Kathedra Petri: Am Anfang stand ein Leichenschmaus
"Du bist Petrus – der Fels –, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen": Bis heute sind diese berühmten Worte Jesu aus dem Matthäusevangelium eine der wichtigsten Grundlagen des Papsttums (Mt 16,18). Christus hatte – so die Interpretation der Kirche – seinen Jünger Petrus damit beauftragt, die Kirche aufzubauen und zu führen. Der Überlieferung nach kam der Apostel Jahrzehnte später in die Hauptstadt des Römischen Reiches und wurde dort erster Bischof – und damit erster Papst. Mit dem Fest Kathedra Petri – im Volksmund auch "Petri Stuhlfeier" – am 22. Februar gedenkt die Kirche der Einsetzung des Papsttums bzw. der Berufung des Petrus zum Lehramt in der Kirche. Doch was sind seine Ursprünge?
Woher der Begriff kommt
Der Begriff "Kathedra" stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt Sitz oder Sessel. Seit der Antike galt die Kathedra im Sinne von "Lehrstuhl" aber auch als das Symbol der Vollmacht eines öffentlichen Amtsträgers. Das hat die Kirche übernommen: Einerseits wird als Kathedra im Kirchenbau wörtlich der (Lehr-)Stuhl des Bischofs bezeichnet, der einen herausgehobenen Platz beim Altar hat; davon leitet sich auch der Begriff Kathedrale für die Bischofskirche ab. Andererseits stand und steht dieser Sitz im übertragenen Sinn für die apostolische Amtsvollmacht des Bischofs, für seine Aufgabe, zu leiten und zu lehren. Kathedra kann darüber hinaus auch den Bischofssitz im institutionellen Sinn meinen.
"Kathedra Petri" bedeutet also zunächst nichts anderes als "Bischofssitz des Petrus", und mit dem gleichnamigen Fest wird der Übernahme eben dieser Kathedra durch den Apostel gedacht. Der Ursprung des Festes liegt jedoch in einem heidnischen Kult: Im antiken Rom wurde vom 13. bis 22. Februar ein allgemeines Totengedenken begangen. Die Menschen kamen zusammen, feierten ein Totenmahl und gedachten auf diese Weise ihrer Verstorbenen – so auch die frühen Christen. Ritus bei diesem "Leichenschmaus" war es, für die Verstorbenen einen leeren Sessel aufzustellen – die Kathedra –, und auch Speisen kamen für die Toten auf den Tisch. Da der genaue Todestag des Apostels Petrus unbekannt war, gedachten die Christen Roms ihres ersten Bischofs also ursprünglich im Rahmen dieses allgemeinen Totengedenkens am 22. Februar.
Im 4. Jahrhundert endeten die Christenverfolgungen, das Christentum wurde Staatsreligion im Römischen Reich. Schnell war die noch junge Kirche bestrebt, die heidnischen Formen des Totengedenkens abzuschaffen. Im Zuge dessen wurde auch die Kathedra Petri umgedeutet. Jetzt war nicht mehr der Sessel für den Verstorbenen gemeint, sondern der Bischofsstuhl, den Petrus gemäß seiner Berufung zum Hirten- und Lehramt in der Kirche innehatte – und den auch seine Nachfolger, die Päpste, bestiegen.
Eine zweite Stuhlfeier Petri
Allerdings gab es eine Parallelentwicklung: In Gallien existierte spätestens ab dem 6. Jahrhundert ein eigenes Fest der "Stuhlbesteigung" des Apostels Petrus. Dieses Fest feierte man am 18. Januar, und es wurde bald auch in Rom übernommen – ohne das bisherige Kathedra-Fest abzuschaffen. Ab dem 7. Jahrhundert gab es in der Römischen Kirche somit zwei Feste der Stuhlbesteigung Petri, und das ließ sich auch begründen: Denn gemäß der Tradition war der Apostelfürst nicht nur der erste Bischof von Rom, sondern zuvor bereits der erste Oberhirte von Antiochia – zwei Stuhlbesteigungen, zwei Feste.
Das Neue Testament hingegen berichtet weder von der einen noch der anderen. Eine uralte Tradition und neuere archäologische Funde deuten zwar darauf hin, dass Petrus in Rom war und dort die christliche Gemeinde leitete. Biblisch verliert sich die Spur des Apostels aber lange zuvor: nämlich unmittelbar nach dem "Apostelkonzil" in Jerusalem (Apg 15; Gal 2,1-10). Nach dem Zeugnis des Galaterbriefs hielt sich Petrus zumindest einige Zeit in der Gemeinde Antiochias auf und hatte dort offenbar auch eine Vorrangstellung inne (Gal 2,11-21).
Von diesem biblisch bezeugten Aufenthalt des Petrus in Antiochia – dem heutigen Antakya in der Türkei – leitete man schon früh ab, dass der Apostel auch der erste Bischof der Stadt war. Nach alter Überlieferung soll er im Jahr 42 hier den Bischofssitz übernommen und sieben Jahre lang als Oberhirte gewirkt haben. Die Stuhlbesteigung von Antiochia fand also lange vor der in Rom statt. In die Ewige Stadt soll Petrus erst in seinen letzten Lebensjahren gekommen und zwischen 64 und 67 nach Christus als Märtyrer gestorben sein.
Das gesamte Mittelalter über bis in die Neuzeit hinein feierte die Kirche am 18. Januar die Stuhlbesteigung Petri in Rom, während die Übernahme des Bischofssitzes von Antiochia am 22. Februar mit einem eigenen Fest begangen wurde. Erst Johannes XXIII. (1958-1963) vereinigte im Jahr 1960 beide zum Fest Kathedra Petri in der heutigen Form; das zweite Petrus-Fest im Kirchenjahr neben dem Hochfest Peter und Paul am 29. Juni.
Vom Verbleib des "echten" Bischofsstuhls
Die ursprüngliche Kathedra des Petrus – so es sie denn gegeben hat – ist nicht mehr auffindbar. Papst Gregor der Große (590-604) hatte in der alten Petersbasilika einen steinernen Papstthron errichten lassen, der bis ins 13. Jahrhundert als Kathedra Petri bezeichnet wurde. Allmählich wurde dieser jedoch von einem anderen, hölzernen Thron verdrängt, der als authentischer Lehrstuhl des Apostels galt und bis heute als wichtige Petrusreliquie verehrt wird. Im 17. Jahrhundert wurde dieser Sitz in einer von Gian Lorenzo Bernini geschaffenen Bronzehülle in der Apsis des neuen Petersdoms aufgestellt – unterhalb des berühmten Heilig-Geist-Fensters. Eine wissenschaftliche Untersuchung des Holzstuhls ergab jedoch, dass er höchstwahrscheinlich aus dem Mittelalter stammt. Der angebliche Bischofsstuhl aus Antiochia wird heute in der Basilika San Pietro di Castello in Venedig als Reliquie verehrt.
Die liturgische "Kathedra Petri", der Lehrstuhl des Bischofs von Rom, befindet sich übrigens in der Lateranbasilika – der Bischofskirche des Papstes. Auf den römischen Bischofssitz bezogen ist auch der Terminus "ex cathedra" ("von der Kathedra aus"): Ein Wort des Papstes, das ex cathedra gesprochen wird, gilt als eine unfehlbar verkündete Lehrentscheidung in Fragen des Glaubens oder der Sittenlehre.
Aktualisiert am 22. Februar 2019.