die man finden könne: "Aber viele sind der Überzeugung, dass diese Kräfte im Hintergrund der Kirche keinen guten Dienst erwiesen haben."
Nach Müllers Aussage gibt es in der Heimat des Papstes, Argentinien, "eine gewisse antirömische Stimmung". Dort bestünden Vorurteile gegen die römische Kurie, die nur teilweise berechtigt seien. Es gebe die Vorstellung, dass im Vatikan "mal aufgeräumt werden" müsse: "Doch wenn man sonst sagt, dass man den Einzelnen betrachten müsse, darf man die Mitarbeiter nicht unter dem Gesichtspunkt allgemeiner Vorurteile und Stereotype betrachten."
Zum Schluss rät Müller dazu, auf die zentralen Glaubensbotschaften des Papstes zu hören und sich nicht von Fernsehbildern manipulieren zu lassen. Der 69-Jährige äußerte seinen Unmut darüber, dass der Papst mit "sekundären Aufmerksamkeitselementen" wie schwarzen statt roten Schuhen zum Popstar erklärt werde. "Man fragt sich zum Beispiel, warum es etwas Sensationelles sein soll, dass der Papst Fußwaschungen durchführt, das macht jeder Bischof." (luk)