Kein gleiches Recht für alle
Ende April haben die deutschen Bischöfe mehrheitlich beschlossen, dass die Kirche ein neues, liberaleres Arbeitsrecht benötigt und bekommt. Am 1. August tritt es nun in Kraft – aber nicht für alle der rund 700.000 Mitarbeiter der katholischen Kirche in Deutschland. Denn der Beschluss hat keinen verpflichtenden Charakter. So bleibt es jedem Bischof selbst überlassen, ob er ihn in seiner Diözese auch anwendet. Einige Oberhirten haben sich dagegen entschieden.
Was kann und was darf die Kirche von ihren Mitarbeitern erwarten? Die Frage nach den sogenannten Loyalitätspflichten ist schon länger ein heißes Eisen und immer wieder auch Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Und zwar dann, wenn das Selbstbestimmungsrecht der Kirche mit staatlichem Recht kollidiert, wenn es um Meinungs- und Glaubensfreiheit geht, um das Recht auf Privatsphäre oder um das Antidiskriminierungsgesetz.
Mit der Lockerung des Arbeitsrechtes seien die Anforderungen an die Mitarbeiter im kirchlichen Dienst den "vielfältigen Veränderungen in der Rechtsprechung, Gesetzgebung und Gesellschaft angepasst worden", formulierte die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) im Mai. Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, nannte die Reformen einen "echten Fortschritt". Die "mit sehr großer Mehrheit" beschlossene neue Fassung der kirchlichen Grundordnung sei zudem "ein Gebot der Wahrhaftigkeit", schrieb er in der Juli-Ausgabe der "Stimmen der Zeit".
Künftig gilt das "Ultima-Ratio-Prinzip"
Die neuen Bestimmungen sehen zwar unverändert vor, dass es bei einem "schwerwiegenden Verstoß gegen die Loyalitätsanforderungen" zu entsprechende arbeitsrechtlichen Sanktionen kommen kann. Bei der Ahndung gilt künftig jedoch das "Ultima-Ratio-Prinzip". Heißt: Auch wiederverheiratete Geschiedene oder Mitarbeiter in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft werden nicht mehr automatisch gekündigt. Stattdessen wird der Einzelfall geprüft, Optionen wie Abmahnungen oder Versetzungen sollen dabei einer Kündigung vorgezogen werden.
Doch die neuen Regelungen treten nicht überall in Kraft. Zum 1. August werden vorerst nur 23 der 27 deutschen Diözesen das geänderte Arbeitsrecht übernehmen. In den bayerischen Diözesen Regensburg, Eichstätt und Passau sieht man noch Klärungsbedarf. Im Erzbistum Berlin ist es wohl eher ein formaler Akt, da die neuen Regelungen erst dann gelten können, wenn der jeweilige Bischof sie im kirchlichen Amtsblatt veröffentlicht hat. Und Neu-Erzbischof Heiner Koch wird seine Diözese erst am 19. September "in Besitz nehmen".
Das Bistum Regensburg prüft dagegen derzeit "die vorgeschlagene Novelle in Hinblick auf Praktikabilität und Vereinbarkeit mit dem universalen Kirchenrecht", sagte ein Sprecher. Ähnlich sieht es in Passau und Eichstätt aus. Erst wenn die Prüfung abgeschlossen sei, wolle man über den weiteren Weg entscheiden und das Ergebnis veröffentlichen. Bis dahin bleibt die alte Grundordnung in Kraft, so dass "jederzeit Rechtssicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewährt" sei, wie es aus den drei Diözesen heißt.
Für wen gelten die erhöhten Loyalitätserwartungen?
Doch auch in den Bistümern, die das neue Arbeitsrecht zum 1. August einführen, gibt es noch Diskussionsbedarf bezüglich der endgültigen Ausgestaltung. Denn bei bestimmten Berufsgruppen sieht auch der neue Beschluss erhöhte Loyalitätserwartungen vor. In der Grundordnung heißt es dazu nur, dass Mitarbeiter betroffen seien, "die pastoral, katechetisch, aufgrund einer Missio canonica oder einer sonstigen schriftlich erteilten bischöflichen Beauftragung beschäftigt werden". Wie weit oder nah diese Berufsgruppen gefasst werden, ist noch offen. Bisher gehörten dazu vor allem Lehrer, Gemeinde- und Pastoralreferenten, Katechten oder Diakone.
Kritik von Grünen und SPD
Die abwartende Haltung der drei bayerischen Bischöfe stößt bei Grünen und SPD auf scharfe Kritik. Der religionspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, warf den Bischöfen am Donnerstag in Berlin eine "erbarmungslose und kündigungswütige Haltung" vor, die vor weltlichen Gerichten keinen Bestand haben werde. Die bisherige Praxis katholischer Arbeitgeber gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen und homosexuellen Lebenspartnern sei "unverhältnismäßig" gewesen, so Beck. Die Loyalitätspflichten seien weit über den Tendenzschutz in Parteien und Gewerkschaften hinausgegangen. Die kirchenpolitische Sprecherin der bayerischen Landtags-SPD, Kathi Petersen, bezeichnete das Ausscheren der drei Bistümer als "wenig lebensnah". Man müsse den Menschen auch zugestehen, dass sie scheitern. (KNA)Im Erzbistum Bamberg berate man deshalb noch, wer genau künftig davon betroffen sei. Das Bistum Dresden-Meißen dagegen hat schon festgelegt, für wen die Lockerungen nicht gelten: etwa für Katecheten und andere Mitarbeiter, die aufgrund einer besonderen bischöflichen Beauftragung tätig sind, sowie für leitende Mitarbeiter etwa in Kindergärten. Das Bistum Trier will laut Auskunft eines Sprechers nach derzeitigem Stand von der in der neuen Grundordnung vorgesehenen Möglichkeit, bestimmte kirchliche Beschäftigte mit einer sogenannten bischöflichen Beauftragung zu versehen, keinen Gebrauch machen. (mit Material von dpa)