Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga wird 75

Hoffnungsträger, Papstvertrauter, Sündenbock

Veröffentlicht am 29.12.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Honduras

Bonn/Rom ‐ Ihn hatten viele auf dem Zettel als ersten Papst aus Lateinamerika – doch es ist anders gekommen: Kardinal Oscar Maradiaga blieb Erzbischof von Tegucigalpa. In Rom hat er trotzdem viel zu sagen. Heute wird er 75.

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Aus deutscher Sicht trägt Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga die Aufkleber Lateinamerika und Dauerbesucher aus der Weltkirche; ein Weltreisender in Sachen Caritas und Schuldenschnitt für die verarmten Länder des Südens. Aus vatikanischer Sicht ist er Berater des Papstes, Vorsitzender des Kardinalsrates für die Kurienreform und langjähriger Präsident von Caritas Internationalis. Aus Sicht seines armen Heimatlandes Honduras erscheint er als Hirte, der nur selten zuhause ist. Am Freitag wird der Erzbischof von Tegucigalpa 75 Jahre alt.

Als im März 2013 ein neuer Papst gewählt werden sollte, hatten viele einen Lateinamerikaner auf dem Zettel. Allerdings weniger den argentinischen Jesuiten Jorge Mario Bergoglio. Häufiger genannt wurde, vor allem von der kirchlichen Linken in Europa, der Erzbischof von Tegucigalpa. Maradiaga nennt man ihn allenthalben; nicht ganz korrekt. Denn eigentlich gäbe sein erster Familienname Rodriguez den Ausschlag - doch der ist in Lateinamerika so häufig wie bei uns Müller oder Schmitz. Also Maradiaga.

Charismatisch und papabile

Der charismatische Ordensmann der Salesianer Don Boscos galt - ebenso wie Franziskus - schon 2005 als papsttauglich. 2013 galt dies umso mehr, nicht zuletzt wegen seiner vatikanischen Spitzenposition als Präsident von Caritas Internationalis (2007-2015). Hochgebildet und sozial engagiert, profilierte sich Maradiaga unter anderem auch als Wortführer der Millenniums-Entschuldungskampagne 1999/2000, kritisierte unermüdlich Ungerechtigkeit und Drogenkriminalität in Lateinamerika.

In Europa war er bei Katholikentagen und Aktionseröffnungen allgegenwärtig; über viele Jahre galt er als Hoffnungsträger für eine neue Weltkirche. Papst Franziskus hielt für seinen Vertrauten schon bald andere anspruchsvolle Aufgaben bereit: Maradiaga leitet die Kardinalskommission, die zusammen mit dem Papst Vorschläge für eine Reform der römischen Kurie erarbeitet. Rechnet man den Papst mit, sitzen gleich drei Lateinamerikaner in der zehnköpfigen Gruppe - und Maradiaga treibt das Mammutprojekt immer wieder schwungvoll voran.

Weiter Horizont

Der so freundliche wie charismatische Kirchenmann wurde am 29. Dezember 1942 in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa geboren. Seine Bildungsbiografie zeugt von einem weiten Horizont. Schon als junger Ordensmann studierte er Theologie (mit einem Doktorat in Moraltheologie), Klavier und Komposition, Physik, Mathematik, Chemie, Philosophie und Psychologie in Tegucigalpa, Rom und Innsbruck.

In Tirol erwarb er ein Diplom in klinischer Psychologie und Psychotherapie, ist Mitglied der Europäischen Gesellschaft für Verhaltenstherapie. 1978 wurde Maradiaga Weihbischof in Tegucigalpa, 1993 Erzbischof und drei Jahre später Vorsitzender der Honduranischen Bischofskonferenz (bis 2016). Von 1995 bis 1999 stand er dem Lateinamerikanischen Bischofsrat CELAM vor.

Politisch geschadet hat dem Kardinal seine Haltung zum Sturz des linken honduranischen Staatspräsidenten Manuel Zelaya 2009. Dessen Anhänger verurteilten die Absetzung durch die Armee als Putsch. Doch Maradiaga nannte die weltweiten Proteste einseitig. Zwar verurteilte er die Art des Vorgehens der Armee in der labilen mittelamerikanischen Republik. Er verwies aber auch auf fragwürdige geplante Verfassungsänderungen Zelayas und verlangte Untersuchungen wegen Korruption. Seine Haltung brachte Maradiaga den Schmähnamen "Putsch-Kardinal" ein.

Vom Hoffnungsträger zum Sündenbock

Vor allem für linke Gruppierungen wurde so aus dem Hoffnungsträger ein medialer Sündenbock; in seiner Heimat erhielt er gar Morddrohungen. Als scharfer Kritiker der Auswirkungen der Globalisierung steht der Salesianer inhaltlich ausgerechnet jenem politischen Lager nahe, aus dem damals Pfeile gegen ihn abgeschossen wurden.

Die Mitglieder des K9-Rats beraten mit Papst Franziskus über die Kurienreform.
Bild: ©KNA

Die Mitglieder des K9-Rats beraten mit Papst Franziskus über die Kurienreform.

Zuletzt nahm Papst Franziskus, was ungewöhnlich ist, auch von Leitern wichtiger Diözesen der Weltkirche den Amtsverzicht schon zur kirchenrechtlichen Altersgrenze von 75 Jahren an - so etwa in Mailand, Mexiko oder Paris. Bleibt abzuwarten, wie er nun bei seinem Freund und Vertrauten aus Honduras verfährt - zumal dieser kurz vor Weihnachten erneut angeschossen wurde.

Ein italienischer Enthüllungsjournalist veröffentlichte Veruntreuungsvorwürfe gegen Maradiaga; dieser habe in Honduras dubiose Gelder erhalten und teilweise verschwinden lassen. Der Kardinal reagierte gelassen; er erklärte, alle Geldströme seien legal und leicht erklärbar. Die Anwürfe stammten mutmaßlich von einem entlassenen Kirchenmitarbeiter, seien bereits ein Jahr alt und von höchster Stelle untersucht - und sie würden nun, zu seinem 75. Geburtstag, instrumentalisiert, um den Reformvorhaben des Papstes zu schaden.

Von Alexander Brüggemann (KNA)