Kopten in Ägypten zwischen Trauer und Wut auf die Regierung

Kehrt der Terror zurück?

Veröffentlicht am 12.12.2016 um 14:30 Uhr – Lesedauer: 
Ägypten

Kairo ‐ Der Anschlag auf die Kapelle Sankt Peter und Paul in Kairo traf die Koptische Kirche ins Herz. Die zuletzt aufgekeimte Hoffnung der Christen auf eine Entspannung ihrer Lage in Ägypten steht wieder infrage.

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Es war einer der bislang schwersten Anschläge auf koptische Christen in Ägypten. Bei einer Explosion in der Kapelle Sankt Peter und Paul in Ägyptens Hauptstadt Kairo starben am Sonntagmorgen mindestens 25 Menschen, 49 weitere wurden verletzt. Das Attentat traf das Zentrum der christlichen Gemeinschaft - die Kapelle liegt direkt neben der Markus-Kathedrale, dem wichtigsten Gotteshaus der Kopten in Ägypten und Sitz des koptischen Papstes Tawadros II.

Größte christliche Gemeinschaft in Ägypten

Bereits in den vergangenen Jahren war es zu Angriffen auf die koptischen Christen in Ägypten gekommen. In der Silvesternacht 2010 starben bei einem Attentat auf eine Kirche in Alexandria mehr als 20 Menschen. Nach dem Putsch gegen die Muslimbrüder im Sommer 2013, den die koptische Führung unterstützt hatte, brannten deren Anhänger in der Stadt Minya, in der zahlreiche Christen leben, Kirchen nieder.

Kairo: Dutzende Tote nach Explosion bei Kathedrale

Mindestens 25 Menschen wurden bei einer Explosion in Kairo getötet. Die Hintergründe sind derzeit noch unklar. Das Unglück ereignete sich nahe der Markus-Kathedrale, dem Sitz des koptischen Papstes.

Die Kopten sind die größte christliche Gemeinschaft in Ägypten. Sie führen ihre Anfänge auf den Evangelisten Markus zurück. Realistische Angaben über Mitgliederzahlen schwanken zwischen sieben und 10 Millionen unter den insgesamt rund 80 Millionen Einwohnern Ägyptens. Etwa eine weitere halbe Million Kopten lebt in anderen Ländern, davon schätzungsweise 6.000 in Deutschland. Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche ist seit 2012 Papst-Patriarch Tawadros II. von Alexandrien (64).

Das Verhältnis zwischen den Kopten und dem ägyptischen Staat gilt als gespalten. Einerseits erhoffen sie sich von der offiziell säkularen Führung Schutz vor Islamisten, die immer wieder Angriffe verüben, andererseits fühlen sich die Christen vom Staat vernachlässigt und diskriminiert.

Zuletzt hatte es Anzeichen für eine Entspannung der Lage gegeben - Präsident Abdel Fattah al-Sisi schien bemüht, den Kopten entgegenzukommen. So forderte er etwa nach Ausschreitungen gegen Christen in Oberägypten im Juli ausdrücklich die gesetzmäßige Bestrafung der Täter, besuchte die Markus-Kathedrale in Kairo und kritisierte extremistische Tendenzen an der Al-Azhar-Universität.

Vorsichtiger Optimismus

Auch der koptisch-orthodoxe Papst Tawadros II. äußerte sich jüngst vorsichtig optimistisch zur Zukunft der Christen in Ägypten. Die Zusammenarbeit mit Präsident, Regierung und Parlament verbessere sich, sagte er der österreichischen Presseagentur Kathpress im November. Tawadros II. verwies etwa auf das jüngst vom ägyptischen Parlament verabschiedete Gesetz über den Kirchenbau, das das grundsätzliche Recht der Christen auf Gotteshäuser festschreibt. Dies sei ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zur davor geltenden Gesetzeslage, wonach so gut wie keine neuen Kirchen gebaut werden durften. Kritiker betonen jedoch, dass die Entscheidung über Kirchenbauten weiter stark vom Wohlwollen der jeweiligen Behörden abhänge.

Kurz vor dem Attentat hatte sich Tawadros II. zu den ägyptischen Muslimen geäußert. Diese seien eher moderat - Aggression und Gewalt gegen andere Religionen lägen ihnen eigentlich fern. Das Problem sieht er vielmehr in manchen Golfstaaten angesiedelt: Viele Ägypter gingen als Arbeitsmigranten in jene Länder und kämen nach Jahren "mit viel Geld, aber auch gewaltbereit und mit extremistischem Gedankengut" zurück. Wer für das Attentat vom Sonntag verantwortlich ist, war zunächst unklar. Während der Beerdigung der Opfer am Montag sagte Präsident al-Sisi jedoch, es sei die Tat eine 22-Jährigen Selbstmordattentäters gewesen.

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Video: © missio

Ägypten - Land im Umbruch: Über die Situation der Christen in Ägypten (Archivvideo aus 2013).

Unter den Kopten herrschte nach dem Anschlag neben Trauer vor allem Wut auf die Regierung und das Versagen der Sicherheitskräfte. Am Sonntagmittag demonstrierten örtlichen Medienberichten zufolge zahlreiche Menschen vor der Kirche und forderten den Rücktritt von Präsident Al-Sisi. Dem Regime sei es nicht gelungen, die Christen im Land zu schützen, hieß es.

Dreitägige Staatstrauer

Al-Sisi rief unterdessen eine dreitägige Staatstrauer aus; die geplanten Feierlichkeiten zum Geburtstag des Propheten Mohammed sollten nur eingeschränkt stattfinden. Der Terror richte sich sowohl gegen Kopten als auch gegen Muslime, betonte die Regierung mit Blick auf den vorausgegangenen Anschlag am Freitag, bei dem sechs Polizisten starben. "Ägypten wird aus dieser Situation geeinter und stärker hervorgehen", so der Präsident. Daran haben zumindest die Kopten Zweifel.

Von Inga Kilian (KNA)

Hintergrund: Papst drückt Trauer aus

Papst Franziskus hat am Montag mit Patriarch Tawadros II. telefoniert und seine Verbundenheit mit den Opfern des Attentats bekundet. Die koptisch-orthodoxe und die katholische Kirche seien "geeint im Blut" ihrer Märtyrer, sagte Franziskus in dem Gespräch laut Vatikansprecher Greg Burke. Der Papst versicherte demnach weiter, in einer Messe am Montagabend für die koptische Gemeinschaft zu beten. (gho/KNA)